Am Samstag wurde in Trebel die graphic novel-Ausstellung "Die Insel" eröffnet. Drastische Bilder erzählen eine Geschichte, die Angst macht - vor menschlicher Erbarmungslosigkeit und auf Angst folgende Gewalt.
Eines Tages wird ein nackter Mann an den Strand einer Insel geschwemmt. Aus lauter Angst sperren ihn die Inselbewohner in einen Ziegenstall und redeten sich gegenseitig ein, dass von diesem Mann eine große Gefahr ausgeht. Die Konsequenz: er wird auf ein Floß gesetzt und wieder in die Wellen geschoben. "Dann bauten sie eine hohe Mauer um die ganze Insel; mit Türmen, von denen sie Tag und Nacht das Meer überwachen konnten ." Damit endet die schonungslose Geschichte dieses Schutzsuchenden.
Nicolaus Neumann wählte Greder als siebten graphic novel-Autor der Ausstellungsreihe "storylines", die in den Künstlerischen Werkstätten Trebel stattfindet. Mit "Die Insel" wählte er erneut ein Werk, welches sich provokativ mit menschlichen Abgründen auseinandersetzt.
Wie gehen wir mit Fremden um?
Auf den ersten Blick sieht es so aus, als wenn hier erneut ein Autor die aktuelle Flüchtlingskrise ins Visier genommen hätte. Doch weit gefehlt: "Die Insel" des Schweizer Graphikers und Illustrators Armin Greder erschien bereits 2002 - zu einer Zeit, in der die Bestrebungen, Europa zu einer "Festung" auszubauen, die Diskussionen über Flüchtlingsströme dominierten. Massenhaft nach Europa einreisende Flüchtlinge waren damals eine eher abstrakte Befürchtung.
Also kein aktueller Beitrag zur immer wieder beschworenen Flüchtlingskrise. "Die Insel" ist vielmehr "eine Arbeit, die eines der gravierendsten Probleme unserer Zeit in aufregenden Zeichnungen auf den Punkt bringt - unseren Umgang mit Flucht, Vertreibung, mit Flüchtlingen und Vertriebenen." So Ausstellungs-Organisator Nicolaus Neumann in seiner Einführungsrede zur Eröffnung.
Für seine graphic novel wählte Greder drastische Striche. Trotzdem gelingt es ihm, feine Gefühlsregungen sichtbar zu machen. Eindeutig die Botschaft: hier die dicken, ja teilweise fetten, Inselbewohner, die nur mit sich selbst beschäftigt sind - dort der nackte, abgemagerte und auch viel kleinere Mann. Sehr plakativ, diese Gestaltung, doch so entsteht genau der Effekt, den Greder wohl beabsichtigte: "... er zwingt uns mit dem drastischen Strich, allein dieses Thema wahrzunehmen: das Fremde," so Nicolaus Neumann. "Die erbarmungslose Gewalt mit der wir ihm begegnen und die Gleichgültigkeit mit der wir es zugleich zur Kenntnis nehmen, offenbaren unsere Unfähigkeit zu Menschlichkeit und Toleranz dem Fremden gegenüber. Anderssein empfinden wir als Bedrohung. Davon herausgefordert verwandeln wir uns in Monster."
Greders künstlerische Vorbilder sind der Karikaturist Honoré Daumier "mit seinem ätzenden Humor", Goya "mit seiner schonungslosen Darstellung der Menschheit" und Käthe Kollwitz "mit ihrem kritischen Blick auf die Gesellschaft", wie er selbst einmal formulierte. Doch auch Edvard Munchs "Schrei" fand Eingang in "Die Insel".
"Die Insel" als Spiegel Europas
Greders "Monster" setzen den Schutzsuchenden nackt und nur mit einem Floß ausgestattet wieder aufs Meer hinaus. Und bauen eine hohe Mauer um die Insel, mit Türmen "von denen sie Tag und Nacht das Meer überwachen konnten."
So wird "Die Insel" zum Spiegel Europas. "Auch wir bauen martialische Mauern aus Stacheldraht und Wachtürmen. Sichern sie mit Polizei und Militär, mit Sprengfallen und Kriegsschiffen. So schützen wir uns vor den Fremden, die bei uns Schutz und Hilfe zu finden hoffen." (Nicolaus Neumann).
Nicht zu vergessen zunehmende Grenzkontrollen, Milliardenzahlungen an einen Staat, dessen Umgang mit Andersartigen (Stichwort Kurdenkonflikt) mehr als fragwürdig ist oder die permanenten Versuche, Migranten grundsätzlich als Kriminelle und Abzocker zu diskreditieren.
Die Ausstellung in Trebel ist sowohl aus künstlerischer als auch aus gesellschaftspolitischer Sicht mehr als empfehlenswert. Sie ist ein Muss für Jeden, der sich mit den Dimensionen menschlicher Abgründe auseinandersetzen möchte.
Die DinA3 großen Abzüge der graphic novel sind noch bis zum 29. April jeweils von Freitag bis Sonntag von 16
bis 18 Uhr in den Künstlerischen Werkstätten von Ernst von Hopffgarten in Trebel zu sehen.
Foto | Angelika Blank: "Die Insel" fand bei der Eröffnung am Samstag großes Interesse