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Elbe-Reststrecke: Die Leichtigkeit des Schiffsverkehrs

Die Wasser- und Schiffahrtsbehörde hat in Hitzacker zwei Workshops zum geplanten Umbau der Elbe zwischen Damnatz und Hitzacker veranstaltet. Wolf-Rüdiger Marunde berichtet für wnet.

Gehen Schifffahrt und Umweltschutz zusammen? Nach dem Gesamtkonzept Elbe (GKE) dürfen Strombaumaßnahmen zur Verbesserung des Schiffsverkehrs nicht zu einer Verschlechterung der ökologischen und wasserwirtschaftlichen Situation führen. Die für den Wasserbau verantwortlichen Behörden versprechen, dass ihre Planungen für einen Umbau der Elbe zwischen Damnatz und Hitzacker sogar zu einer ökologischen Verbesserung führen werden. Wirklich? In Hitzacker versuchte das Wasser- und Schifffahrtsamt, interessierte Menschen von ihren Plänen zu überzeugen.  

Die Kamera schwebt majestätisch über den Fluß, Störche klappern, ambientöse Klaviermusik perlt: Szenen aus einem Werbefilm der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Eine Frauenstimme spricht: „Naturschützer, Binnenschiffer, Wirtschaftsvertreter: Sie alle hatten stets ihre eigenen Interessen im Blick.“ Dieser Konflikt habe 2017 mit dem Gesamtkonzept Elbe, kurz GKE, ein Ende gefunden.

Der Werbefilm für das GKE wird im Verdo, Hitzacker, gezeigt, als Einstimmung in einen „Workshop“ zum Thema Umbau der Elbe. Im Publikum sitzen etwa 50 ausgesuchte Menschen, die sich beruflich, ehrenamtlich oder als Umweltschützer/innen für das Thema besonders interessieren. Das Wasser- und Schiffahrtsamt Elbe stellt zwei Varianten vor. Sie sollen nicht nur die Schifffahrtsverhältnisse auf der Elbe erleichtern, sondern gleichzeitig auch den schlechten ökologischen Zustand des Flusses entsprechend der europäischen Wasserrahmenrichtlinie verbessern.

Gemeinsam abgestimmte Lösungen“

Die Filmmusik gießt sahnige Geigenklänge über das Publikum. Tobias Gierra (im Wasser- und Schifffahrtsamt Elbe ist er der Fachgebietsleiter für die Koordination des Projektes Gesamtkonzept Elbe) steht vor dem Fluß und sagt: „Nur wenn keiner die Interessen über die des anderen stellt, können gemeinsam abgestimmte Lösungen gefunden werden.“ „Gemeinsam abgestimmt“ bedeutet in diesem Fall, dass die politischen Entscheidungen im Gesamtkonzept Elbe von Bund und Ländern getroffen wurden. Die Naturschutzverbände waren zwar an den Beratungen beteiligt, bezweifeln aber nach wie vor, dass es möglich sei, die verkehrlichen und ökologischen Ziele des GKE miteinander zu vereinbaren.

Zwei Workshops in Hitzacker sollen der regionalen Bevölkerung den Umbau des Flusses zwischen Damnatz und Hitzacker nahebringen. Dieser Abschnitt der mittleren Elbe wird von den Behörden „Reststrecke“ genannt: Sie ist seit Jahrzehnten unverändert und gilt als „nautische Schwachstelle“. Vor allem in den Sommermonaten wird die Schifffahrt von wandernden Sandbänken behindert, generell sind die Fahrwassertiefen hier geringer als sonst in der Mittelelbe. 

Zwischen Geesthacht und Magdeburg fährt deshalb der weitaus größte Teil der Schiffe über die Parallelstrecke Elbeseitenkanal/Mittellandkanal. Nicht wenige Teilnehmer/innen fragen sich, warum ein zweiter leistungsfähiger Schifffahrtsweg gebraucht wird. Das aber soll in Hitzacker nicht Thema sein. In Vorträgen werden die Strombaumaßnahmen vorgestellt: Andere Buhnen beispielsweise, niedrigere mit Kerben oder Haken. Oder „Parallelbauwerke“, die mehrere hundert Meter neben den Ufern verlaufen und dafür sorgen sollen, dass sich seichte Nebengewässer bilden.

Grundsatzfragen nicht Gegenstand des Workshops“

Am Nachmittag wird das Publikum in zwei Arbeitsgruppen aufgeteilt, die die Varianten diskutieren und Anregungen „aus der Region“ geben sollen. Aber das möchten etliche Teilnehmer/innen so nicht mitmachen, jetzt wollen sie ihre Fragen loswerden. Zum Beispiel, warum der Elbe-Seitenkanal denn nicht als Verkehrsweg ausreiche. Ob es überhaupt ausreichend Bedarf für eine zweite Schiffahrtsstrasse gäbe. 

Sie haben fachliche Einwände, zum Beispiel nach den Paradigmen und konkreten Zielvorstellungen der Baumaßnahmen, ohne die man sie gar nicht bewerten könne. Die anwesende Landrätin Dagmar Schulz fragt nach den Dioxinbelastungen: Seien die gar nicht berücksichtigt? Würden die denn nicht durch die Baumaßnahmen weiter in das Elbevorland getragen? 

Eben jener Tobias Gierra, der eben noch im Werbefilm für „gemeinsam abgestimmte Lösungen“ geworben hat, sieht sich nun veranlasst einzugreifen: Das Wasser- und Schifffahrtsamt habe eingeladen, die Varianten zu diskutieren. Grundsatzfragen seien nicht Gegenstand des Workshops. Das habe das WSA so festgelegt, und das hätten die Anwesenden auch so zu respektieren.

Für Gierra und seine Behörde kann der Umbau der Reststrecke für den Schiffsverkehr nicht in Frage gestellt werden. Das Wasser- und Schifffahrtsamt habe eine „hoheitlichen Aufgabe“ zu erfüllen: Sie sei verpflichtet, die „Leichtigkeit des Schiffsverkehrs“ zu gewährleisten. Und die entsprechenden infrastrukturell-verkehrlichen Ziele für die Binnenelbe wurden 2017 im „Gesamtkonzept Elbe“ (GKE) von Bund und Ländern beschlossen. Die habe man umzusetzen.

Hinterlandanbindung für den Hamburger Hafen?

Die wichtigste Größe ist eine bestimmte für Standard-Kanalschiffe ausreichende Fahrrinnentiefe und -breite. Datengrundlage sind die durchschnittlichen Wasserdurchflüsse, die die Elbe zwischen 2000 und 2010 geführt hat. Auf dem Workshop wird deshalb auch die Frage gestellt, ob diese Daten angesichts der sich abzeichnenden Veränderungen durch den Klimawandel nicht veraltet seien. Sie bleibt ebenfalls unbeantwortet. 

Schon beim ersten Workshop, der in November 2023 ebenfalls im Verdo stattfand, reagierte das WSA bei kritischen Fragen aus dem Publikum schmallippig. Zahlen über den Schiffsverkehr auf der Elbe? Keine Auskunft. Welche Rolle spielt das Interesse der Hamburger Hafenwirtschaft an einer „Hinterlandanbindung“ mit dem „ElbePort“ Wittenberge? Welchen Einfluss hat das deutsch-tschechische Elbeabkommen von 2021, mit dem der tschechischen Anschluß an den Seeverkehr in Hamburg abgesichert werden soll? Welche wirtschaftlichen Interessen sind es, die den Umbau der Elbe verlangen?

Dass in einem „Bürgerdialog“ grade bei diesen Themen Auskunft verlangt wird, war dem WSA vermutlich klar. Deshalb hat es beide Workshops vormittags mit Vorträgen („Faktenchecks“) gefüllt und an den Nachmittagen versucht, die Diskussionen in die gewünschten Bahnen zu lenken. Auf beiden Workshops machte das WSA klar, dass es die von Bund und Ländern vereinbarten Ziele zum Ausbau der Wasserstrasse Elbe auf jeden Fall umsetzen wollen.

Seit 2021 sind die Wasser- und Schifffahrtsverwaltungen aber auch für die ökologische Verbesserung des Flusses zuständig. In der „Dessauer Erklärung“ vom Oktober 2023 kritisieren mehrere Umweltverbände, darunter auch der NABU und der BUND, dass auf der ökologischen Seite viel zu wenig geschehe. Die Elbe und ihre Flusslandschaft seien in einem Besorgnis erregenden Zustand. Ihrer Meinung nach müsste die Sicherung des Naturerbes Elbe, ihrer Auen und der Flusslandschaft sowie des Kulturerbes gegenüber den Wirtschaftsinteressen mehr Gewicht bekommen. Deshalb fordern sie eine Überarbeitung des GKE und bis dahin einen Stopp der verkehrlichen Ausbaumaßnahmen.

Eingriffe in einen „dynamischen Sandfluß“

Der Wasserbauingenieur Dirk Hentschel, einer der im Verdo für das WSA vortragenden Fachleute, sieht dafür keinen Grund. In seinen Augen sind ausreichende Fahrwassertiefen in der Mitte und ökologisch wertvolle Uferzonen und Randbereiche problemlos miteinander vereinbar. Grade auf der Reststrecke seien die Platzverhältnisse dafür hervorragend geeignet. Er gesteht allerdings auch zu, dass es 10 oder 20 Jahre dauern könne, bis sich ein dynamisches System wie die Elbe den Bauwerken angepasst habe. Rahmenbedingungen, die sich in Zukunft ändern, könne man ohnehin kaum mit einberechnen. 

„Wenn sich herausstellt, dass die Berechnungen und Prognosen nicht Wirklichkeit werden,“ wird er gefragt, „kann man dann wieder zurückbauen?“ Seine Antwort: Das sei leider planungsrechtlich äusserst schwierig… Mit anderen Worten: Der Umbau schafft Fakten für viele Jahrzehnte. Der anwesenden Gewässerexperte Dr. Bäuerle (Spezialgebiet: Auswirkungen von Klimaänderungen auf Seen) ist entsetzt. Seiner Meinung nach ist das Wissen über die Folgen der geplanten Eingriffe in einen "dynamischen Sandfluß" noch unzureichend und deshalb ein solcher Umbau nicht zu verantworten.

Nach den Arbeitsgruppen geht’s wieder zurück ins Plenum. In ihrem Abschlussvortrag skizziert die Projektleiterin Kira Colbatz die in Zukunft geplanten „Beteiligungen der Öffentlichkeit“: Außer einem unterhaltsamen „Infomarkt“ in Bleckede ist für’s allgemeine Volk offensichtlich nichts mehr geplant. Die Planungen ihrer Behörde für den Umbau der Elbe zwischen Damnatz und Hitzacker werden unterdessen weitergehen wie vorgesehen.

(Anmerkung der Redaktion: Mitte März 2023 wurde dem Kreis-Fachausschuss Naturschutz (u.a.) eine  konzeptionelle Vorstudie zum Ausbau der "Reststrecke" vorgestellt. Tenor: technisch machbar, aber in verschiedenen Details "herausfordernd")

Text: Wolf-Rüdiger Marunde

Foto: Angelika Blank - Seit Jahren treten Niedrigwasser-Phasen der Elbe weitaus öfter auf und dauern länger als Normalwasser-Phasen.







2024-05-22 ; von Wolf-Rüdiger Marunde (autor),
in 29456 Hitzacker (Elbe), Deutschland

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