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Auf uralten Pfaden unterwegs: Wolf im Wendland gesichtet

Seit Jahren sind sich Wolfs-Fachleute sicher, dass im Wendland mindestens ein Wolf lebt - doch gesehen hat ihn bisher noch niemand. Björn Vogt gelang nun das, was alle Wolffans sich sehnlichst wünschen: er fotografierte einen Wolf auf einem Acker bei Zadrau. Hier sein Bericht ...

Wolfsberater Kenny Kenner ist elektrisiert, als er hört, dass es ein beglaubigtes Foto vom Wolf im Wendland gibt. Es ist der erste fotografische Nachweis eines lebenden Wolfes im niedersächsischen Landkreis Lüchow-Dannenberg, und Beleg dafür, dass der große Beutegreifer uralte Wolfswechsel wieder benutzt.

Dienstag, 29. November: Genau einen Tag nach dem Ende des Castor-Transportes war es Nicole Münzel aus Zadrau, die den Wolf morgens gegen 8 Uhr auf einem mit Raureif überzogenen Feld als erste sah. „Das war für mich ein spirituelles Erlebnis“, zeigt sich die junge Frau begeistert von ihrer kurzen Begegnung mit Isegrim. Genau eine Stunde später gelang das Foto von dem hellbraunen Tier - an der Kreisstraße K1, mitten in der Feldmark.

„Es ist sehr ungewöhnlich für einen Wolf, dass er sich tagsüber zeigt“, berichtet Wolfsexperte Markus Bathen vom NABU: „Ich vermute, dass er durch die Auseinandersetzungen um den Castor-Transport im Wald aufgeschreckt wurde und deswegen seine Deckung aufgab“. Auch ein Reh, welches in der Nähe äst, bemerkt nicht, wer sich da nähert – aber der Wolf macht keine Anstalten, das Tier zu jagen, er trollt sich. Kurz darauf wird er von Erwin Schumacher am Dannenberger Krankenhaus beobachtet und mit dem Auto mit eingeschalteter Warnblinkanlage ein Stück weit begleitet.

Schumacher informiert Kreisveterinärin Dr. Birgit Mennerich-Bunge, die augenblicklich losfährt, um Spuren zu sichern. Leider finden sich keine Abdrücke, da es zu kalt ist an diesem Tag. Aber die Wolfsexperten Bärbel Pott-Dörfer vom NLWKN, Gesa Kluth von LUPUS und Markus Bathen vom NABU können die Fotos des Wolfes zweifelsfrei identifizieren. „Das ist ein (wissenschaftlich international anerkannter) C1-Nachweis eines Wolfes im Wendland“, freut sich die Kreisveterinärin, die sich für ein friedliches Miteinander von Wolf und Jägerschaft engagiert.

Auf uralten Wolfspfaden unterwegs

Auf seiner Route durch die Dannenberger Feldmark hatte das Jungtier vermutlich Anschluss an die Göhrde, den größten Wald Niedersachsens. Der eingangs erwähnte Öko-Hotelier Kenny Kenner hat den Wolf selber noch nie zu Gesicht bekommen, obwohl er seit zehn Jahren als ehrenamtlicher Wolfsberater der Landesregierung im Bereich Göhrde tätig ist. Besonders beliebt sind seine Gästeführungen zum Thema Wolf.

Die Hinterlassenschaften von Isegrim konnte Kenner dagegen schon oft einsammeln: „Die Losung lassen wir jedesmal von Experten analysieren, ob sie vom Hund stammt oder vom Wolf. Aber eins war noch nie dabei: Ein DNA-Nachweis von Rotkäppchen“, schmunzelt Kenner.

Für Deutschlands führende Wolfsforscherin Gesa Kluth vom Wildbüro Lupus in der Lausitz handelt es sich bei dem fotografierten Wolf vermutlich um ein anderthalbjähriges Jungtier, welches aus Sachsen-Anhalt in die Göhrde wechselte. Das nächste Gebiet mit einem etablierten Wolfsrudel liegt rund 180 Kilometer entfernt in der Altengrabower Heide. Ein Wolf kann eine solche Distanz in wenigen Tagen überwinden.

Landwirt Hans-Jürgen Rehbeck aus Weitsche berichtet von einem uralten Wolfswechsel, der die großen Waldgebiete und die Feldmark durchzieht. Dieser Pass, jahrzehntelang durch den eisernen Vorhang unterbrochen, wurde in diesem Jahr nachweislich auch von der besenderten Wolfsfähe Zora aus Altengrabow benutzt, deren Spur sich seit dem Sommer 2011 bei Bleckede verliert.

Markus Bathen vom NABU betont: „Wolfsmeldungen aus dem Wendland und der Görde hat es in den vergangenen Monaten wiederholt gegeben, sodass wir uns heute wieder einmal bestätigt sehen: der Wolf kommt zurück!“ Zu angedachten Änderungen im sächsischen Jagdrecht betont der NABU, dass „der Wolf und alle anderen streng geschützten Arten, beispielsweise Birkhuhn, Seeadler und Fischotter, nicht ins Jagdrecht gehören.“

Wölfe - eine streng geschützte Art

Wölfe unterliegen in Niedersachsen nicht dem Jagd-, sondern dem Naturschutzrecht. Sie gehören durch eine Vielzahl nationaler und internationaler Übereinkommen zu den am strengsten geschützten Arten.

Aufgrund geeigneter Habitate, vor allem im Bereich der Lüneburger Heide, aber auch des Wendlandes, in Teilen des Harzes sowie des Weserberglandes, gilt Niedersachsen als Wolfserwartungsland. Bereits seit April dieses Jahres hält sich eine Wolfsfähe dauerhaft auf dem Truppenübungsplatz Munster-Nord auf.

Die Entwicklung der deutsch-westpolnischen Population mehrt die Wahrscheinlichkeit, dass mit weiteren einwandernden Wölfen zu rechnen ist. Das Niedersächsische Umweltministerium und die Landesjägerschaft Niedersachsen hat vor kurzem eine Kooperationsvereinbarung zum Umgang mit dem Wolf in Niedersachsen unterzeichnet - eine umstrittene Maßnahme.

„Ich begrüße es sehr, dass beim Schutz des Wolfes die Jägerschaft mit dem Niedersächsischen Umweltministerium an einem Strang zieht“, sagte Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander. „In enger Abstimmung mit dem Umweltministerium unterstützt die Landesjägerschaft nun neben den umfangreichen Aufgaben der wissenschaftlichen Begleitforschung das Land nun auch durch die landesweite Koordination und Dokumentation der wissenschaftlichen Erfassung von Wolfshinweisen, das sogenannte Wolfsmonitoring, sowie die Schulung der ehrenamtlichen Wolfsberater und die Information der Öffentlichkeit“, heißt es aus dem Ministerium. „Schon bei der Erstellung des Wolfskonzeptes haben das Umweltministerium und die Landesjägerschaft erfolgreich zusammengearbeitet. Diese Zusammenarbeit setzen wir jetzt fort“, erklärte Sander.

Für ein friedliches Miteinander von Wölfen und Jägern

Ein Wunsch, auf dessen Einhaltung auch der Wolfsbeauftragte der Kreisjägerschaft, Jörn Grabau, mit Nachdruck drängt. In Zukunft soll nach dem illegalen Abschuss eines Wolfes im Wendland im Jahr 2007, der hohe Wellen schlug, intensiv für ein friedliches Miteinander von Jägerschaft und dem inzwischen wiederkehrenden Wolf im Wendland geworben werden, so Grabau.

Angst braucht deswegen übrigens niemand zu haben. Wenn in einer Kulturlandschaft lebende Wölfe nicht bejagt werden, reagieren sie auf den Anblick von Menschen zwar vorsichtig, aber nicht extrem scheu, wie Gesa Kluth vom Büro LUPUS in der Lausitz mitteilt. Bei einer Begegnung erfolgt oft keine panische Flucht, sondern der Wolf zieht sich meist gelassen und bedacht zurück. Die ausgeprägte Vorsicht und das Misstrauen gegenüber potenziellen Feinden und Gefahren ist eine bewährte Überlebensstrategie des Wolfes. Zu direkten Begegnungen zwischen Mensch und Wolf kommt es daher selten. Meist bemerken Wölfe den Menschen frühzeitig und gehen ihm aus dem Weg. In ihrer Raumnutzung passen sie sich normalerweise an die Aktivität des Menschen an, indem sie die Bereiche ihres Streifgebietes, in denen tagsüber viele Menschen anzutreffen sind, nur in der Nacht frequentieren.

Im Schutze der Dunkelheit laufen sie auch unmittelbar an bewohnten Häusern vorbei, so wie man es auch von Rehen und Füchsen kennt.

Der Mensch zählt bekanntermaßen nicht zur natürlichen Beute von Wölfen, doch viele Menschen befürchten, dass sich das ändern könnte, wenn Wölfe sehr ausgehungert sind und keine natürlichen Beutetiere mehr finden. Diese Befürchtung ist unbegründet, denn wildlebende Wölfe sind oft sehr hungrig, ohne dass es zu Übergriffen auf Menschen kommt. Der Wolf wird im Welpenalter durch die Elterntiere, die das Futter für die Jungen herantragen, auf sein Beutespektrum geprägt, der Mensch zählt nicht dazu.

Keine Gefahr für Menschen

Zur realistischen Einschätzung des Gefährdungspotenzials, das von Wölfen gegenüber Menschen ausgeht, wurde im Jahr 2002 im Auftrag des Norwegischen Institutes für Naturforschung (NINA) eine Studie erstellt, in die umfassende Literatur und das Wissen über Wolfsangriffe aus Europa, Asien und Nordamerika aus den letzten Jahrhunderten eingeflossen sind (The fear of wolves: A review of wolf attacks on humans).

Das Resümee der NINA-Studie lautet:

• Von gesunden Wölfen geht in der Regel keine Gefahr aus, sie reagieren auf Menschen mit äußerster Vorsicht und nicht aggressiv. Menschen gehören nicht zur normalen Beute von Wölfen.

• Das Risiko in Europa oder Nordamerika von einem Wolf angegriffen zu werden ist sehr gering.

• Angriffe von Wölfen auf Menschen sind grundsätzlich ungewöhnlich und treten nicht spontan auf.

• In den extrem seltenen Fällen, in denen Wölfe Menschen getötet haben, waren die meisten Angriffe auf Tollwut oder Habituierung (Gewöhnung) zurückzuführen.

In den letzten 50 Jahren sind in Europa fünf Fälle von tödlichen Angriffen auf Menschen durch tollwütige Wölfe bekannt geworden. Die Tollwut spielt heute bei uns keine Rolle mehr, da Deutschland seit 2008 (Brandenburg seit 2000, Sachsen seit 2004) tollwutfrei ist.

Die Tollwutsituation wird in Deutschland und seinen Nachbarländern ständig beobachtet. Bei einem eventuell erneuten Auftreten der Krankheit werden entsprechende Gegenmaßnahmen zur Bekämpfung, wie die orale Immunisierung des Fuchses als Hauptüberträger mittels Impfköder, ergriffen.

Wölfe, die über einen längeren Zeitraum an Menschen gewöhnt wurden, z.B. durch Anfüttern, können aufdringliches und dreistes Verhalten entwickeln, was für den Menschen gefährlich werden kann.

Bei massiver Provokation bzw. „in die Enge treiben“ von Wölfen, kann eine gefährliche Situation entstehen. Wölfe gehen dem Menschen normalerweise aus dem Weg. Indem man bei einer Begegnung mit einem Wolf respektvollen Abstand hält, kann man die Gefahr einer ungewollten Provokation vermeiden.

Gelegentlich werden Wölfe in der Nähe, selten direkt in Ortschaften gesehen. Dort können sie auch Nutztiere reissen, besonders wenn diese unzureichend geschützt sind.

Unerfahrene Jungwölfe sind manchmal weniger scheu, eher neugierig-naiv, zu einem aggressiven Verhalten gegenüber dem Menschen kam es aber noch nie. Bisher ist im Lausitzer Wolfsgebiet kein Fall von gefährlichem Verhalten von Wölfen gegenüber Menschen bekannt.

 

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Foto: Björn Vogt / Dieser zweifelsfrei identifizierte Wolf wurde am 29. November morgens um 9 Uhr - einen Tag nach dem Castor-Transport – auf freiem Feld bei Dannenberg fotografiert – es ist der erste fotografische Nachweis eines lebenden Wolfs im Wendland.




2011-12-11 ; von Björn Vogt (autor),

wolf  

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