Explodierende Preise: Dinkel wird zum Luxusgetreide

Vor allem im Biobereich wird Dinkel nicht nur von Allergikern geschätzt. Doch Bäcker und anderer Weiterverarbeiter können sich glücklich schätzen, wenn sie noch mit dem beliebten Getreide beliefert werden: der Markt ist leer, die Preise schießen durch die Decke.

Es war schon immer etwas teurer einen besonderen Geschmack zu haben. Doch was seit einiger Zeit mit dem Preis für Dinkelgetreide passiert, könnte dazu führen, dass Dinkelbrote, Dinkelnudeln oder andere aus diesem beliebten Getreide hergestellten Bio-Back- und Teigwaren womöglich bald vollständig aus den Regalen verschwinden - oder so teuer werden, dass sie nicht mehr erschwinglich sind.

Bei der Bohlsener Mühle, die einen großen Teil der hiesigen Bäcker, Bioladen oder Nudelhersteller beliefern, wurde die Dinkel-Auslieferung bereits vor längerem budgetiert. Der Bauckhof beliefert zwar noch alle seine Stammkunden, nimmt aber keine neuen mehr an. Der Grund: die Preise für Dinkel-Getreide klettert seit einiger Zeit in schwindelerregende Höhen. Bekam ein Landwirt vor einigen Jahren noch 25 € für 100 kg Getreide, so muss ein Abnehmer im Moment satte 60 € für die gleiche Menge bezahlen. Zum Vergleich: die gleiche Menge Weizen ist bei den Landwirten für unter 20 € zu erhalten.

Die Gründe für diesen enormen Preisanstieg sehen die Einkäufer und Vertriebsleiter der beiden größten Bio-Getreideverarbeiter in der Region, Bohlsener Mühle und Bauckhof vor allem in einer drastischen Lücke zwischen Angebot und Nachfrage - zumal die diesjährige Ernte noch nicht eingebracht ist. Von der Landwirtschaftskammer war zu erfahren, dass die Flächen für Dinkelanbau in der Region zwischen Heide und Wendland gerade einmal 680 ha betragen. Insgesamt wird in dem gleichen Raum auf 128 000 ha Getreide angebaut.

Der meiste Dinkel kommt also aus anderen Regionen Deutschlands, vor allem aus Mittel- und Süddeutschland. Angesichts der hohen Nachfrage vor allem Biobereich haben profitorientierte Zwischenhändler angefangen, mit Dinkel zu spekulieren. Sie kaufen Dinkel auf, verknappen auf diese Weise das sowieso schon geringe Angebot und sorgen so mit dafür, dass die Preise "durch die Decke gehen." Für die Verarbeiter von Dinkel bedeutet die angespannte Marktlage, dass sie bis zum Doppelten des früheren Preises für das Getreide bezahlen müssen. Konsequenz: die ersten Bäcker und Nudelhersteller haben Dinkelprodukte bis auf weiteres aus dem Programm genommen.

Um die Kunden nicht allzusehr zu belasten, ist der Bauckhof schon dazu übergegangen, Dinkel quer zu subventionieren. "Wir wollen unseren Kunden nicht zumuten, den doppelten Preis zahlen zu müssen," so der Vertriebszuständige vom Bauckhof in Stütensen. Trotzdem bleibt oft eine 30%ige Preissteigerung bei den Händlern und Bäckern hängen. Beim Bauckhof ist man derzeit noch optimistisch, dass sich die Lage nach dem Einbringen der anstehenden Ernte entspannen wird. Bis dahin werden wohl die Dinkel-Liebhaber zumindest mit höheren Preisen zu rechnen haben - oder gar ganz auf ihr Lieblings-Brot oder -Nudel verzichten müssen.

Hintergrund

Dinkelnutzung und -anbau in Europa wurde durch archäologische Untersuchungen bereits für die Jungsteinzeit nachgewiesen. Die ältesten Funde stammen aus Westgeorgien, Bulgarien, Polen und Südschweden. Christliche Pilger nahmen Dinkel als haltbare Frucht überallhin mit, daher ist er heute weltweit verbreitet.

Dinkel ist im Anbau nicht so effektiv wie andere Getreidearten, weshalb er im 20. Jahrhundert für die Landwirtschaft immer mehr an Bedeutung verlor. Erst mit dem Aufkommen biologischer Lebensmittel wurde Dinkel von den Verbrauchern wiederentdeckt. Dem eiweißreichen Getreide werden besondere gesundheitlich positiv wirkende Eigenschaften zugeschrieben. So soll er bei bestimmten Getreideunverträglichkeiten als Ersatzgetreide eingesetzt werden können. Dinkel ist allerdings nicht glutenfrei und auch backtechnisch kompliziert zu behandeln.

Foto / Rasbak: Dinkelkorn ist im Moment derart teuer, dass es sich mancher Bäcker nicht mehr leisten kann.




2015-08-12 ; von Angelika Blank (autor),
in Lüchow-Dannenberg, Deutschland

landwirtschaft  

Kommentare

    Sie müssen registriert und angemeldet sein um einen Kommentar schreiben zu können