Thema: migration

Faisal und Zainab - Irrfahrt eines pakistanischen Ehepaars

Wie Asylsuchende sich in Deutschland in den Mühlen der Bürokratie verirren und sogar ihre Identität verlieren können, zeigt die Geschichte von Faisal und Zainab Rahmanzai (Namen geändert) aus Pakistan

Noch nicht einmal 30 Jahre alt sind Faisal und Zainab Rahmanzai (die Namen wurden von der Redaktion geändert, da das Ehepaar Angst vor Schwierigkeiten hat) und mussten doch in ihrem jungen Leben schon einige dramatische Erlebnisse verkraften. Als Christen befürchteten sie in ihrem Heimatland Pakistan von den islamistischen Terrormilizen verfolgt und ermordet zu werden, was sie auf die lebensgefährliche Flucht nach Europa trieb.

Zainab ist bereits schwanger, als sie in Gießen ankommt, wo das Ehepaar sich als Asylsuchende registrieren lässt. Sie weisen den Sachbearbeiter in der dortigen Aufnahmeeinrichtung zwar darauf hin, dass er ihre Namen falsch notiert hatte - was dieser allerdings mit den Worten abtut, dass dies nichts mache. "Das wird dann beim Aufnahmeinterview korrigiert," ist seine lapidare Auskunft. 

Nach 45 Tagen im Erstaufnahmelager Gießen wird das Ehepaar dann weiter ins hessische Hofheim geschickt, auf einen Campingplatz, wo sie einen Campingwagen beziehen, der - ohne sanitäre Anlagen - auf einer Bergspitze steht. Zu Toilettengängen oder zum Waschen müssen sie den Berg hinab klettern, wo sich die Sanitäranlagen befinden.

Unterlassene Hilfeleistung oder "nur" Überforderung?

Zainab leidet zunehmend unter Unterleibsbeschwerden, der lange Weg zu den sanitären Einrichtungen wird für sie bald nicht mehr erträglich. Nach 3 Tagen sucht das Ehepaar deshalb die zuständige Sozialarbeiterin in Hofheim auf und beklagt sich über die unzureichenden sanitären Bedingungen. Zainab erhält jedoch lediglich einen Krankenschein - wieder ausgefüllt auf den falsch notierten Namen.

Da der örtliche Gynäkologe ihnen erst Tage später einen Termin geben kann, fährt das Ehepaaer In Unkenntnis der Vorschrift, dass sie den Landkreis, in dem sie untergebracht waren, gar nicht ohne offizielle Genehmigung verlassen dürfen, nach Berlin, wo sie eine Klinik aufsuchen wollen. Wohlmeinende Helfer hatten ihnen dazu geraten.  

Doch Feisal und Zainab kennen sich in Berlin nicht aus und haben dort auch keine Bekannten. Zainabs Schmerzen sind so stark, dass sie es kaum noch aushalten kann, sie gehen in ihrer Not zur Polizei - in der irrigen Annahme, dort Hilfe zu erhalten. Ergebnis: das Ehepaar wird erkennungsdienstlich behandelt und zu einem Sozialarbeiter geschickt. Der gesundheitliche Zustand von Zainab interessiert hier niemanden. Auch auf der Berliner Polizeiwache weisen die beiden darauf hin, dass ihr Name falsch aufgechrieben worden sei, wieder erhalten sie die Antwort, "das wird im Interview geregelt". Ohne eine weitere ärztliche Untersuchung zu veranlassen, schickt der Sozialarbeiter sie ins zentrale Aufnahmelager nach Friedland.

Gerade noch dem Tod entronnen

Inzwischen sind die Schmerzen so stark geworden, dass Zainab auf dem Bahnhof zusammenbricht und mit dem Krankenwagen ins Klinikum Westend gebracht wird. Dort die Diagnose: Eileiterschwangerschaft - Notoperation. Ein Liter Blutverlust. Zainab ist dem Tod gerade noch von der Schippe gesprungen. Acht Tage muss Zainab in der Klinik bleiben, Feisal schläft auf dem Fußboden vor ihrem Bett und geht mehrfach zur Asylstelle in Moabit. Dort legt er Gutachten vor, dass seine Frau von den Ärzten als nicht transportfähig eingestuft wird. Der Asylbehörde in Berlin ist das egal. Lapidarer Kommentar: „Das ist nicht unser Problem, sondern das von Friedland.“ Außerdem sei noch die Kostenübernahme für den Krankenhausaufenthalt zu klären.

Zainab und Feisal sind nun endgültig völlig verunsichert und trauen sich nicht einmal mehr, nach Hofheim zurückzukehren. Nach Friedland wollen sie aber auch wegen der ungeklärten Kostenfrage auch nicht. Dennoch folgen sie der Anweisung und fahren in das zentrale Aufnahmelager nach Friedland warten dort drei Wochen lang fatalistisch auf weitere „Order.“ Die Trauer um das nicht geborene Kind belastet sie natürlich zusätzlich.

Und immer noch reisen sie mit falscher Identität

Unter immer noch falschem Namen werden sie dann nach Lüchow-Dannenberg geschickt. Als sie hier einen Mietvertrag mit ihren falschen Namen unterschreiben sollen, ist ihre Geduld endgültig am Ende und sie reisen unabgesprochen und ohne offizielle Genehmigung wieder nach Hofheim in das Campinglager zurück. Die Spur von Zainab und Feisal hat sich verloren, seitdem sie Lüchow-Dannenberg verlassen haben. Wenn sie Glück haben und nicht weiter auf ihren echten Namen bestehen, wird ihr Asylverfahren vermutlich glücklich ausgehen.

Von ähnlichen Fällen ist allerdings bekannt, dass die Betroffenen wegen Angabe falscher Namen und nicht genehmigter Entfernung aus den zugewiesenen Landkreisen ihre Asylberechtigung verloren und u. a. wegen „Verstoßes gegen Aufenthaltsauflagen“ abgeschoben wurden. Denn  Feisal und Zainab werden all die Fehlversuche, ihren echten Namen aufnehmen zu lassen, nicht beweisen können.

Es bleibt zu hoffen, dass Faisal und Zainab Rahmanzai all die Missverständnisse aufklären können und dann - unter ihren echten Namen - endlich Ruhe an einem sicheren Ort finden.

(Die Geschichte wurde von der Lüchow-Dannenberger Vermieterin aufgeschrieben, die das Ehepaar bei sich aufgenommen hatte. Auch hier soll Ort und Name nicht genannt werden, da das Ehepaar über diese Daten erkennbar werden würde).

Foto / Angelika Blank: Wie Integration funktionieren kann, zeigen die regionalen Flüchtlingsinitiativen bereits seit über einem Jahr. Hier zum Beispiel bei einem interkulturellen Sommerfest in Vietze. (Das Foto zeigt nicht das pakistanische Ehepaar, um das es im Artikel geht)

 








2015-09-15 ; von asb (autor), pm (autor),
in Lüchow-Dannenberg, Deutschland

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