Kratzige Socken und Schurwollpullover
im Naturalistenlook. Nur die derbere Art von Kleidung wurde bisher mit nordischer Wolle in Verbindung gebracht. Ute Luft
aus Weitsche zeigt, dass es anders geht. Sie produziert seit kurzem
schicke Sachen an der 3-D-Strickmaschine.
Kleidung aus Schafwolle. Das klingt nach Ökopuritanismus und Leidensfähigkeit. Kratzen, Schwere und eine gewisse Farblosigkeit zeichnen diese Naturprodukte aus. Schafwolle aus nordischen Ländern, also auch aus Deutschland, wurde bisher nicht zugetraut, dass aus ihr auch feinere Produkte mit modischem Flair hergestellt werden können. Weshalb kaum ein Unternehmen an Wolle aus nordischen Ländern interessiert ist.
Mit ein Grund, dass Rohwolle nur zu geringen Preisen verkauft werden kann. So gering (max. 80 Cent pro Kilogramm), dass es für den einzelnen Schäfer
ein immenser, wirtschaftlich nicht tragbarer,
Aufwand wäre, einen Herstellungsprozess wieder aufzubauen - zumal eine einzelne Schäferei nicht soviel Wolle liefern kann, die eine Spinnerei als Mindestmenge akzeptiert.
"elbwolle" - Pionier in Sachen Wollverwertung
Ute Luft aus Weitsche gehört - wie Stefan Reinsch auf dem Höhbeck - zu den PionierInnen, die nicht akzeptieren wollen, dass tonnenweise wertvolle Wolle im Abfall landet. Während Reinsch
auf dem Höhbeck Vliese und eher gröbere Garne produziert, die dann zu Naturbetten werden, konzentriert sich
Ute Luft darauf, aus feinerer Wolle schicke Kleidung
herzustellen.
Ute Luft hält selber Schafe. Sie
ärgert es schon lange, dass ihre Wolle kaum einen Cent wert ist.
Gemeinsam mit anderen Schäfern hatte sie schon vor Jahren
Initiativen gestartet, Wolle gemeinsam zu verwerten und neue Produkte
zu entwickeln. Mit ihrer Firma "elbwolle" stellte sie bis jetzt Wohnaccessoires oder Teppiche her - Produkte, für die lediglich Vliesstränge oder gröbere Garne gebraucht werden.
„Ich bin aber schon
lange überzeugt davon, dass auch aus deutscher Wolle schicke und
nicht kratzende Kleidung hergestellt werden kann,“ so Ute Luft. Für
die Umsetzung dieser Idee erhielt sie eine Finanzierung aus
Mitteln der europäischen Union. Das half dabei, das Projekt
aufzubauen - auch wenn sie und ihr Mann immer noch große Summen
aus eigenen Mitteln hineinstecken müssen.
Ohne Netzwerk geht es nicht
Doch wie die Wolle, die alljährlich tonnenweise allein von Schäfern aus
Amt Neuhaus produziert wird, gebündelt an Spinnereien weitergeben?
Denn: „Unter
1000 kg wird in den Spinnereien keine Wolle angenommen,“ musste Ute Luft
erfahren. Aber sie ließ sich nicht verdrießen und baute ein
Netzwerk aus Schäfern auf, deren Wolle nun koordiniert an die
Spinnereien gegeben wird. „Bis jetzt ist es gelungen, dass sich Schäfereien
aus dem Amt Neuhaus am Netzwerk beteiligen.“
So konnten vergangenes Jahr rund 12 Tonnen Wolle an eine
Streichgarn-Spinnerei in Forst bei Görlitz und eine
Kammgarn-Spinnerei in Zwickau geschickt werden - zwei von gerade einmal vier noch arbeitenden Spinnereien in Deutschland.
Dort wird die Wolle gekämmt, zu gröberen (Streichgarn) und feineren (Kammgarn) Garnen verarbeitet und gefärbt. Von da aus kommen sie zurück nach Weitsche, zu Ute Luft und ihrer 3-D-Strickmaschine.
Doch zuallererst muss die Wolle gewaschen werden. Hier musste sich auch Ute Luft mit dem Problem auseinandersetzen, dass es in Deutschland keine Wollwäscherei mehr gibt.
„Mehrere Projekte beschäftigen sich zwar mit dem Aufbau einer
Wäscherei, aber es ist noch nicht soweit“ so Ute Luft. „Eins davon könnte jedoch etwas werden.“
Aber bis es soweit ist, muss auch sie ein ausländisches Unternehmen mit der
Wollwäsche beauftragen. Sie entschied sich für Polen, weil ihr das näher erschien.
Pullover +Co. in uni und gemustert
Eine Strickkollektion aus handgestrickter Kleidung auf den Markt zu bringen, macht wirtschaftlich keinen Sinn. Um sich auf einem Markt behaupten zu können, der mehr als den Landkreis Lüchow-Dannenberg umfasst, braucht es eine gewisse Automatisierung. Also gehört eine professionelle 3D-Strickmaschine zur elementaren Grundausstattung.
Wer
nun glaubt, es sei eine einfache Angelegenheit, mit der Maschine ausgeklügelt gestaltete Kleidung mit komplizierten Mustern zu stricken, irrt gewaltig. Die Maschine ist zwar in der Lage, Kleider und Pullover ohne Seitennähte und mit feinsten Mustern zu stricken, aber ihr das beizubringen, ist eine Tätigkeit, die viel Know How und letztendlich auch Erfahrung braucht.
Die Strickwaren mit dem komplexen Computerprogramm zu gestalten und diese mit der Maschineneinrichtung so zu koppeln, dass fehlerfrei gestrickte Ware dabei herauskommt, ist eine Herausforderung. „Nicht umsonst ist Maschinenstricker/in ein Ausbildungsberuf,“ erzählt Ute Luft.
Unter anderem müssen - wie bei einem Webstuhl oder einer Nähmaschine - die Spannungen der verschiedenen Garne äußerst präzise aufeinander abgestimmt sein, damit sie ein gleichmäßiges Strick- und Musterbild ergeben. „Da muss ich manchmal ganz schön fummeln, bis das richtig eingestellt ist,“ erzählt Ute Luft und zeigt ein Musterstück, welches eigentlich ganz fehlerfrei aussieht. Aber es hat eben einige Fehlmaschen. Für den Verkauf ist so ein Teil nicht geeignet.
Im
Moment tastet sich die Pionierin von „elbwolle “ noch an die
Produktion von Pullovern oder Kleidern heran. Doch die ersten
Pullover und Musterstücke, die in ihrer Werkstatt zu sehen sind,
geben schon einen Eindruck von dem was zu erwarten ist: schicke
Stricksachen, die zwar nicht so weich sind wie jene aus Angorawolle,
aber angenehm zu tragen und modisch gestaltet.
Fotos | Angelika Blank: Mit der 3D-Strickmaschine kann Ute Luft auch Strickwaren mit feinsten Mustern produzieren.