Oliver Baumgarten ist Programmleiter des renommierten Filmfestivals Max Ophüls Preis in Saarbrücken – was treibt ihn an, sich an der Jury der "kleinen" wendland-shorts zu beteiligen? Angelika Blank sprach mit dem gebürtigen Lüchower.
Oliver Baumgarten, Sie sind Programmleiter eines der renommiertesten Filmfestivals in Deutschland. Was treibt Sie an, sich in der Jury der „wendland-shorts“ zu beteiligen?
Oliver Baumgarten: „Juryarbeit mache ich immer sehr gerne. Das ist eine gute Möglichkeit, Filme zu schauen, die man noch nicht gesehen hat. Außerdem kommuniziere ich gerne über Filme. Und auf kleineren Festivals gibt es immer tolle Gelegenheiten, mit Filmemachern und Kollegen ins Gespräch zu kommen.“
Sie nehmen das ersten Mal an der Jury teil. Wie kam es denn dazu?
Oliver Baumgarten: „Dirk Roggan und Jonas Weydemann sprachen mich an, ob ich mitmachen möchte. Außerdem ist es für mich ein kleines Homecoming, da ich nicht nur in Lüchow geboren und in Hitzacker aufgewachsen bin, sondern in Salderatzen auch geheiratet habe. Die Juryarbeit bei den wendland-shorts ist also eine tolle Gelegenheit, Leidenschaft und Beruf mit Nachhausekommen zu verbinden."
Denken Sie manchmal darüber nach, ins Wendland zurückzukommen ?
Oliver Baumgarten: „Ja, durchaus. Ich sondiere da immer wieder mal die Möglichkeiten. Aber das, was mich am meisten hindert, ist die nicht vorhandene Breitbandverbindung. Ist die gegeben, dann ist alles denkbar. All die Jahre, die ich jetzt schon anderswo arbeite, trage ich das Wendland immer in mir."
Beim Max Ophüls Preis sind Sie Programmleiter im Langfilmbereich – bei den wendland-shorts werden Kurzfilme prämiert. Zeigt sich da eine verborgene Leidenschaft?
Oliver Baumgarten: „Das ist sogar eine offene Leidenschaft. In meiner Karriere habe ich mich immer wieder mit Kurzfilmen auseinander gesetzt, unter anderem ein Buch über Kurzfilme herausgegeben. Kurzfilme sind ein unglaublich spannendes Genre des Films. Gerade, aber nicht nur im Nachwuchsbereich sind sie wahnsinnig wichtig, weshalb es beim Max Ophüls Preis natürlich auch einen Kurzfilmwettbewerb gibt."
Also sind Kurzfilme mehr als „Studentenfilme“?
Oliver Baumgarten: „Auf jeden Fall. Sie haben als Genre eine eigene Berechtigung. Einen Kurzfilm zu gestalten ist mehr als nur sein Handwerk zu erproben, er ist eine eigenständige Kunstform. Es war gerade wieder bei den Oberhausener Kurzfilmtagen zu sehen: Es gibt längst unglaublich viele Künstler weltweit, die sich ausschließlich in dieser Kunstform ausdrücken."
Haben Sie einen Lieblings-Kurzfilm?
Oliver Baumgarten: „Das ist schwer. Es gibt so viele. Aber ja, in den 90er Jahren erschien „A year along the abandoned road“ ( Året gjennom Børfjord), ein norwegischer Film. Der hat mich damals unglaublich beeindruckt. Ein sehr wichtiger Film, der mit neuen visuellen Mittel arbeitet und bewies, dass der Kurzfilm als eigene Gattung Bestand hat.“
Freuen Sie sich auf die wendland-shorts?
Oliver Baumgarten: „Ja, und ich bin froh, dass es Festivals gibt, die so fest regional verwurzelt sind.
Wie gesagt, hier können sich Filmemacher; Medienschaffende und Besucher
noch hautnah begegnen und ins Gespräch kommen. Grundsätzlich sind
Festivals für die Entwicklung des Films enorm wichtig, denn das Kino
kann die Masse der Filme gar nicht mehr abbilden – viele der
Festivalfilme schaffen den Weg ins Kino nicht.“
Oliver Baumgarten ist seit 2014 Programmleiter des renommierten Filmfestivals Max Ophüls Preis in Saarbrücken.
Geboren
1971 in Lüchow, studierte er Film- und Fernsehwissenschaften,
Theaterwissenschaft und Germanistik an der Ruhr-Universität Bochum. Bis
2010 Chefredakteur des Filmmagazins "Schnitt", Mitbegründer von
"Filmplus", dem Kölner Festival für Filmschnitt und Montagekunst mit
Verleihung des Schnitt Preises, das er seit 2001 veranstaltet. Als
Co-Geschäftsführer der Filmplus gemeinnützige UG hat er zudem SOFA –
School of Film Agents mit entwickelt, ein Trainings- und
Workshop-Programm für Filmvermittler aus Mittel- und Osteuropa,
Deutschland und dem Kaukasus. SOFA wird seit 2013 jährlich in
Wroclaw/Polen veranstaltet.
Als Kurator konzipiert er Filmreihen wie das vom Goethe-Institut London initiierte Projekt »The Celluloid Curtain«, ein historisches Filmprogramm zu 50 Jahre Mauerbau, das 2011/12 in London, Berlin, Budapest, Vilnius, Zagreb und Helsinki zu sehen war. Als Dozent und Publizist schreibt und lehrt er zudem von Köln aus bundesweit zu aktuellen und historischen Themen aus dem Bereich Film und Medien.
Das Titelzitat "Film ist der Spiegel der bestehenden Gesellschaft" (welches Oliver Baumgarten als Motto auf seiner Website nutzt) stammt von dem Soziologen und Filmtheoretiker Siegfried Kracauer