Montag mittag in der Kreisstadt. Die Stadt ist bunt geworden. Vor einem Telefongeschäft drängelt sich eine dicke Traube - ein ungewohntes Bild für Lüchow. Doch die kostenlosen Telefonkarten, die dort verteilt wurden, sind für Flüchtlinge ein fast ebenso notwendiges Gut wie Essen und Trinken.
Vor dem Geschäft "Wendland Telefon" bildet sich eine Menschentraube. Junge Frauen mit Kopftüchern sind zu sehen, daneben Männer aus Pakistan. Afghanen drängeln sich neben Senegalesen, junge syrische Flüchtlinge stehen an ein Auto gelehnt. Sie alle warten, dass Michael Rosen seinen Laden wieder aufmacht. Vor lauter Andrang musste der Lüchower Geschäftsmann am Montag Mittag außerplanmäßig kurz schließen, um für Nachschub zu sorgen. Grund für den Ansturm ist Rosens private "Flüchtlingshilfe", wie er es nennt: Er verschenkt Prepaid-Telefonkarten an die 500 Asylbewerber, die Sonntag nach Lüchow gekommen sind.
"Einzige Einschränkung: Die Flüchtlinge müssen über 16 Jahre alt sein, um eine Karte zu bekommen, das ist gesetzlich vorgeschrieben", merkt Rosen an. Ansonsten gilt: Alle Flüchtlinge, die wollen, bekommen pro Kopf eine Karte von Rosen geschenkt, "auch mit Datenflatrate, bis 500 MB, damit sie mit ihren Familien kommunizieren können".
Auf einer Telekom-Werbung, die an der Ladentür prangt, heißt es: "Zuhause und mobil werden eins" - der leicht sarkastische Unterton ist natürlich unbeabsichtigt. Daneben hat Rosen einen Zettel befestigt, auf dem es heißt: "Everybody with a number from 1 to 50: please wait!! You will get your Prepaid SIM Card today!!!" Die anderen Zahlen müssen sich bis morgen gedulden. "Mir sind schlicht die Karten ausgegangen", berichtet Rosen. Mit so einem Andrang hatte er nicht gerechnet, als er zuvor Zettelchen mit Nummern verteilte.
Der Andrang auf die kostenlosen Telefonkarten ist kein dekadenter Luxus, wie Böswillige vielleicht meinen könnten: für die Flüchtlinge, die teilweise seit Monaten, manche seit beinahe einem Jahr unterwegs sind, ist es existentiell, ein funktionierendes Handy zu haben. Nur so können sie mit ihren zurückgebliebenen Familienmitgliedern kommunizieren, ihnen mitteilen, wo sie nun gelandet sind, dass es ihnen gut geht. Und sie können natürlich erfahren, wie es den Lieben zu Hause geht.
Foto / Björn Vogt: Großer Andrang vor dem Telefonladen in Lüchow. Dort gab es am Montag kostenlose Telefonkarten für Flüchtlinge.