Am Freitag informierte sich der Lüchower Stadtrat in einer gemeinsamen Fraktionssitzung über die aktuelle Situation in der Notunterkunft in Lüchow. Ergebnis: die Notunterkunft wird gut organisiert - es gibt aber noch viel zu tun.
Um die Interessen der Flüchtlinge und der Lüchower gleichermaßen zu gewähren, sei es gut, dass unterschiedlichste Gruppen bereits in Kontakt getreten sind, um einen bestmöglichen Informationsfluss zu gewährleisten, hieß es aus dem Stadtrat. Kriminalhauptkommissar Ulrich Constabel, Hans Joachim Halbach, Vorstand im Regionalverband Harz-Heide derJohanniter und Harald Gottschalk, Einsatzleiter der Johanniter vor Ort, hatten die Fraktionen über den aktuellen Stand informiert.
Demnach sind unter den rund 520 Neuankömmlingen (überwiegend Syrer, Afgahnen, Libanesen, Iraner und Iraker) etwa 200 Kinder im Alter von 6 Monaten bis ins Teenageralter. Alle seien froh, nach Wochen, Monaten teilweise Jahren der Flucht nun in Sicherheit zu sein. Glücklicherweise seien einige zwar sehr erschöpft aber niemand ernsthaft krank. Aktuell stehen ca. 160 ehrenamtliche Helfer zur Verfügung.
Unter ihnen auch Ärzte, Sozialarbeiter und Pädagogen. Acht zusätzliche Mitarbeiter haben die Johanniter bereits eingestellt. Weiteres Personal wird noch gesucht. Die Hilfe sei sehr gut angelaufen, jetzt wolle man möglichst schnell in den Regelbetrieb kommen, so das Ziel der Johanniter Unfallhilfe, die die Notunterkunft betreibt. Alle Bewohner haben bereits einen Hausausweis mit Lichtbild, Namensangabe und Identifikationsnummer, mit dem sie sich auf dem Gelände und in Lüchow frei bewegen können.
Nicht alle werden bleiben können
Flüchtlinge, die zuvor bereits in einer anderen Einrichtungen aufgenommen wurden und jetzt lieber nach Lüchow möchten, müssten allerdings abgewiesen werden, informierten die Verantwortlichen der Notunterkunft. Genauso ergehe es denen, die bisher nirgendwo registriert worden sind, weil sie sich auf eigene Faust durchgeschlagen haben. Sie werden lediglich erkennungsdienstlich erfasst und dann an die zuständige Behörde weitergeleitet. Momentan sind dies nur einzelne Personen.
Nach Ansicht des Stadtrats wäre es für die aufnehmenden Kommunen wünschenswert, wenn sich möglichst viele der jungen Familien entschließen würden, nach Abschluss ihres Asylverfahrens in der Region zu bleiben. Das böte die Chance, gut ausgebildete junge Menschen ansiedeln zu können.
Es gibt noch viel zu tun
Aktuell geht es allerdings darum, viele logistische Kleinigkeiten zu organisieren, um d ie Versorgung der Flüchtlinge mit dem Lebensnotwendigen zu sichern. "Diese Arbeiten stellen in Summe eine Aufgabe dar, die nur in der Gemeinschaft zu leisten ist," heißt es aus dem Stadtrat. "Menschen sind an Lebensmittel zu gewöhnen, die ihnen unbekannt sind. Auf manche Lebensmittel muss aus religiösen Gründen ganz verzichtet werden. Bekleidung ist gesammelt worden und muss nun weiter gegeben werden."
Außerdem wird in der Notunterkunft an einem Beschäftigungsprogramm gearbeitet sowie an einem sportlichen und kulturellen Angebot. Auch dem Stadtrat ist klar, dass dies alles nicht einfach ist. Immerhin müssen 16 verschiedene Sprachen berücksichtigt werden. Noch ist offen, ob und wie eine Aufnahme der Kinder und Jugendlichen in die Schulen erfolgen kann. Vorgaben oder Richtlinien der Landesschulbehörde gibt es bisher nicht. Zunächst wird daher eine Betreuung der Kinder auf dem Gelände angestrebt. Sozialpädagogen und Erzieher könnten diese für ca. sechs Stunden am Tag anbieten. Auch in den Jugendzentren und Mehrgenerationenhäusern könnte es Angebote geben, um beispielsweise Sprachbarrieren abzubauen. Derzeit wird auf englisch, französisch und mit Hilfe von Dolmetschern kommuniziert.
"Lüchow ist froh, in der beklemmenden Situation der Flüchtlinge einen Beitrag zur Entspannung leisten zu können“, so Hubert Schwedland, Stadtdirektor und Samtgemeindebürgermeister Lüchow (Wendland). „Gleichwohl stellen uns die aktuellen Zahlen an Flüchtlingen vor große Herausforderungen“. Schwedland ist zuversichtlich, diese Herausforderungen gemeinsam mit den umliegenden Kommunen, der Polizei, der Kirche, Hilfsorganisationen und ehrenamtlich engagierten Bürgern meistern zu können. Es gäbe in der Bevölkerung großes Verständnis und Mitgefühl für die Situation der Flüchtlinge. Vom Bekanntwerden der Unterbringung an sei die breite Bereitschaft zu helfen spürbar gewesen, so Schwedland. "Leider gibt es aber vereinzelt auch Gerüchte, die klargestellt werden müssen," betont der Samtgemeindebürgermeister. "Die Flüchtlinge bekommen momentan lediglich Sachleistungen in Form von Unterkunft und Verpflegung. Außerdem wird niemand seine Wohnung verlieren, weil dort Flüchtlinge untergebracht werden sollen."
Grüne besuchten Notunterkunft
Unterdessen besuchten die Grüne Landtagsabgeordnete Miriam Staudte und der
Fraktionsvorsitzende der Grünen im Samtgemeinderat Lüchow Michael
Schemionek die Notunterkunft für
Flüchtlinge in Lüchow besichtigt. "Es ist erstaunlich, wie schnell hier eine funktionierende Notunterkunft
eingerichtet werden konnte. Unser Dank gilt allen professionellen und
ehrenamtlichen Helfern, die hier Tag und Nacht durchgearbeitet haben",
so die beiden Grünen. Zwar sind alle Abläufe zur Versorgung der 520
Flüchtlinge soweit eingespielt, aktuell wird jedoch ein neues,
wetterfestes Versorgungszelt zum Essen aufgebaut. "In Anbetracht des
herbstlichen Wetters ist das dringend nötig," so Schemionek. Staudte
zeigte sich erleichtert, dass alle Flüchtlinge in festen Unterkünften
mit richtigen Betten schlafen können. "Die Situation hier ist nicht mit
den Bildern aus anderen Notunterkünften und
Erstaufnahmeeinrichtungen zu vergleichen", so die Abgeordnete. Es sei
überwältigend, dass so viele Sach- und Kleiderspenden bereitgestellt
wurden.
Textilbedarf bestehe laut den Verantwortlichen jedoch noch bei
Strümpfen und neuer Unterwäsche. Auch würden die muslimischen Frauen bei
den Textilspenden auf der Suche nach traditionellen Kleidern nicht
fündig werden. Beim Rundgang mit den Johannitern entstand in der Gruppe
die Idee, eine Nähstube für die Frauen einzurichten. "Die Flüchtlinge
wollen möglichst viele Tätigkeiten auch das Putzen selbst machen, es
besteht das Bedürfnis nach Beschäftigung," konnten die Besucher
feststellen.
Ein Wunsch der älteren Flüchtlinge, die nicht zur
Handy-Generation gehören, sei ein Fernseher, um die Nachrichten in den
Heimatländern zu verfolgen. "Dieses Bedürfnis ist verständlich: die
Jungen brauchen zur Information WLAN und die Älteren eine
Fernsehmöglichkeit- das ist bei den Flüchtlingen nicht anders als bei
uns", so Staudte. "Wir müssen sehen wie lange die Flüchtlinge hier in
der Notunterkunft bleiben werden, denn dann
stellt sich bald die Frage nach einem schulischen Angebot," so
Schemionek.
Er und seine Kollegin Staudte betonen jedoch, dass die Flüchtlinge aus den Notunterkünften und Erstaufnahmen schnellstmöglich in die Kommunen verteilt werden müssen. "Nur vor Ort kann wirkliche Integration geleistet werden," so Staudte. Bei der Zuteilung für die Lüchow-Dannenberger Kommunen sollten künftig Flüchtlinge aus der Lüchower Unterkunft zuerst ausgewählt werden, wurde die Landtagsabgeordnete gebeten.
Foto / Björn Vogt: Handys sind für Flüchtlinge kein Luxusgut, sondern (über)lebensnotwendiges Kommunikationsmittel. Nur so können sie den Kontakt zu ihren Familien halten, die oft im Kriegsgebiet zurückgeblieben sind.