Zum 1. Juli schließt wieder eine Arztpraxis - diesmal in Gartow. Seitdem fragen sich vor allem die älteren Mitbürger in Gartow und Umgebung, ob sie demnächst nach Lüchow oder Dannenberg fahren müssen, wenn sie ärztliche Hilfe brauchen. Ein Problem, dass viele ländliche Regionen beunruhigt: es wird immer schwieriger, Ärzte für die Provinz zu finden.
Immerhin bestätigten sich Befürchtungen Gartower Bürger nicht, dass der Allgemeine Chrirug seine Kassenzulassung behalten, aber ab dem Sommer nur noch Privatpatienten behandeln würde. "Ich gebe meine Kassenzulassung zum 1. Juli zurück", erklärte Dr. Jürgen Severin gegenüber wnet. Hätte er seine Zulassung behalten, wäre es schwierig geworden, von der Kassenärztlichen Vereinigung eine Genehmigung für eine neue Hausarztpraxis zu bekommen. Nach dem plötzlichen Tod eines zweiten Arztes im Seeort hatte eine Schweskauer Praxis sich bereit erklärt, eine "Filiale" ihrer Hauptpraxis in Gartow zu betreiben.
Doch ein Arzt, und dieser auch noch als Teilpraxis, reicht für die ärztliche Versorgung der rund 3000 Menschen im Gartower Raum bei weitem nicht aus. Doch es wird auch bei Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung schwierig werden, einen - jüngeren - Arzt zu finden, der sich auf dem Land niederlassen möchte.
Landauf, landab beschäftigt ländliche Gemeinden mittlerweile dieses drängende Problem. Die Hausärzte sind auch in Niedersachsen oft überaltert. Viele werden deswegen in den kommenden zehn Jahren die Praxis aufgeben und womöglich keine Nachfolger finden. Auch in Lüchow-Dannenberg wird geschätzt, dass rund ein Drittel der Hausärzte in den nächsten zehn Jahren ihre Praxis aus Altersgründen schließen werden.
Nordrhein-Westfalen hat bereits im vergangenen Jahr ein mit 1,5 Mio Euro ausgestattetes Aktionsprogramm beschlossen. Unter anderem wurden die Zugangsvoraussetzungen für das Medizinstudium herabgesetzt sowie ein Förderprogramm für Ärzte, die sich auf dem Lande niederlassen wollen, beschlossen. Des weiteren können in NRW bestimmte Gemeinden, die als besonders unterversorgt gelten, einen Zuschuss von bis zu 50 000 Euro in Anspruch nehmen, um Anreize für Ärzte zu schaffen, sich in ihrer Gemeinde anzusiedeln.
In Niedersachsen noch kein Ärztemangel - aber eine "nicht optimale" Versorgungssituation
Wie das niedersächsische Gesundheitsministerium auf Anfrage von wnet mitteilt, sieht man dort für das Land zur Zeit insgesamt keinen Ärztemangel. Allerdings wird die Versorgungssituation in einigen Regionen "nicht mehr als optimal" empfunden. "Damit auch in Zukunft – insbesondere vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung - eine qualitativ hochwertige, fortschrittliche und möglichst wohnortnahe medizinische Versorgung möglich bleibt, hat das niedersächsische Gesundheitsministerium einen runden Tisch zur Stärkung der hausärztlichen Versorgung ins Leben gerufen", heißt es in einer aktuellen Mitteilung des Ministeriums.
An dem Runden Tisch nehmen Vertreterinnen und Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN), der Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN), der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG), der Landesverbände der Krankenkassen, der Hausarztverbände (HÄV), der kommunalen Spitzenverbände und des Wissenschaftsministeriums teil. Auf Einladung der Landesregierung hat der Runde Tisch bereits dreimal – zuletzt am 21.12.2009 – getagt.
Nach Mitteilung des Ministeriums liegen folgende erste Ergebnisse bereits vor:
- Eine finanzielle Unterstützung von Medizinstudenten, die sich während des Praktischen Jahres für das Wahlfach „Allgemeinmedizin“ entscheiden, wird vorbereitet. Start in 2010 geplant.
- Einrichtung einer sog. Koordinierungsstelle bei der KVN. Diese kümmert sich unterhalb des Runden Tisches um die Stärkung der hausärztliche Versorgung, und den verstärkten Ausbau der sog. Verbundweiterbildung, bei der ambulante und stationäre Weiterbildungsabschnitte besser miteinander verzahnt werden. Zusätzlich gehen die Mitarbeiter an die Universitäten zur „Nachwuchswerbung“, entwickeln Werbemaßnahmen usw.
- Entwicklung eines eigenen Delegationsmodell in Niedersachsen. Start in zwei Regionen spätestens im Herbst 2010. Hausärzte sollen von arztfremden Tätigkeiten durch qualifiziertes Praxispersonals entlastet werden. „MoNi“ – Modell für Niedersachsen. Dabei übernimmt nichtärztliches Praxispersonal bestimmte medizinische Leistungen und führt auch Hausbesuche durch. Gerade in ländlichen Räumen kann dies eine spürbare Entlastung für den Hausarzt bringen, so das Ministerium. Die besonders qualifizierte Fachkraft unterliegt ständiger ärztlicher Aufsicht und Supervision. Der Hausarzt bleibt für den Patienten zentraler Ansprechpartner, kann sich aber stärker um Aufgaben kümmern, die ausschließlich ein Arzt erledigen kann. Die Krankenkassen unterstützen die Bemühungen der KVN grundsätzlich.
- Ausbau der strategische Partnerschaft der KVN mit den kommunalen Spitzenverbänden. Die KVN bzw. deren Bezirksstellen stehen den Kommungen in Nds. zur Verfügung, um gemeinsam die Bedarfslagen zu klären und zu beseitigen.
Wichtig für niederlassungswillige Ärzte dürfte auch sein, dass die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen bei (drohender) Unterversorgung eine Umsatzgarantie auf Basis des Fachgruppendurchschnitts anbietet.
Doch ob diese Angebote ausreichen, junge Ärzte in die tiefe Provinz zu locken? Auch in der Samtgemeinde Gartow weiß man, dass es nicht einfach werden wird, einen Nachfolger zu finden. "Wir werden uns natürlich um einen geeigneten Arzt kümmern", so Gartows Bürgermeister Wilhelm Schröder. Nur wie viel Erfolg die Gemeinde mit ihrer Suche haben wird, bleibt ungewiss.
Immerhin hatte Brandenburgs Gesundheitsminister Günther Baaske (SPD) in seiner Not schon vor längerer Zeit dafür plädiert, dass arbeitslose Berliner Ärzte eine Festanstellung in Brandenburg annehmen müssen (die Zumutbarkeitsregeln berücksichtigt) - weil sich kaum Ärzte bereit fanden, leerstehende Praxen zu übernehmen.