Mehr als 100 Menschen interessierten sich am Freitag Abend über Möglichkeiten, Gemeinschaftliches wohnen auf großen Höfen anders zu organisieren. Vorgestellt wurden verschiedene Modelle, wie die Nutzung anders organisiert werden kann.
Die Kinder sind aus dem Haus, der ehemals als Familienheim genutzte große Hof steht weitestgehend leer. Außerdem wird die Arbeit mit zunehmendem Alter immer beschwerlicher. Und nicht zuletzt suchen immer mehr Menschen nach Wohnformen, die ihnen auch im Alter ein angenehmes Leben jenseits der Verwahrung in Altersheimen ermöglichen.
Andere wollen große Höfe nicht leerstehen lassen und suchen nach Möglichkeiten, für die ausgedehnten Wohnflächen neue Nutzungsmöglichkeiten zu finden. Was auch den Denkmalschutz im Landkreis interessiert, dem der Leerstand in den oft historischen Fachwerkhäusern zunehmend Sorgen bereitet.
Gemeinschaftliches Wohnen oder - wie es neuerdings heißt - "verbindliche Nachbarschaften" ist die Parole der Zeit. Wie sehr dieses Thema nicht nur ältere Lüchow-Dannenberger umtreibt, zeigte sich erneut bei einer Netzwerkveranstaltung von Seniorenstützpunkt, Willkommensagentur, Grüner Werkstatt und der Klimaschutzleitstelle: Rund 120 Menschen drängten sich im Dannenberger Ostbahnhof, um sich über bereits existierende Modelle zu informieren - und miteinander ins Gespräch zu kommen.
Dabei waren es nicht nur Menschen im fortgeschrittenen Alter, die sich für alternative Wohnformen interessierten, sondern ungefähr ebenso viele jüngere Menschen.
Jenseits der großen Projekte wie Hitzacker Dorf oder dem Wohnprojekt Buchhorst-Gartenwurden auf der Veranstaltung Organisationsformen vorgestellt, die auch auf dem eigenen Hof umsetzbar sind: das Vermieter-Mieter-Modell, die Genossenschaft, die Eigentümer-Gemeinschaft und die Hofteilung.
Das Vermieter-Mieter-Modell
Jan Becker, im Landkreis bekannt als Anti-Atom-Aktivist (contrAtom), probiert in seinem eigenen Haus mit drei Wohneinheiten in Klein Witzeetze seit einigen Jahren aus, wie das Zusammenleben zwischen Mieter und Vermieter funktioniert. Seine eigene Familie bewohnt eine Wohnung, zwei weitere Wohnungen im Haus sind an zwei weitere Menschen "Mitte 50" sowie an eine junge Wohngemeinschaft vermietet.
Die Wohnungen sind zwar getrennt, die Türen stehen aber offen, der Garten wird gemeinschaftlich genutzt und regelmäßige Treffen bieten Gelegenheit, sich über anliegende Themen auszutauschen. Das Modell funktioniert nach Jan Beckers Meinung grundsätzlich gut, doch es gibt natürlich auch Konflikte.
"Das größte Thema ist immer wieder die Internetnutzung," so Jan Becker. Denn auch in Klein Witzeetze ist die monatlich zu nutzende Datenmenge begrenzt. "Da blieb uns nichts anderes übrig, als eine monatliche Nutzung von maximal 5 GB festzulegen."
Doch das sind bei diesem Modell nicht die einzigen Konflikte, wie Eigentümer Jan Becker freimütig berichtete. Gerade in der jungen Wohngemeinschaft sei die Fluktuation so groß, dass "ein Gemeinschaftsgefühl nicht wirklich entstehen kann".
Auch was die Verantwortung angehe, gäbe es ein starkes Gefälle zwischen Eigentümer und Mieter. "Ich komme mir oft vor wie ein Hausmeister," resümierte Jan Becker. Trotzdem hält er noch an dem Modell fest, weil sich die Hauskosten auf diese Weise niedrig halten lassen. Außerdem hat er die Idee des gemeinschaftlichen Wohnens noch nicht aufgegeben.
Die Wohn-Genossenschaft
Einen anderen Weg wollen Dieter Metk und Sigrid Heilbron in Tarmitz einschlagen. Auf ihrem Hof gibt es fünf ausgebaute Wohnungen sowie ein noch nicht ausgebautes Vierständerhaus mit insgesamt 5000 qm Wiese. Drei Wohnungen sind bisher vermietet.
Nun soll das gesamte Gelände in eine Wohn-Genossenschaft überführt werden, in der alle Bewohner Genossenschaftsmitglieder sind. Für Dieter Metk ist dabei das Wichtigste, dass die Hofanlage nicht monetarisiert werden kann. "Das ist mein persönliches Interesse, das Objekt langfristig dem Kapitalmarkt zu entziehen," so Metk.
Die Gründung einer Genossenschaft ist allerdings nicht schnell umsetzbar. Nach dem Genossenschaftsgesetz müssen Genossenschaften sich im Genossenschaftsregister eintragen lassen. Dies geht allerdings nur, wenn vorher ein Genossenschaftsverband bescheinigt hat, dass die Genossenschaft zum Beitritt zugelassen ist. Dabei geht es nicht zuletzt darum, dass die Einlagen der Genossen langfristig gesichert sind. Im allgemeinen dauert es rund zwei Jahre, bevor die Genossenschaft eingetragen werden kann.
Im Gegensatz zu anderen Kapitalgesellschaften gilt bei einer Genossenschaft das Pro-Kopf-Stimmrecht. Höhere Einlagen führen also nicht zu mehr Macht innerhalb der Gesellschaft. Alle Genossen werden zu gemeinsamen Eigentümern des Wohnobjektes und müssen sich über alle Fragen nach miteinander verabredeten Spielregeln abstimmen.
In Tarmitz hat sich bisher nur einer der Mieter für die Teilnahme an der geplanten Genossenschaft interessiert.
Die Eigentümer-Gesellschaft
Michael Seelig stellte ein Modell vor, welches in großen Wohnobjekten schon länger Anwendung findet: die Eigentümer-Gemeinschaft. In Lübeln versucht es Klaus-Dieter Küch mit dieser Organisationsform. Er hat auf eigene Kosten und eigenes Risiko die alte Mühle denkmalsgerecht um- und ausgebaut, so dass jetzt 4 Wohnungen zur Verfügung stehen, die Küch als Eigentumswohnungen verkaufen will. Die Wohnanlage ist real geteilt. Jeder neue Bewohner wird Eigentümer seiner Wohnung, einem kleinen Garten sowie einem Carport.
Zu regeln sind in einem derartigen Modelle alle grundlegenden Themen wie Heizungserneuerung, Kostenumlagen oder allgemeine Gebäudesanierung. Im Normalfall wird hier ein Gesellschaftsvertrag vereinbart, der alle wesentlichen Fragen regelt. Für Gestaltung und Erhaltung des eigenen Anteils ist jeder Eigentmer selbst veranwortlich. Doch auch hier, wie Michael Seelig berichtete, sei die "zwischenmenschliche Frage" nicht zu unterschätzen.
Hofteilung unter Freunden
Einen mutigen Weg schlugen Marion und Hinrich Kollenrott in Zeetze ein. Sie trugen sich schon länger mit dem Gedanken, ihren großen Hof mit ausgedehntem Grundstück zu verkaufen, weil ihnen mit zunehmendem Alter die Arbeit zu viel wurde. Wie es der Zufall will, trafen sie alte Freunde wieder, die ins Wendland ziehen wollten. Es dauerte nicht lange, bis sie die Idee entwickelten, den großen Hof gemeinsam zu bewohnen.
"Gemeinsam war uns, dass wir alle nicht ins Altersheim wollen," erzählte Christiane Beth. Trotz der Begeisterung für die Idee, nahmen sie sich beinahe ein Jahr Zeit, um die jeweiligen Bedürfnisse zu klären. "Wir arbeiten alle im sozialen Bereich. Deswegen wissen wir, dass die Fallstricke in den persönlichen Beziehungen liegen," so die nüchterne Erkenntnis. So beschlossen sie, das Projekt unter dem Motto "gute Nachbarschaft" zu planen - und überhöhte Ansprüche an die Anderen zu vermeiden.
Klare Verträge und die offizielle Trennung des Hofes in eindeutig abgegrenzte Teilbereiche schienen allen Beteiligten eine existenzielle Grundlage des Zusammenlebens zu sein. Jede Partei führt ihren eigenen Haushalt. Es gibt einen gemeinsamen Parkplatz sowie einen Gerätepool, der über eine Umlage finanziert wird. Außerdem gibt es regelmäßig ein Treffen, bei dem anliegende Themen abgestimmt werden.
Seit einigen Jahren leben insgesamt drei Paare zwischen 57 und 69 Jahren auf dem Hof. Wie Christiane Beth berichtete, funktioniert das Zusammenleben gut, wenn auch "irgendwann das Individuelle wieder herauskommt". Regelmäßig gelte es für jede/n Beteiligte/n, sich klar zu machen, was wichtiger sei, die Gemeinschaft oder die Durchsetzung eigener Interessen. Denn wenn die geliebten Frösche im Teich Tag und Nacht quaken oder der Hahn um vier Uhr morgens die Nachtruhe lautstark beendet, so findet das nicht Jede/r lustig.
Viel Andrang auf der Projektbörse
Im Bistrobereich des Ostbahnhofs hatten die Organisatoren eine Projektbörse aufgebaut, auf der sich Interessierte - ungefähr gleich verteilt - Wohnangebote ebenso anschauen konnten wie Wohngesuche. Hier stellte sich auch das Wohnprojekt Hitzacker Dorf vor oder das Bio-Hotel Kenners Landlust, dessen Inhaber ebenfalls beabsichtigen, ihr Hotel mit Wohnheinheiten zu ergänzen.
Die Wohnangebote und die Wohngesuche sollen demnächst auf einer Website veröffentlicht werden, kündigte Franziska Dittmer von der Klimaschutzleitstelle an. Die Vernetzung zwischen Wohninteressierten und Eigentümern will auch die Willkommensagentur organisieren, die sich auf die Fahne geschrieben hat, ein Serviceportal für alle zu sein, die sich für Leben und Arbeiten im Wendland interessieren.
Foto / Angelika Blank: Das enorme Interesse bei dem Vernetzungstreffen zum Thema "Gemeinschaftliches Wohnen" belegte erneut, wie drängend das Thema hierzulande ist.