Zum ersten Mal trafen sich Bürgermeister der Standorte von Atomanlagen (ASKETA) in Gartow. Dabei zeigte sich, dass alle eine Sorge eint: auf den Zwischenlagern mit Atommüll sitzen zu bleiben.
Von Lingen bis Lubmin, von Niederaichbach bis Brokdorf - insgesamt 25 Gemeinden müssen sich mit der Tatsache auseinandersetzen, dass sich auf ihrem Gemeindegebiet Atomanlagen befinden - teilweise noch im Betrieb, teilweise längst abgebaut. Und dass bei ihnen hochradioaktiver bis schwachaktiver Müll lagert.
Am Montag und Dienstag traf sich Vertreter von einem Großteil der betroffenen Gemeinden zu einer Arbeitstagung in Gartow. Denn sie alle sind in der ASKETA zusammengeschlossen, der "Arbeitsgemeinschaft der Standortgemeinden Kerntechnischer Anlagen" in Deutschland.
1994 gegründet vertritt die ASKETA derzeit 25 Kommunen mit
kerntechnischen Anlagen, darunter 15 Atomkraftstandorte mit 9
„aktiven“, 8 nach Fukushima abgeschalteten und 3 stillgelegten Atomkraftwerksblöcken, Standorte mit Zwischenlagern für radioaktive
Reststoffe und auch Standorte mit Forschungseinrichtungen.
In Gartow traf sich die Arbeitsgemeinschaft zum ersten Mal seit ihrem Bestehen. Hauptthema der Tagung: wie gelingt es, zu verhindern, dass die Zwischenlager zu Endlagern werden?
Selbst dort, wo die Atomkraftwerke längst vollständig abgebaut sind, ist den Gemeinden der Atommüll geblieben. Zum Beispiel in Niederaichbach, wo das Atomkraftwerk bereits 1974 abgeschaltet wurde. Noch heute lagern dort die Brennstäbe aus dem abgebauten AKW, weil es kein Endlager gibt.
Wird es rechtzeitig ein Endlager geben - oder müssen die Zwischenlager umgebaut werden?
Brunsbüttel hat derzeit gar keine Genehmigung, dort kann nur aufgrund einer bis zum Jahr 2020 befristeten Anordnung des Schlewig-Holsteinischen Umweltministerium Atommüll aufbewahrt werden. Die Genehmigung für Zwischenlagerung am Versuchsreakter Jülich ist bereits 2013 ausgelaufen. Andere Zwischenlager wie die an den AKWs Brokdorf, Isar oder Philippsburg laufen noch bis 2047. Die Genehmigungen für die anderen Standort-Zwischenlager laufen zwischen 2034 und 2046 aus. Hier! steht die Genehmigungsliste (Quelle: BfE) zum Download bereit.
Experten gehen inzwischen davon aus, dass es mindestens noch 50 Jahre
dauert, bis die ersten Behälter mit Atommüll in ein Endlager gebracht
werden können. Andere gehen gar von 150 Jahren aus. Es werden also voraussichtlich große Lücken zwischen dem Ende der Lagerungsgenehmigung und der Möglichkeit, an ein Endlager anzuliefern, entstehen.
Bei den Standortgemeinden herrscht dennoch das Prinzip Hoffnung. Noch beschäftigen sie sich nicht mit der Frage, ob und wie die Zwischenlager auf die verlängerten Lagerungszeiten eingerichtet werden müssen. "Wir hoffen, dass das Eingangslager rechtzeitig entsteht," war aus der Runde zu hören.
Dennoch treibt die Standortgemeinden die Sorge um, dass die
Zwischenlager an den AKW-Standorten "vergessen" und unversehens zu
Endlagern werden. Deswegen ist auch eine zentrale gemeinsame Forderung
der Standortgemeinden, dass ein Endlager geschaffen wird, bevor die
Genehmigung die Standortzwischenlager auslaufen. Und sie fordern eine entsprechende Entschädigung, "sollte dieses Eingangslager nicht vor Ablauf der Genehmigungen der Standortzwischenläger bereit stehen" (Zitat aus der Abschlusserklärung).
Sinneswandel bei den Grünen - aber auch bei der ASKETA
Anders als vor fünf Jahren, als die grünen und JWG-Abgeordneten im Rat die Mitgliedschaft in der ASKETA vehement abgelehnt hatten, hält Asta von Oppen, grüne Abgeordnete im Samtgemeinderat Gartow, es heute für wichtig, dass die Standortgemeinden sich austauschen und gemeinsame Forderungen aufstellen. "Was Transparenz und Beteiligung angeht sowie die Forderung nach mehr Forschung sind wir uns sehr einig. Auch einen Sitz im Nationalen Begleitgremium zu bekommen, ist eine sinnvolle Forderung," betont von Oppen.
Sie hält es allerdings für
Wunschdenken, dass ein Eingangslager bereits 2031 bereit steht. "Ich
halte es für unrealistisch, dass bis dahin bereits eine definitive
Entscheidung über einen Endlagerstandort getroffen und dann auch noch
ein Eingangslager gebaut worden ist," so von Oppen. In dieser Sache wünscht sie sich von den ASKETA-Mitgliedern, dass sie mehr Druck machen.
Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) ist allerdings der Meinung, (NBG) dass die Asketa-Gemeinden mit ihrer Forderung nach einem Sitz im Nationalen Begleitgremium auf dem „Holzweg“ sind. "Das NBG ist keine Versammlung von Stakeholdern, also Interessenvertreter*innen," so BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. „Wir vermissen klare Forderungen der Standortgemeinden zur Sicherheit und Sicherung der bestehenden Zwischenlager.“
Gemeinsame Forderungsliste
Zum Abschluss der Tagung veröffentlichten die ASKETA-Mitglieder eine Liste gemeinsamer Forderungen:
- Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren wenn Änderungsgenehmigungen aufgrund der Anlieferung aus Wiederaufbereitungsanlagen in Sellafield und La Hague anstehen.
- die ASKETA bekommt einen Sitz im Nationalen Begleitgremium
- Schaffung eines Endlagers bevor die Genehmigungen für die Standortzwischenlager ablaufen - ansonsten eine entsprechende Entschädigung
- Aufstellung eines verbindlichen Terminrahmenplans
- Quartalsmäßige Information über den Fortgang der Planungen zur Zwischen- und Endlagerung von den zuständen Bundesbehörden und -gesellschaften
Für die Samtgemeinde Gartow nahmen Samtgemeinde-Bürgermeister Christian Järnecke, CDU-Ratsvorsitzender Matthias Hennings, CDU-Ratsmitglied Klaus Hofstetter sowie Asta von Oppen (Grüne) teil.
Foto | Angelika Blank: Einig waren sich die Vertreter von Standortgemeinden atomtechnischer Anlagen nach ihrer Tagung in Gartow vor allem in einer Angelegenheit: sie wollen die Zwischenlager mit radioaktivem Abfall so schnell wie möglich los werden. Und sie fühlen sich schlecht informiert.