Thema: weihnachten

Geschäftsidee: Weihnachtsmann-Eis am Stiel im Juni

Viele können sich noch erinnern an die trüben Sonntag im November, wenn es hieß "Volkstrauertag" oder "Totensonntag". Langeweile beherrschte die Tage, nichts war erlaubt. Doch heute bewahren fürsorgliche Geschäftsleute und Organisationen vor allzu viel Traurigkeit, Gedenken, Besinnung in puncto Vergänglichkeit. Nein, heute geht's am Totensonntag zu irgendeiner Adventssausstellung! Adventskränze, Gestecke mit roten Kerzen und strahlenden Engelchen nebst Glöcklein ...

„Früher war alles besser“. Ach, wenn ich diesen Spruch schön höre, gerade jetzt im November. Was war den besser, etwa in den 50erJahren zu dieser Jahreszeit? Voller trauriger Tage! „Buß und Bettag“gab es noch, aber viel schlimmer waren ja die beiden traurigen Sonntag! Volkstrauertag - Oma und Opa sagten noch Heldengedenktag. Nur traurige Musik im Radio, nach der Kirche gings zum Kriegerdenkmal, beim Kaffee sprach man über Onkel Franz, der „beim Russen“ gefallen war, und Opa zeigte auf sein Glasauge – das echte war ihm im Ersten Weltkrieg rausgeschossen worden. Aber das sagte man nicht, schon gar nicht beim Volkstrauertagskaffe, da hieß das: „Mein Auge gab ich dem Kaiser!“ So! Am allerschlimmsten: der Totensonntag! In der Kirche wurden die Verstorbenen des zurück liegenden Jahres „abgelesen“, noch trauriger als am Volkstrauertag klang die Musik, nachmittags gings zum Friedhof, am Familiengrab einen Strauß hinlegen, und man dachte an jene, die nicht mehr unter uns sind.

Warum soll ich mich heute mit solchen Gedanken belasten? Nein, heute bewahren mich fürsorgliche Geschäftsleute und Organisationen vor allzu viel Traurigkeit, Gedenken, Besinnung in puncto Vergänglichkeit. Nein, heute geh ich am Volkstrauertag zu irgendeiner Adventssausstellung! Adventskränze, Gestecke mit roten Kerzen und strahlenden Engelchen nebst Glöcklein, dazu ein Adventstee und vielleicht „Leise rieselt der Schnee“ von der Laden-CD vertreiben mir die Gedanken an Friedhof und Grabstein. Und in nicht wenigen Geschäften blick ich schon seit Wochen nicht etwa auf Grabgestecke, nein: Fröhlichkeit verheißend strahlen mir Weihnachtsmänner entgegen, locken Weihnachtskekse und Christstollen. Zum Volkstrauertags-Kaffee?

Ach, was waren doch die Leute in den Blumengeschäften, in den Schokoladen-Läden und in den Drogerien zu meiner Kinderzeit für bequeme Gesellen! Erst am Abend des Totensonntags rafften sie sich auf , dekorierten ihre Schaufenster „auf Advent und Weihnachten“. Vor Ablauf des Totensonntags nichts Weihnachtliches in die Auslagen – das war vor grauer Zeit mal an der Novemberordnung. Lang, lang ists her. Ich weiß noch: Irgendwann in den 60ern wars, glaub ich, drangen Weihnachtsmann & Co. immer mehr in den November: Und die Älteren, die dann die Stirn runzelten ob solch frühen Weihnachtsglanzes, bekamen aus weisem Mund zu hören: „Jaaaa - das hat schon seinen Sinn! Die Pakete in die Ostzone – der Transport dauert so lange, die Grenze, und, und – da muss man schon früh das Päckchen für die Brüder und Schwester hinterm eisernen Vorhang packen und ihnen nebst echtem Bohnenkaffee, Bananen und West-Zigarette auch gute Weihnachtsschokolade hineintun, die es ja bei Ulbricht nicht gibt!“ Ulbricht und Honecker sind Geschichte. Der Weihnachtsmann aber hat sie überlebt auf seinem Marsch in Richtung Frühjahr.

Wie weit wird der rotbemäntelte Weißbart noch voranschreiten zu seinem ersten Jahres-Auftritt? In den August, den Juli? Schmelzgefahr? Da gibt’s gewiss ein Mittel gegen. Weihnachtsmänner und Adventskränze immer früher – warum? Das Argument mit dem Zonenpäckchen zieht nicht mehr. DHL, Hermes und andere bringen Marzipan und Stollen ruck, zuck allerorts zum Empfänger. Lassen wir doch die Rätselei. Lassen wir doch die ganze Warterei und solche Singerei wie „Morgen kommt der Weihnachtsmann!“. Er ist doch schon da, seit vielen Wochen!

Weihnachten total - das ganze Jahr

Gönnen wir uns doch das ganze Jahre Weihachten total. Trauern wir doch jenen Jahrzehnten nicht nach, in dem Advent und Weihnachten auf etwa vier Wochen beschränkt waren. Füllen wir doch die leeren Läden in unseren Städten – Geschäftsidee! Marktlücke! Marketingleute, aufgehorcht! - mit Fachgeschäften für Weihnachtsbedarf. Vielleicht lässt sich ein renommiertes deutsches Unternehmen dafür gewinnen, das in mehreren Orten Deutschlands das ganze Jahr hindurch Weihnachts-Artikel offeriert, sehr zur Freude seiner Kunden. Gäste aus Übersee zum Beispiel kaufen dort gern während eines Europa-Trips Accessoires zum „German Christmas and Gemutlichkeit“. Das brauchen wir hier auch! Liebe Geschäftsleute, Organisationen usw. usw.: Lasst Euch nicht aufhalten wenn beispielsweise die Evangelische Kirche zu bedenken gibt „Alles hat seine Zeit – Advent ist im Dezember“. Kreiert Weihnachtmänner als Eis am Stiel, damit man sich schon zur Eröffnung der Freibadesaision auf das Fest am 24. Dezember freuen kann! Vor mir steht jetzt nur ein ganz simpler Schoko-Nikolaus; ich werde ihm rechtzeitig den Kopf abbeißen, damit ihm nicht dieser Tage die Hasenohren aus dem Stanniolpapier wachsen, denn: Ostern ist nicht mehr weit!




2009-11-20 ; von Hagen Jung (autor),

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