Ein Kurzfilm über eine junge Frau, die sich in der Wildnis ihrer bisher größten Herausforderung stellen muss, gewann dieses Jahr den "Goldenen Storch" auf den Wendland Shorts in Salderatzen.
... Die sechzehnjährige Linn darf endlich mit ihrem Vater auf die Elchjagd.
Sie kennt die Jagd und ihre Gesetze, doch in der Gruppe der Jäger muss
sie sich erst beweisen.
Linn trifft. Sie schießt ihren ersten Elch. Aber ihr Stolz ist von kurzer Dauer, als sich
herausstellt, dass sie eine Mutterkuh getötet hat. Elchkühe dürfen nicht geschossen
werden, bevor man ihr Kalb erlegt hat. Das Junge muss aufgespürt und
getötet werden, damit es nicht elend verendet. Voll Scham und Eifer
macht Linn sich alleine auf die Suche nach dem Tier. Ein Gang in die
Wildnis, der ihre eigentliche Prüfung wird. ...
"Rå " ist kein Film mit leichtgängiger "Story". Das archaische Thema machte es nicht einfach, den Film zu realisieren - Sophia Bösch und ihr Team ließen
sich davon jedoch nicht beirren. Und der Erfolg gibt ihnen recht:
bereits auf dem Festival "Sehsüchte", dem internationalen Students
Festival der Filmakademie Baden-Württemberg, gewann "Rå " einen Preis und
auf der Berlinale konnte sie den Film im Rahmen der Reihe "Perspektive
Deutsches Kino" präsentieren. Nun gewann das Team um Sophia Bösch in Salderatzen den Goldenen Storch.
"In der Figur der jungen, selbstbestimmten Linn sehen wir Abgründe, die Lust machen auf mehr. Selten waren wir uns so rasch einig, dass es in Rå von Sophia Bösch eine außergewöhnliche Leistung zu bestaunen und auszuzeichnen gibt," so die wendland shorts-Jury zu ihrer Entscheidung, den Kurzfilm "Rå " auszuzeichnen.
"Manchmal gelingt es Filmen, zu kommunizieren, was es heißt,
auf der Welt zu sein; Mensch zu sein und mit der Natur in all ihrer
Schönheit, aber auch ihrer Gefährlichkeit zu leben," so die Jury zu "Rå ". "Manche Filme
erzählen vom Schrecken und der Ekstase der Existenz an sich. Und
wieviel Mut es braucht, um darin zu bestehen. Große Worte für einen
großen Film."
In den letzten Jahren wurden in Los Angeles in schöner Regelmäßigkeit Filme mit dem "Students Oscar" ausgezeichnet, die vorher auf dem wendland shorts-Festival gelaufen waren. Vielleicht ist es ja dieses Mal Sophia Bösch, die in den USA demnächst geehrt wird.
Die anderen Gewinner
Wilhelm Bschor als Initiator und Organisator der Mediengruppe am Fritz-Reuter-Gymnasium konnte für das kreative Engagement der SchülerInnen einen silbernen Storch in Empfang nehmen. Nicht unberechtigt, denn die drei Filme der Arbeitsgruppen überzeugten (und verblüfften) durch die hohe technische und inhaltliche Qualität.
Den silbernen Storch für die beste Kurzdoku erhielt Julius Dommer für sein Porträt eines Autisten. "Mit 'Rebar' schuf Julius Dommer sehr authentisches und bewegendes Porträt," so die Jurybegründung für die Preisvergabe. "Der Film öffnet die Herzen des Publikums und lässt uns am Leben des Protagonisten teilhaben."
"Sommerloch" von Berthold Wahjudi erhielt von der Jury eine lobende Erwähnung für die gelungene filmische Umsetzung der Zeit zwischen Abitur und Ausbildung - diese Zeit der "schwebenden Unsicherheit", wie es die Jury ausdrückte.
Den Goldenen Zollstock für die beste Einzelleistung verlieh die Jury dem Kurzfilm "Es ist egal, aber" von Christoph Ischinger. Mehr als Musikvideo angelegt denn als Spielfilm erzählt "Es ist mir egal,aber" von einem sprunghaften,
hedonistischen und ziellosen Charakter. Prämiiert wurde die Leistung von Christoph Ischinger, "ein stimmiges Ensemble auf ein
bestimmtes Lebensgefühl einzuschwören und dafür eine entsprechende
Dramaturgie zu finden. Der Film bleibt für uns als mutiges,
schräges, sperriges Charakterbild eines Außenseiters haften," so die Bewertung der Jury. Auf dem Festival "New Berlin Film Award" wurde der Film in diesem Jahr bereits als "bester mittellanger Film" ausgezeichnet.
Auch Driton Sadiku konnte bereits eine Auszeichnung für seinen Drehbuch-Entwurf (Pitch) entgegennehmen: "Drakulla" ergatterte in diesem Jahr bereits den 2. Platz beim Sehsüchte-Festival der Filmakademie Baden-Württemberg. In Salderatzen konnte er den Silbernen Storch für den besten Pitch entgegennehmen.
Sein Skript für einen Film über das "scheinbar vom
großen europäischen Geschehen am Vorabend des Ersten Weltkrieges
vergessenen Albanien" überzeugte die Jury. "Die Metapher für eine irrationale
Angst, die damals wie heute um sich griff, ist für Driton der
Vampir – ein Produkt der Fantasie, das mächtiger, beängstigender
und schrecklicher ist als alle rationale Vernunft. ... Vielleicht lassen sich auch heutige politische Entwicklungen am
besten mit der Existenz von Vampiren erklären." Nun wird Driton Sadiku sich nach einer Produktionsfirma umschauen, die ihm die Realisierung des Films ermöglicht.
RESÜMEE
Ernsthaft waren die Filme der wendland shorts in diesem Jahr, aber auch bitterkomisch (z.B. "Kleptomami") oder dramatisch wie der Siegerfilm "Rå". Aber auch die Teilnahme der Mediengruppe des Dannenberger Gymnasiums machten diesen Jahrgang besonders lebendig.
Und Diskussionsstoff gabs natürlich auch: Dürfen Filmemacher höchstpersönliche Auseinandersetzungen als Dokumentarfilm auf die Leinwand bringen? Oder müssen solche Themen als Spielfilm dramatisiert werden? "Du warst mein Leben", der mit dem Grimmepreis ausgezeichnete Dokumentarfilm der wendländischen Filmemacherin Rosa Hannah Ziegler, löste Kontroversen aus. So manchem im Publikum war die kompromisslose Darstellung einer bitteren Auseinandersetzung zwischen Mutter und Tochter zu dicht. Das strenge Bildformat und der nicht nachlassende intensive Blick auf die beiden "Kontrahentinnen" ließ dem Zuschauer kaum Fluchtmöglichkeiten - was nicht jedem gefiel. Andererseits gab es auch aber auch vehementes Lob für die feinfühlige und intensive Dokumentation des verzweifelten Versuchs, Schweigen und Lebenslügen zu durchbrechen und zu einem neuen Umgang miteinander zu kommen.
Dirk Roggan, Festivalleiter der wendland shorts, ist denn auch zufrieden mit der diesjährigen Ausgabe des Kurzfilmfestivals. "Wir konnten wieder zahlreiche hochklassige Filme schauen," freut sich Roggan. Außerdem nutzten Filmemacher, Produzenten aber auch Filminteressierte ausgiebig die Gelegenheit, sich miteinander auszutauschen. "So manches neue Projekt wurde an diesem Wochenende auf den Weg gebracht," so Roggan.
Foto | Madeline Jost – www.madebyline.de: Die Preisträger der Wendland Shorts 2018: linker Sessel: Sophia Bösch ("Rå") , links neben ihr eine ihrer Produzentinnen. Hinter ihnen: Christoph Ischinger ("Es ist egal, aber"), auf dem rechten Sessel: Driton Sadiku (Pitch für "Drakulla"), hinter ihm: Philipp Link ("Sommerloch")