Gorleben: Langer Marsch mit Röttgen

Trotz Wetterwidrigkeiten und vielfacher Ablehnung fand sich Bundesumweltminister Norbert Röttgen Donnerstag Mittag zu seinem angekündigten „Dialog-“Auftakt in Gorleben ein. Doch nicht nur wettermäßig wehte dem Minister eisiger Wind entgegen.

Im Stechschritt ging es zunächst auf 840 m Tiefe durch die Stollen des Salzstocks im westlichen Bereich, begleitet vom Präsidenten des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), Wolfram König, und einem rund 50-köpfigen Tross von Journalisten. Insgesamt mussten rund 1,2 km Strecke von den bisher 12 km erkundeter Bereiche zurückgelegt werden – zu Fuß, denn wie zu hören war, reichten die Arbeitsfahrzeuge nicht aus, um die große Gruppe zu transportieren.

Während des über einstündigen Untertage-Besuchs ließ sich Röttgen vom BfS-Präsidenten vor allem über die kritischen Punkte der Geologie des Salzstocks aufklären. Anders als bei früheren Minister-Besuchen hatten die Medienvertreter dieses Mal die Möglichkeit, über Funk-Kopfhörer die Erläuterungen von Wolfram König zu verfolgen.

Schon zu Beginn seines Vortrags wies König auf die entdeckten Gas- und Lösungsvorkommen (Öl- und Kohlenwasserstoffe) hin. „Wir haben hier die Frage zu klären, ob diese Einlagerungen schon bei der Entstehung des Gebirges eingeschlossen wurden und sich seitdem nicht mehr verändert haben oder ob es noch Veränderungen im Gebirge gibt“, so König. Vor allem den wasserleitenden Anhydrit-Schichten im Salzstock gilt laut König besondere Aufmerksamkeit. „Sollte sich herausstellen, dass diese Schichten durchgehend sind, so wäre das ein absolutes No Go.“ Im westlichen Bereich des Erkundungsgebietes scheint dies nach bisherigen Erkenntnissen nicht der Fall zu sein. „Jetzt müssen wir im nördlichen Erkundungsbereich erkunden, wie die Verhältnisse dort sind.“ Dieser nördliche Erkundungsbereich ist jedoch genau derjenige, über dem die Salzrechte der Kirche und von Graf Bernstorff liegen.

Zerblockter Anhydrit und Ölaustritte

Mehrere hundert Meter von der Anhydrit-Schicht entfernt, erweckte schon die bräunliche Verfärbung des eigentlich gräulich-rosa schimmernden Salzgesteins Aufmerksamkeit. Glänzend schmiert hier eine bräunliche Masse über das Gestein. Man war an der Stelle angekommen, an der deutlich sichtbar Öl- und Kohlenwasserstoffe aus dem Gestein austreten. „Diese Ausflüsse können ein nicht unerhebliches Sicherheitsproblem darstellen“, so König. „Wir überprüfen, wie weit diese Ölflüsse den Salzstock durchdringen.“ Geht diese Erkundung negativ aus, so wäre es ein weiteres Indiz für die Ungeeignetheit des Salzstocks.

Wichtig war dem BfS-Präsidenten auch, darauf hinzuweisen, dass zur Erkundung der Sicherheit des Salzstocks nicht nur der sogenannte „Nahbereich“ erforscht werden dürfe, sondern die Struktur des gesamten Gebirges.

Bewertende Kommentare waren vom Bundesumweltminister unter Tage nicht zu hören – nicht erstaunlich, war es doch der erste Besuch des Ministers im Salzstock. Die Hinweise des BfS-Präsidenten allerdings, dass bei einer möglichen nächsten Eiszeit die gesamte Gebirgsstruktur ins Wanken geraten könnten, beunruhigten Röttgen offensichtlich doch. „Ist es denn wahrscheinlich, dass in relevanten Zeiträumen eine Eiszeit kommt?“, wollte er wissen. Die Antwort des Fachmanns konnte nicht allzu sehr beruhigen. Grundsätzlich könne man in einem Zeitraum von 10 000 Jahren von einer Eiszeit ausgehen – woraufhin ein Diskussion über die Gewährleistung von 1 000 000 Jahren Sicherheit zwischen dem Minister und dem BfS-Präsidenten folgte. Hier schien selbst der BfS-Präsident Zweifel zu haben, ob wirkliche Sicherheit über so einen langen Zeitraum wirklich zu gewährleisten sei.

"Wir fangen hier ganz neu an"

Nach dem Gespräch mit den Kommunalpolitikern stellte Röttgen sein Dialogkonzept für die nächsten Jahre vor. "Denn wir fangen hier ein völlig neues Dialogverfahren an", so der Minister. Demnach sollen die Bewohner der Region bei der weiteren Erkundung umfangreichen Einfluss erhalten. Sowohl bei der Expertenauswahl als auch bei der Ausarbeitung des Erkundungsprogramms sollen die Bürger mit entscheiden dürfen.

Eine sogenannte „Steuerungsgruppe“ sowie ein „Vertrauensgremium“, in dem Vertreter der Bürger mit entscheiden sollen, will Röttgen einsetzen. Seine Bemerkung allerdings, dass man ja hier in „einem ganz, ganz frühen Stadium“ sei und man vom formellen Planfeststellungsverfahren noch Jahre entfernt sei, löste bei den gut informierten Journalisten Heiterkeit aus.

Nachdem es massive Kritik an dier Nichtannahme der Einladung des Lüchow-Dannenberger Kreistages gegeben hatte, kündigte Röttgen nun in der Pressekonferenz an, die Einladung „zeitnah“ wahrnehmen zu wollen.

Doch all die hehren Absichten des Ministers konnten nicht verhindern, dass Trebels Bürgermeister Wolfgang Wiegrefe in der Pressekonferenz noch einmal seinen Unmut darüber kund tat, dass der Minister so spät seine Dialogbereitschaft ankündigte. „Es ist einfach zu spät, jetzt noch ernsthaften Dialog anbieten zu wollen, wenn alle wesentlichen Entscheidungen schon getroffen sind“, warf Wiegrefe dem Minister vor. Das Misstrauen stecke einfach zu tief.

Röttgen: Bringschuld des Staates

Von Röttgen war zu dieser Kritik wenig zu erfahren. Für ihn ist jetzt „genau der richtige Zeitpunkt“, nach der Aufhebung des Moratoriums in einen „völlig transparenten und offenen“ Dialog einzutreten. „Ich sehe mich in der Garantiefunktion dafür, dass die Bringschuld des Staates, Offenheit und Integrität des Verfahrens zu beweisen und zu belegen“, so Röttgen.

Die Frage allerdings, warum der Minister, der seit Oktober vergangenen Jahres im Amt ist, sein umfangreiches Dialogkonzept erst startet, nachdem Laufzeitverlängerungen, Reform des Atomgesetzes und Wiederaufnahme der Erkundungen beschlossene Sache sind, blieb weitestgehend unbeantwortet. Auch die Ablehnung der Gorleben-Gegner, mit ihm zu sprechen, irritierte den Minister offensichtlich wenig. „Wir stehen hier ja noch ganz Anfang. Der Dialogprozess, den ich mir vorstelle, wird auch eine neue Dynamik in Akzeptanz und Bereitschaft zur Beteiligung bringen“, so des Ministers Antwort auf die Kritik

Um seine „Bringschuld“ einzulösen, wird der Minister tatsächlich Jahre investieren müssen, um das verloren gegangene Vertrauen in politische Entscheidungen wieder her zu stellen. Es wird ein langer Marsch mit dem Minister. Ob eine Legislaturperiode dafür ausreicht, ist zweifelhaft - zumal Röttgen die Einleitung einer vergleichenden Standortsuche zum jetzigen Zeitpunkt ablehnt. "Diese Forderung haben meine Vorgänger immer wieder als Ausrede dafür benutzt, letztendlich nichts zu tun", begründete Röttgen seine Haltung. "Keiner von ihnen hat sich auf den Weg gemacht und tatsächlich versucht, seine Forderung politisch durchzusetzen." Auf diese Art sei alles beim Alten geblieben.

Foto: Norbert Röttgen in Pressekonferenz/ von Andreas Conradt/publixviewing.de

Weiter Fotos: Angelika Blank


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2010-12-02 ; von Angelika Blank (autor),

norbert röttgen   endlager_gorleben  

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