Thema: berlin

Jetzt nicht lockerlassen!

Nach dem Berlin-Treck wackelt das Endlager Gorleben, ist aber noch nicht
gekippt


Ein Kommentar von Jochen Stay


50.000 DemonstrantInnen und 365 Trecker waren am 5. September in Berlin. Es war die größte Anti-Atom-Demonstration seit dem Tschernobyl-Jahr
1986. Die Kommentare in den Tageszeitungen zeigten am nächsten Tag, dass die Botschaft der Demonstration angekommen ist:

Die Frankfurter Rundschau kommentierte beispielsweise: „Die protestentwöhnte Republik reibt sich die Augen. Die Anti-Atomkraftbewegung ist wieder da. Und so verjüngt, dass man kaum merkt, dass seit den ersten Bildern von einer Gorlebener Treckerkarawane schon 30 Jahre ins Land gegangen sind. Das war Protestkultur vom
Feinsten. Das Erfrischende an dieser Anti-Atom-Demonstration war: Sie war Wahlkampf von unten. Mit Parteipräferenzen liebäugelnd, aber nicht
an Parteiloyalitäten gebunden, stellten da einige zehntausend den Wahlkampf vom Kopf auf die Füße. Keine Parteien-Versprechen ans
schweigende Stimmvolk. Umgekehrt: eine Wähler-Ansage an die Politik, womit sie rechnen muss nach dem 27. September. Die politische Spaltkraft der Nukleartechnik hat offenbar eine längere Halbwertzeit, als einige vermuteten. Dieses Potenzial ist weit größer als die Schar der Demonstranten. Es kann durchaus zur kritischen Masse werden.“

Wir haben also viel erreicht mit dem Berlin-Treck und der Großdemonstration. Aber wir haben noch nicht gewonnen. Nach dem Hannover-Treck 1979 erklärte Ministerpräsident Ernst Albrecht: „Die WAA Gorleben ist politisch nicht durchsetzbar.“ Nach dem Berlin-Treck 2009 erklärt Bundesumweltminister Sigmar Gabriel: „Das Endlagerprojekt Gorleben ist politisch tot.“ Der Unterschied: Albrecht konnte entscheiden. Gabriel kann das Endlager Gorleben nicht alleine kippen.

Das Kartenhaus, die angeblichen Eignung des Salzstocks Gorleben, wackelt. Doch noch ist es nicht eingestürzt. Entscheiden wird die nächste Bundesregierung. Wie diese Entscheidung ausfällt, hängt nicht alleine vom Wahlergebnis am 27. September ab. Wesentlich wird sein, wie sich die öffentliche Debatte in den nächsten Wochen entwickelt. Und darauf können wir alle Einfluss nehmen.

Jahrzehntelang haben wir beharrlich gegen das Atommüll-Endlager Gorleben gekämpft, ohne dass sich viel verändert hat. Doch in den letzten Tagen sind die Dinge in Bewegung geraten. SPD und Grüne haben zwar bisher schon einen Vergleich verschiedener Standorte gefordert. Dabei sollte aber immer Gorleben mit im Topf bleiben. Jetzt, nach den aufgedeckten Lügen von der Eignung des Salzstocks, sagen sie: Bei der neuen Standortsuche soll Gorleben nicht mehr dabei sein. CDU und FDP setzen zwar noch auf Gorleben, können sich einer vergleichenden Suche aber immer weniger entziehen.

Wenn Engagement in Sachen Gorleben irgendwann besonders lohnenswert ist, dann in diesen Tagen. Das Problem: Viele sind vom Treck zu Recht erfüllt und erschöpft. Doch wir sollten uns mit dem Erfolg von Berlin nicht zufrieden geben. Wenn wir jetzt nicht locker lassen, können wir viel gewinnen.

 

Foto: Demo in Berlin von Katrin Behr/publixviewing

 




2009-09-11 ; von Jochen Stay (autor),

berlin   treck   endlager_gorleben  

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