KINO: Eat Pray Love

Arme Julia. Sie sucht so sehr! Nach ihrem Wort, zum Beispiel. Jede Stadt und jeder Mensch habe ein Wort, das genau paßt, heißt es irgendwann – bei Pasta und Rotwein – in „Eat Pray Love“. Doch es zu finden, ist gar nicht so leicht. Das passende Wort für den Film ist hingegen schnell gefunden: Kitsch.

Julia Roberts ist zu schön, um wahr zu sein für dieses Selbstfindungs-midlife-crisis-Machwerk von Ryan Murphy, das so tut, als stünde es auf Seiten der Frauen (oder überhaupt auf irgendeiner Seite). Aber die ganze Schönheit paßt nicht, ist genauso übertrieben wie das Übermaß an Motorrollern in Rom, an Pizza in Neapel und an Weisheit in Indien.

Stille Tage im Klischee: Alles stimmt so sehr, daß nichts mehr stimmt. Die ganze Welt wird eine Postkarte, ein Kalenderspruch, ein Zitat. Julia Roberts und ihre Sinnfindungs-Assistenten füttern uns mit Weisheiten, bis wir rülpsen, während sie selbst sogar in ihren demonstrativen Sackkleidern so unverschämt schlank und schön aussieht, daß wir Zuschauerinnen uns verschämt die eigenen Rettungsringe wegdrücken. Dabei hat Julia, also Liz, uns doch eben noch geraten, gerade als sie in diese fettriefende Pizza biß, wir sollten diese lästigen Schuldgefühle hinter uns lassen, das Essen genießen und einfach nur eine größere Jeans kaufen. Uns endlich annehmen, ja! Solche Eso-Gscheitenmeiereien fallen aus einer abgemagerten Julia Roberts! Vielleicht hätte sie vor dem Dreh wenigstens ein paar Kilo drauflegen sollen? Aber, nein, so ernstgemeint und glaubwürdig muß ein amerikanischer Film nun auch wieder nicht sein. Statt desssen Traumfabrik: Liz-Julia stopft sich voll mit gutem Essen, bleibt aber wunderschön, elfengleich und knallhart egoistisch, auch wenn sie uns ihr weiches, verträumtes Mädchenlächeln im Lotussitz serviert.

Der Plot: Die reiselustige und kinderlose Liz, Mitte 30 und Autorin von untermittelmäßigen Theaterstücken, ist mit dem falschen Mann verheiratet, sucht einen neuen und findet den dann auch. Der Falsche ist aber nicht so ganz richtig schlimm falsch, so daß eine Scheidung ohne Schuldgefühle unmöglich ist. Liz verläßt ihn trotzdem und stürzt in eine „Beziehung“ mit einem esoterischen Schauspieler, den sie bei der Premiere eines ihrer psychoverklebten Theaterstücke kennenlernt und der in seiner Freizeit indisch-religiöse Gebete chantet (Details sind unerheblich.) Der Wahnsinn endet, als es im Bett nicht mehr klappen will. Liz kommt in die Sinnkrise und auf die originelle Idee, ein Jahr fortzugehen, von allem weg, hin zu sich selbst. Sie will: Essen wie Gott in Rom, Beten und Putzen für den Guru in Indien, Weisheit auf Bali.

Doch das innere Gleichgewicht ist nicht ganz so einfach zu haben. So torkelt Liz mit Hilfe größerer Mengen Rotweins durch die pittoreske Gegend, erzwingt Schlüsselerlebnisse in einer Welt, die nur dazu da ist, ihr den Sinn des Lebens zu offenbaren. Manchmal nimmt Julia-Liz sogar die schicke Sonnenbrille dabei ab. Damit man ihre Tränen besser sieht.

Geld spielt im übrigen keine Rolle. Die Slums in Indien bekommen eine Premium-Einstellung geschenkt, die arme alleinerziehende Mutter und Heilerin auf Bali ein Haus. Schreibt man halt rasch eine eMail an die reichen New Yorker Freunde: Schenkt mir zum Geburtstag doch diesmal lieber nicht irgendwas Sinnloses, sondern spendet! Und die New Yorker Freunde lesen, machen betroffene Gesichter und überweisen. Außerdem dürfen auftreten: im indischen Ashram ein Texaner (nur scheinbar überzeichnet und grandios gespielt von Richard Jenkins), ein zahnloser Gutmenschen-Medizinmann und am Ende, für die Liebe, der glubschäugige, aber sehr männliche Brasilianer Felipe (ziemlich schleimig: Javier Bardem). Und, nicht zu vergessen: die 17jährige Inderin und Ashram-Kollegin, die eigentlich studieren will, statt dessen jedoch flugs mit einem indischen Einserstudenten zwangsverheiratet wird – von der selbstbestimmten Liz dabei tatkräftig getröstet und überzeugt, daß irgendwie, mit genug Beten und Glauben, schon alles gut wird, während sie sich beziehungsreich an ihre eigene von Beginn an mißglückte Ehe erinnert – und nicht auf die Idee kommt, der jungen Frau zu helfen, selbst an die Uni zu kommen.

Als Zuschauerin ist man irgendwann so weit, zu denken, daß es doch so vielleicht wirklich viel besser wäre: Willenlos aber glücklich – zumindest für die Inderin. Julia-Liz hingegen darf selbst entscheiden, wen sie lieben und wie sie sich dabei unglücklich machen will, denn sie ist schließlich Amerikanerin. Die teuer produzierte Langeweile verärgert. Wie da eine Art globales Weihnachtsmärchen erleuchten soll und doch nicht mal anständige Unterhaltung bietet: Der Film zieht sich über endlose 140 Mi-nuten und kommt über die einigermaßen hausbackene Botschaft „Sende mir Licht und Liebe und laß mich los“ einfach nicht hinaus.

Wir lernen, was uns schon säckeweise Esoteriker seit Jahrzehnten vorsülzen: Denke nur hartnäckig genug an dich selbst und verkaufe das als Transzendenz – dann wird alles gut. War der Zeitgeist nicht eigentlich schon ein paar Schrittchen weiter? Ansonsten: ein paar witzige Dialoge, ein, zwei anrührende Szenen, ein paar schöne Bilder und eben Julia Roberts – mehr ist nicht. Und all der Aufwand, der den Indern, den Italienern und den Balinesen noch das letzte Klischee abpreßt, noch den letzten Gott zur Selbstbefriedigung vernutzt und noch die letzte heilige Kuh entehrt, nur damit die arme reiche Liz zu sich selbst finden kann – die auch nach all dem Essen, Lieben und Beten immer noch mager ist.

Die Welt ist in diesem Film ein Gemischt-warenladen, in dem man – ob es um Genuß, Gott oder Männer geht – schon das Passende findet, wenn man nur lange und egozentrisch genug sucht und sich tüchtig anstrengt, glücklich zu sein. Das tut Julia. Zur Belohnung darf sie so viel essenbetenlieben, wie ihre Geldbörse und ihr neuer Geliebter es hergeben. Und wenn sie nicht gestorben sind, lügenschleimenbrechen sie noch heute. Armes Kino. Armes Amerika.




2010-11-25 ; von Katharina Körting/zero (autor),

 

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