Helmut Koch über „Vincent will Meer“ und „MicMacs – uns gehört Paris“
„Vincent will Meer“, der Titel ist doppeldeutig, denn Vincent will noch mehr als ans Meer. Vincent (Florian David Fitz) hat das Tourette-Syndrom, das heißt, motorische und verbale Tics. Dabei sind dem Betrachter die unkontrolliert ihm entweichenden öbszönen Bemerkungen das Auffälligste. Auf der Beerdigung seiner Mutter „tict“ Vincent aus und sein Vater (Heino Ferch), ein Politiker im Wahlkampf, steckt den störenden Sohn in eine Klinik. Dort trifft Vincent auf die auch etwas schräge Ärztin Dr. Rose (Katharina Müller-Elmau) und muß sich ein Zimmer mit dem darüber entsetzten Zwangsneurotiker Alexander (Johannes Allmayer) teilen. Weiter stolpert er über die hübsche, aber magersüchtige Marie (Karoline Herfurth).
Es dauert nicht lang, bis Vincent mit Maries Hilfe einen Weg findet, aus der Klinik abzuhauen, um sich – mit der Asche seiner Mutter in einer Bonbondose – auf den Weg über die Alpen ans Meer zu machen. Dabei stolpern sie über Alexander, der sich nicht abschütteln läßt. Ein wunderbar komisches, zugleich tragisches Trio, das kurz drauf von einem Duo verfolgt wird: dem Vater und der Ärztin, die beide Gründe haben, die Polizei nicht einzuschalten. Und bald fragt man sich, wer hier behandlungsbedürftiger ist: das Duo oder das Trio.
Angenehm ist auch, daß der Film sich nicht über seine Figuren lustig macht, man lacht mit ihnen, man ist mit ihnen betroffen. Ralf Huettner hat das Drehbuch des Hauptdarstellers Fitz angenehm leicht umgesetzt. So kommt man trotz der kleinen und großen Dramen alles andere als deprimiert aus dem Kino, eher beeindruckt, sensibilisiert und amüsiert. Was kann ein Film mehr? Am 29. November um 20.30 Uhr im Kino „Alte Brennerei“ in Lüchow.
Wo ich gerade dabei bin, hier gleich noch eine Empfehlung: Wer die „MicMacs – uns gehört Paris“ in Platenlaase im Oktober versäumt hat, sollte zusehen, wo und wann dieser Film noch laufen wird. Denn abgesehen von dem blöden Titel ist das ein bemerkenswerter Film. Nach „Delicatessen“ und die „Wunderbare Welt der Amelie“ ein weiterer Geniestreich des Regisseurs Jean-Pierre Jeunets. Mit etlichen Selbstzitaten aus den genannten Vorgängern und mit Dominic Pinon, dem arbeitslosen Clown aus Delicatessen, führt hier ein wunderbar skurriles Ensemble von Verlierern (im Sinne der Gesellschaft) den Kampf gegen zwei Rüstungskonzerne und ihre Chefs (die besonders gern Fotos, auf denen sie mit Präsident Sarkozy zu sehen sind, zeigen). Beide Filme für mich absolut sehenswert.
Helmut Koch über „Vincent will Meer“ und über „MicMacs – uns gehört Paris“