Bei seinem Konzert im restlos ausverkauften VERDO in Hitzacker begeisterte Konstantin Wecker vor Kurzem hunderte Fans - vor allem aus dem linksalternativen Spektrum.
„Wer hat kein Handy oder kein Smartphone?“ Hunderte Arme recken sich in die Luft. Das Publikum im ausverkauften Verdo in Hitzacker lacht und applaudiert. Über so viele "Verweigerer" freute sich der Liedermacher - undzückte sein Smartphone, um mit seinen Musikern das „erste reine Smartphone-Lied“ anzustimmen.
Poetisieren und politisieren - zwischen diesen beiden Polen changierte Konstantin Wecker. Erst nach einer Stunde Zugaben ließ ihn das Publikum von der Bühne. Natürlich ist das Publikum im Wendland ein „besonders“. Die vielen
Altlinken, die sich versammelt haben, um einem ihrer Idole zu huldigen,
sind gestählt durch die jahrzehntelange Auseinandersetzung um Gorleben.
Und für Wecker muss es Labsal sein, wenn er spontanen Szenenapplaus
bekommt, wenn er für sein notorisch bedingungsloses Eintreten für eine
Willkommenskultur plädiert. Für die er auf das Übelste angefeindet und
bedroht wird. Im Wendland schallt ihm starker Applaus entgegen, wenn er
sich für das unbedingte Willkommen von Flüchtlingen einsetzt.
Wecker ist
seit Jahrzehnten ein Star am Himmel der deutschen Liedermacherszene,
hat sich nach einem jähen Absturz wieder gefangen und steht präsenter
denn je auf der Bühne - obwohl bald 70 Jahre alt. Doch das sieht man ihm nicht an. Ein Tausendsassa, der sich immer neu erfindet, der
auch musikalisch nie stehengeblieben ist, der erfolgreiche Musicals
inszeniert, der Bühnen- und Filmmusik schreibt, Bücher und CDs
veröffentlicht, ständig auf Tournee ist.
„Denken wir mit dem Herzen, besiegen wir den Hass mit Zärtlichkeit“ -
mit solchen Parolen rennt Wecker in Hitzacker offene Türen ein. Und auch mit seinen Forderungen stößt er bei seinem Publikum auf offene Ohren: „Wir brauchen eine Revolution – des Bewusstseins, der
Vernunft, der Zärtlichkeit, wir müssen den Zauber des Unnützen
entdecken“. Und alle haben Spaß, Publikum und auch die Band. Wecker spürt das
Besondere, die Magie dieses Abends, die er entfacht, und legt immer
wieder eine Schippe nach.
Das Publikum dankt mit frenetischem Applaus, mit Standing Ovations, und
lässt die glänzend aufgelegten Musiker erst nach über Stunde Zugaben von
der Bühne.
Die nun wirklich allerletzte Zugabe wurde als begeisternder Blues
intoniert: „Ohne Warum“, wo Wecker mit einem Rückgriff auf den
mittelalterlichen Mystiker Meister Eckhart den Zauber eines im besten
Sinne unnützen Lebens ohne Warum („Sunder warumbe“) preist." Die Spielfreude der exzellenten Musiker bricht sich ein letztes Mal an
diesem langen Abend Bahn.
Und auch in Hitzacker gelang dieser
Schlussakkord vortrefflich. Mal unter uns: Nicht nur einmal rinnt mir an
diesem Abend eine Träne übers Gesicht, überwältigt von der dramatisch
schönen Musik und den wunderbaren Texten, die direkt wirken - ohne
Warum.
Ein Song, geschrieben hat es Wecker 2015 für seine Kinder, formuliert:
„einen einzigen, großen Wunsch, den hätte ich noch, da seid mit mir
bitte konform: egal was sie Dir versprechen, mein Kind, trag nie eine
Uniform.“ Spontaner Applaus. „Es wird nicht leicht. Die Zeiten sind hart. Es knarzt mächtig im
Getriebe. Ich hoffe euch trägt auch durch Not und Pein bedingungslos
meine Liebe. Das ist alles was ich verschenken kann, keine prall gefüllten Konten.
Und Augenblicke der Schönheit, da wir zusammen uns glücklich sonnten.
Sorgt euch nur nicht um den Vater, nun kommt euer ganz eigenes Leben.
Ich habe gelernt - und ich dank’ euch dafür - ohne zu wollen zu geben.“
„Poesie und Musik können vielleicht die Welt nicht verändern, aber sie
können denen Mut machen, die sie verändern wollen“, sagte Konstantin
Wecker einmal über sein neues Programm „Revolution“. Das scheint nötiger denn je.