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Kreistag: Ja zu Sammelunterkünften - aber nur im Ausnahmefall

Draußen wurde demonstriert, drinnen debattiert: am Donnerstag ging es im Kreistag um die Möglichkeiten der Unterbringung von Geflüchteten. Fazit: derzeit gibt es keine Alternative zu Sammelunterkünften. Deren Einrichtung soll aber die Ausnahme bleiben - und von der Politik kontrolliert werden.

Angesichts der extrem angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt sollte der Kreistag am Donnerstag in der Aula des Lüchower Gymnasiums einerseits beschließen, zum einen sein Verbot der Unterbringung in Sammelunterkünften aufzuheben und zum anderen der Kreisverwaltung zu genehmigen, Kaufverhandlungen mit dem Eigentümer des ehemaligen Kasernengeländes in Neu Tramm weiterzuführen. Allen Beteiligten war klar, dass dies keine endgültigen Beschlüsse werden würden, denn - so drückte es Martin Donat (SOLI) aus, es bestanden noch "gewisse Restunschärfen". Sprich: unter anderem ist die Finanzierung in keinster Weise gesichert.

Die Debatte war für Kreistagsverhältnisse ungewöhnlich ruhig. Kein Abgeordnete/r sprach sich grundsätzlich gegen Sammelunterkünfte oder gegen den womöglichen Ankauf des ehemaligen Kasernengeländes aus. Landrätin Dagmar Schulz sprach aus, was den Abgeordneten wohl eh schon klar war. "Die Alternative zu einer Sammelunterkunft wäre die Unterbringung in Turnhallen," machte Schulz deutlich. 

Wohnraum ist da - aber nicht verfügbar

"Wir haben in den vergangenen Wochen und Monaten alle Samtgemeinden und Gemeinden abgefragt, wo noch freie Wohnungen zur Verfügung stehen könnten," so Landrätin Dagmar Schulz vor dem Kreistag in der Aula des Lüchower Gymnasiums. "Aber es gibt kaum Wohnungen und bebaubare Flächen - das war auch schon schwierig, bevor die Geflüchteten ankamen."

Doch jetzt, so Schulz weiter, sieht sich der Landkreis mit zunehmenden Zuweisungen des Landes konfrontiert. "Bis September hat der Landkreis 208 Geflüchtete aufzunehmen. Und das Land hat schon angedeutet, dass die Quoten sich erhöhen werden."

(Hintergrund: Die bundesweite Verteilung der Geflüchteten erfolgt nach dem "Königsteiner Schlüssel". Dieser richtet sich zu zwei Dritteln nach dem Steueraufkommen und zu einem Drittel nach der Bevölkerungszahl)  

Niemand der Kreistagsabgeordneten zweifelte die Einschätzung der Landrätin an.  Julie Wiehler (Grüne) wies lediglich darauf hin, dass es nicht zu wenig Wohnraum gäbe, aber "zu wenig Wohnraum der zur Verfügung gestellt wird." Es gäbe viele Häuser, die schlichtweg leerstünden. Deshalb appellierte sie an alle Hauseigentümer, darüber nachzudenken, ob sie nicht doch Wohnraum vermieten könnten.

Bauchschmerzen mit Sammelunterkunft, aber ...

Alle Abgeordneten, die ihr Rederecht nutzten, äußerten "Bauchschmerzen", eine Sammelunterkunft für eine große Anzahl von Menschen einzurichten. Sie betonten, dass eine derartige zentrale Einrichtung nur übergangsweise und unter Kontrolle der Politik eingerichtet werden dürfe. Aber es wollte sich auch niemand der Verantwortung entziehen, rund 500 Waisen- und Heimkindern eine sichere Unterkunft zur Verfügung zu stellen.

Denn darum geht es wohl zunächst: rund 500 Waisen- und Heimkinder aus Mariupol, die in Polen auf die Weiterreise in eine sichere Unterkunft warten. In Gesprächen mit einer Hamburger Stiftung tauchte die Idee auf, diese Kinder und Jugendlichen nach Lüchow-Dannenberg zu holen.

Konzepte sind in Arbeit

Kooperationspartner für die Umsetzung dieses Projektes sind unter anderem die Heilpädagogischen Wohngruppen Penkefitz, deren Geschäftsführer Bernard Fathmann ebenfalls Kreistagsmitglied ist. Ein pädagogisches Konzept ist bereits in Arbeit, ebenso wie - unter anderem - Schutz-, Gesundheits-, Bildungs- und Integrationskonzepte. Neben der Klärung der Finanzierung notwendige Voraussetzungen für eine endgültige Entscheidung pro Sammelunterkunft und pro "Neu Tramm".

Zum Thema Finanzierung: Landrätin Schulz berichtete, dass das Land bereit sei, eine Kreditaufnahme zuzulassen, das Problem seien allerdings die laufenden Kosten. Hier waren sich alle Abgeordneten einig: wenn der Landkreis schon überproportional Geflüchtete aufnähme - und somit anderen Landkreisen Entlastung organisiere - müssten sich Bund und Land an der Finanzierung beteiligen.

Für den Kauf ist ein Verhandlungsbetrag 17,6 Mio Euro im Gespräch. Zusätzlich wären noch rund 1,5 Millionen Euro für Gebühren und Steuern aufzubringen. Der Landkreis kann eine derartige Kaufsumme nur durch eine Kreditaufnahme aufbringen. Die Verwaltung kalkuliert außerdem, dass der Betrieb der Gebäude (ohne dass dort jemand wohnt) jährlich 613 000 Euro kosten wird  

Letztendlich wurden die Beschlüsse des Kreistags vom 24. März bestätigt. Was bedeutet, dass weitere Kaufverhandlungen zwar genehmigt sind, dass aber Miet- oder Mietkaufoptionen nicht außer Acht gelassen werden dürfen.

Was die grundsätzliche Einrichtung von Sammelunterkünften angeht, so hält das Gremium am grundsätzlichen Gebot der dezentralen Unterbringung fest. Zeitlich begrenzt, örtlich festgelegt und nur im Ausnahmefall könne eine Sammelunterkunft gestattet werden. Über die Einrichtung habe dann der Kreisausschuss zu entscheiden.

PS: Auch über die Nachnutzung wurde gesprochen, wenn die Gebäude für Geflüchtete nicht mehr benötigt werden. Eine Idee ist es, diesen Komplex als neuen Stadtteil von Dannenberg zu entwickeln - mit modernen energetischen Standards und bezahlbarem Wohnraum.

Foto | Angelika Blank: Rund 25 Menschen protestierten vor der Schulaula gegen eine zentrale Unterbringung in Sammelunterkünften.




2022-04-08 ; von Angelika Blank (text),
in 29439 Lüchow, Deutschland

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