Thema: kreistag

Kreistag: Milde Stimmung vor dem Generationenwechsel

Die erste Kreistagssitzung nach der Wahl (und die letzte in der alten Besetzung) verlief so milde wie der Herbstanfang. In seltener Eintracht wurden fast alle Anträge ohne Diskussionen angenommen – sogar eine Resolution für die Absage des kommenden Castortransports wurde von der CDU mitgetragen – nicht ganz, doch so beinah …

 

Zwar nicht zur Entscheidung, aber zur ständigen Information auf der Tagesordnung: die Entwicklung in Sachen „Strukturreform“ bzw. Schuldenentlastung. Dazu wird derzeit ein sogenannter Zukunftsvertrag entwickelt, den der Landkreis mit dem Land Niedersachsen abschließen soll, um die vom Land in Aussicht gestellte Bedarfszuweisung wegen einer „außergewöhnlichen Lage“ in Höhe von 2,5 Mio. Euro zu erhalten. Nach dem auf der Kreistagssitzung vorgestellten Entwurf sind weitere jährliche Einsparungen von 347 000 Euro geplant.

Zu den Einsparmaßnahmen, die in der Stellungnahme der Verwaltung als „schmerzhaft“ bezeichnet wurden, gehört unter anderem, dass der jährliche Betriebskostenzuschuss in Höhe von bisher 35.000 Euro/Jahr für das Archäologische Zentrum in Hitzacker entfällt. 200.000 Euro will der Landkreis im Bereich Schülerbeförderung einsparen, indem er eine Kooperation zwischen der Regionalbus Braunschweig GmbH (RBB) und der Lüchow-Schmarsauer-Eisenbahn GmbH (LSE) befördert. Durch diese Kooperation sollen Doppelfahrten auf Parallellinien vermieden werden.

Weitere Geschwindigkeitsmessanlagen sollen dem Landkreis zusätzliche 150 000 Euro in die klammen Kassen spülen. Kleiner Nebeneffekt: Mautflüchtigen LKW-Fahrern soll die rasante Fahrt auf Landkreis-Straßen verteuert werden.

Auf der Überprüfungsliste stehen aber auch die Jugendfreizeiteinrichtung Meudelfitz, deren Defizit regelmäßig vom Landkreis aufgefangen wird sowie der Fortbestand des Seniorenservicebüros.

Die Gemeinden lehnen zusätzliche Belastungen ab

Ob der am Montag vorgestellte Vertragsentwurf unterzeichnet werden kann, ist aber zur Zeit noch unklar, denn einige Gemeinden (z.B. die Samtgemeinde Elbtalaue) wehren sich dagegen, da nach ihrer Ansicht zu viele Belastungen auf die Gemeinden abgewälzt werden. „Hier stehen noch einige Diskussionen aus“, so Erster Kreisrat Claudius Teske am Rande der Kreistagssitzung.

Im übrigen war am Rande der Sitzung zu erfahren, dass das Innenministerium inzwischen nicht nur den Abbau der Neuverschuldung fordert, sondern auch den Einstieg in die Tilgung der Schuldenlast.

Winterdienst Lüchow: Notfallversorgung gesichert?

Nicht besonders glücklich zeigte sich Baudezernent Jürgen Weinhold über die Entscheidung der Samtgemeinde Lüchow, einige Ortsverbindungsstraßen aus dem Winterdienst zu streichen. Wie Weinhold dem Kreistag erläuterte, gibt es einige Bedenken. So stellte er die Frage, wie die Schülerbeförderung organisiert werden soll, wenn für den Busverkehr wichtige Straßen nicht geräumt werden. Auch die Frage, wie Rettungs- oder Feuerwehrfahrzeuge im Notfall die aus dem Winterdienst genommenen Ortschaften erreichen sollen, trieb den Baudezernenten um. Nun soll die Samtgemeinde Lüchow dem Landkreis erklären, wie sie die Schülerbeförderung und die Notfallversorgung gewährleisten will.

Resolution: Betriebsstopp für Zwischenlager und Absage des Castortransports 2011

Zu anderen Zeiten immer wieder für stundenlange Diskussionen gut: Anträge der Gruppe X, die sich auf Gorleben beziehen. Doch nach der Kommunalwahl, die für die CDU als Megaschlappe ausging, zeigte sich diese handzahm. Die als Dringlichkeitsantrag eingebrachte Resolution der Gruppe X, wegen der festgestellten drohenden Überschreitung der Strahlungsgrenzwerte den „Einlagerungsbetrieb für Behälter mit hoch radioaktivem Atommüll“ im Zwischenlager Gorleben zu unterbrechen sowie den geplanten Castortransport 2011 abzusagen, fand ohne weitere Diskussion sogar die Zustimmung der CDU. Lediglich mit der Forderung, als Hintergrundstrahlung die „zu Beginn der Messungen in den 1990er Jahren angenommenen Werte für Gamma- und Neutronenstrahlung in Höhe von 0,048 mSv/a für Gamma- und 0,05 mSv/a für Neutronenstrahlung“ anzusetzen, konnte die CDU sich nicht anfreunden.

So kam es denn doch noch zu einem Schlagabtausch zwischen bunter Gruppe und CDU – wenn auch nicht ganz so giftig, wie sonst auf Kreistagssitzungen üblich.

Generationswechsel im Kreistag

Grund für die insgesamt eher „milde“ Stimmung auf dem Kreistag war wohl auch die Tatsache, dass für über die Hälfte der derzeitigen Abgeordneten die Montagssitzung die letzte Kreistagssitzung war, an der sie teilnehmen. „Uns steht ein erheblicher Generationenwechsel bevor“, so Landrat Jürgen Schulz in seiner Dankesrede für die ausscheidenden Kreistagsmitglieder.

Allein die CDU muss auf 13 ihrer Abgeordneten verzichten, darunter Kreistags-“Urgesteine“ wie Ulrich Flöter (seit 1981 durchgängig im Kreistag) oder Siegfried Bartling, der dem Kreistag seit 1976 ohne Unterbrechung angehörte. Im neuen Kreistag, der im November das erste Mal tagen wird, werden durch die starken Verluste, die die CDU bei der Wahl hinzunehmen hatte, lediglich sechs neue Abgeordnete sitzen.

Hier alle ausscheidenden Kreistagsmitglieder im Überblick: Siegfried Bartling (CDU), Alwin Beutler (CDU), Hermann Döscher (CDU), Ulrich Flöter (CDU), Christine Fricke (CDU), Heinrich Grote (CDU), Harald Hintzmann (CDU), Herbert Höbermann (CDU), Karl Heinz Schultz (CDU), Wilhelm von Gottberg (CDU), Werner Steinke (CDU), Klaus Wohler (CDU), Klaus Wojahn (CDU), Michael Zuther (Grüne), Holger Mertins (FDP), Norbert Schwidders (SPD), Otto Schiewe (SPD), Karin Schulz (SPD), Julia Herbst (SPD).

Karin Bertholdes-Sandrock, CDU, führte das desaströse Wahlergebnis auf die „jahrzehntelange Gorleben-Problematik“ zurück, die uns „jetzt um die Ohren geflogen ist“. Aber die Kehrtwende der Bundes-CDU in Sachen Atompolitik mochte sie nicht als Ursache für die Stimmenverluste sehen, denn schließlich habe sich die Kreis-CDU schon lange vor der Bundespartei für eine alternative Standortsuche ausgesprochen. Eine Sichtweise, die bei langjährigen Kreistagsabgeordneten aus der bunten Gruppe nur für Kopfschütteln sorgte.

Es wird spannend sein, wie sich der neue Kreistag mit einer deutlich verstärkten Mehrheit der bisherigen Gruppe X und einer stark verjüngten CDU-Fraktion darstellen wird.

Nachtrag: Von der Kreistagssitzung, an der Bundesumweltminister Norbert Röttgen teilgenommen hatte, wird es demnächst auf Beschluss des Kreistages ein detailliertes Wortprotokoll geben, da aufgrund der dauerhaften Erkrankung der zuständigen Verwaltungsmitarbeiterin das reguläre Protokoll nicht erstellt werden konnte. Somit wird demnächst wortgenau nachzulesen sein, wie der "Erfolg", den Bundesumweltminister Röttgen auf seiner GorlebenDialog-Seite verkündet, sich tatsächlich darstellte.

Foto: Angelika Blank / Auch Wilhelm von Gottberg gehört zu den 19 Kreistagsabgeordneten, die am Montag Dankesworte und ein Abschiedsgeschenk von Landrat Jürgen Schulz erhielten.




2011-09-27 ; von Angelika Blank (autor),

kreistag  

Kommentare

    Sie müssen registriert und angemeldet sein um einen Kommentar schreiben zu können