Am Montag tagte wieder einmal der Kreistag. Eigentlich sollte es eine Sondersitzung wegen aktueller Gorleben-Themen werden. Doch die bunte Gruppe zog gerade diese Anträge kurzfristig zurück. So blieb genügend Zeit, sich ausgiebig über den geplanten Elbausbau zu streiten.
Begonnen hatte der Kreistag mit einer aktuellen Stunde zur Abschiebung des Sohnes einer Roma-Familie aus Lüchow. Doch da der eigentliche politische Streitpunkt, die angebliche Abschiebung des 22-jährigen vor Abschluss seiner Härtefallprüfung sich erledigt hatte (Das Verfahren war bereits im Dezember 2009 wegen „massiver Straffälligkeit“ nicht angenommen worden), wies Martina Lammers/Grüne noch einmal auf die Situation der Roma im Kosovo hin und forderte die Kreisverwaltung erneut auf, keine Abschiebungen in den Kosovo mehr zu veranlassen.
In der Bürgerfragestunde wollte eine Einwohnerin wissen, was denn der Kreisverwaltung passieren würde, wenn die Ausländerbehörde einer Anweisung des Innenministeriums nicht folgt. Landrat Jürgen Schulz dazu: „In mehreren Fällen hat das Land Disziplinarverfahren gegen Sachbearbeiter der Ausländerbehörde angestrengt. Außerdem können dem Landkreis im Falle einer Nicht-Abschiebung gegen den Willen des Landes – zumindest teilweise – die Kosten für die weiteren Sozialhilfekosten auferlegt werden. Schlimmstenfalls haftet sogar die Verwaltungsspitze persönlich für diese Kosten.
Obwohl die erforderliche 2/3-Mehrheit für einen Dringlichkeitsantrag auf Einladung eines Vertreters des Niedersächsischen Flüchtlingsrates zum Kreistag nicht zu Stande kam, erhielt doch ein Vertreter des Flüchtlingsrates in einer Sitzungsunterbrechung Gelegenheit, die Situation für Roma im Kosovo darzustellen. Im Großen und Ganzen wiederholte er die Einschätzung, die schon im Dezember 2009 sein Kollege Kai Weber in Lüchow abgegeben hatte. Wnet berichtete hier.
Optionskommune ja oder nein?
Wie bekannt hatte das Bundesverfassungsgericht letztlich die Einrichtung von Jobcentern als verfassungswidrig kritisiert. Der Landkreis Lüchow-Dannenberg ist zwar von diesem Urteil nicht direkt betroffen, da hier Landkreis und Agentur für Arbeit Hartz-IV-Empfänger getrennt verwalten, aber im Zuge der Neu-Organisation wird dieses Modell nicht mehr zugelassen werden.
Der Landkreis muss sich also bis Ende des Jahres entscheiden, in welcher Form die Hartz-IV-Empfänger hierzulande verwaltet werden. Hierzu stellte die Kreisverwaltung die zwei möglichen Varianten vor. Ein Stimmungsbild der Kreistagsabgeordneten sollte der Verwaltung anzeigen, welches Organisationsmodell sie weiter verfolgen sollen.
Bei der „Optionskommune“ würde der Landkreis vollständig Antragstellung, Bewilligung und Betreuung der Hartz-IV-Empfänger in allen Bereichen übernehmen. Dazu müsste er allerdings zusätzlich ca. 50 Stellen einrichten. Die Kosten hierfür würden vollständig vom Bund übernommen – für den Landkreis soll die Einrichtung der „Optionskommune“ nach bisherigen Informationen unter dem Strich kostenneutral sein. Allerdings will der Bund nach Informationen der Kreisverwaltung bundesweit nur 110 Kommunen gestatten, sich als Optionskommune zu organisieren.
In seiner Vorstellung sah Landrat Jürgen Schulz deutliche Vorteile für die Hartz-IV-Empfänger, die bei diesem Modell endlich wieder feste Ansprechpartner hätten, die auch telefonisch direkt zu erreichen wären, was derzeit bei der Agentur für Arbeit nicht gegeben ist. Außerdem hätte der Landkreis die Möglichkeit, eigene regionale Schwerpunkte zu setzen, ohne sie mit der Agentur für Arbeit absprechen zu müssen.
Alternative wäre eine gemeinsame Einrichtung von Landkreis und Agentur für Arbeit, ähnlich der früheren „ARGE“. Sie ist eine „verselbständigte Organisationseinheit mit eigenem Geschäftsführer, in die die Träger ihre Mitarbeiter entsenden. In der Trägerversammlung besäße der Landkreis 50 % der Stimmrechte. Auch hier sollten sich nach ersten Berechnungen Kosten und Ausgaben decken, da der Bund die Kosten übernehmen würde.
Doch da noch nicht bekannt ist, wie die konkreten Regelungen tatsächlich sein werden – das Gesetzgebungsverfahren hierzu soll am 09.07.2010 abgeschlossen sein – sahen sich die Kreistagsabgeordneten nicht in der Lage, konkrete Positionen abzugeben.
In allen Fraktionen herrschte allgemein Skepsis über die Einrichtung einer Optionskommune. Klaus-Peter Dehde machte sich Sorgen darum, dass das Land womöglich ca. 50 zusätzliche Stellen monieren könne. „Und was ist, wenn das Modell nach 3 Jahren nicht mehr finanziert wird? Dann sitzen wir auf 50 Stellen, die wir selber finanzieren müssen“, war die Sorge des SPD-Sprechers.
Die CDU sprach sich grundsätzlich für das Modell der Optionskommune aus, „es müssen auf jeden Fall eine gemeinsame Lösung gefunden werden“, so ihr Sprecher Klaus Wohler. Doch auch diese Fraktion mochte sich noch nicht eindeutig äußern, ohne Genaueres über die längerfristigen Konsequenzen zu wissen. Ähnlich äußerten sich auch die anderen Fraktionen.
Da ein Antrag auf Bewilligung als „Optionskommune“ bis 31.12.2010 fertig gestellt sein muss, beschlossen die Kreistagsabgeordneten, sich nach den Sommerferien in einem sogenannten Findungstreffen von fachkundigen Referenten (Agentur für Arbeit, Vertretern schon eingerichteter Optionskommunen …) genauer informieren zu lassen.
Gorleben-Themen vertagt
Sämtliche Anträge zum Themenkomplex Gorleben wurden von der Gruppe X kurz vor Aufruf der Tagesordnungspunkte zurück gezogen. Die Gründe für den Rückzug wurden in der Sitzung nicht klar. Die Gruppe X hatte allerdings am Montag Mehrheitsprobleme, da einige Kreistagsabgeordnete nicht zur Sitzung hatten kommen können. …
Heißer Streit um Elbausbau
War es die gewonnene Zeit durch den Rückzug der Gorleben-Anträge? Oder die langsam näher rückende Kommunal-Wahl? Es wurde nicht wirklich deutlich, was die Kreistags-Abgeordneten trieb, sich in Sachen „Elbausbau“ über zwei Stunden lang in eine emotional aufgeladene Diskussion zu verbeißen, die letztendlich in der Ablehnung der von der GLW eingereichten Resolution gegen den Elbausbau auf eine durchgängige Fahrwassertiefe von 1,60 m gipfelte.
Selbst die Dauer der Anwesenheit von Karin Bertholdes-Sandrock auf der Diskussion am Elbekirchentag (Link) waren Auslöser für heftige Anwürfe. „Das nehmen Sie zurück“, „Lügner“ oder andere wütende Proteste beherrschten die Auseinandersetzung. Mehrfach musste Versammlungsleiter Holger Mertins zur Ordnung rufen, mal nach links (Gruppe X) mal nach rechts (CDU) gerichtet.
Letztendlich fragte man sich, worum es eigentlich ging, denn erstens kann der Kreistag gar nicht über Bundesangelegenheiten entscheiden und zweitens gibt es derzeit keine konkrete Planungen, die sogenannte Reststrecke zwischen Dömitz und Hitzacker auszubauen.
Auch blieb unklar, warum die GLW in ihren Resolutionsantrag nicht die von einer Arbeitsgruppe entwickelten Forderungskatalog aufnahm, der in Hitzacker auf dem Elbekirchentag vorgestellt worden war.
Immerhin hatte sich eine Podiumsdiskussion am Sonntag während des Elbekirchentages bereits ausführlich mit dem Thema beschäftigt. Von mehreren Mitgliedern der Gruppe X wurden denn auch immer wieder Zitate von Kirchen- bzw. BUND-Vertretern aus der Veranstaltung eingeworfen. Bemerkenswert hier die Ablehnung Wilhelm von Gottbergs (CDU), die Kirche als Argumentation zu benutzen. „Die Kirche sollte sich aus politischen Angelegenheiten heraushalten“, so von Gottbergs Meinung zur deutlichen Einmischung in das Elbe-Thema.
Foto: Angelika Blank / Tiefe Resignation bis hin zur Verzweiflung herrschte am Pressetisch ob der - freundlich ausgedrückt - nicht sehr qualifiziert geführten Diskussionen auf dem Kreistag am Montag.
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