30 Jahre deutsche Einheit - alles in Butter? Offenbar
wohl nicht! Denn der Jahresbericht der Bundesregierung zur Deutschen
Einheit attestiert zwar eine steigende Wirtschaftsleistung in den
Ostländern, gleichzeitig weist er aber
auch nach wie vor einen deutlichen Rückstand zum Westen aus. Verfügbare
Jahreseinkommen der Menschen in den Ostländern sind deutlich hinter
denen des Westens zurück.
Der Beauftragte der Bundesregierung bescheinigt im Osten einen starken Hang zum Rechtsextremismus. Er sieht darin demokratiegefährdende Tendenzen. Damit sind die Phantasten eindeutig widerlegt, die damals mit der Wende und Wiedervereinigung in drei Jahren blühende Felder im Osten sahen. Skeptiker warnten schon damals, dass das Zusammenwachsen genauso lange andauern wird, wie die Teilung währte – also 40 Jahre!
Woran liegt´s, dass wir uns so schwer tun, wieder ein Volk zu werden? Waren die Schmähungen und Herabwürdigungen der Besserwessis damals zu groß, um zu verzeihen und sich die Hand zu reichen? War der Grundsatz „Go East – und füll´ Dir die Taschen“ einfach zu würdelos, um zusammen zu finden?
Ich habe oft den Eindruck, dass es uns Deutschen an einem breiten Grundkonsenz in der Gesamtgesellschaft fehlt, wie wir miteinander leben wollen und was uns allen gemeinsam wichtig ist! Die skandinavischen Länder scheinen mir da ein gutes Vorbild zu sein.
Aber fangen wir bei mir selbst an. In meinem Dienstzimmer im Lüchower Kreishaus hängen einige Bilder, die jedes für sich symbolisch stehen für die Dinge, die mir in unserem Land wichtig sind. Das erste Symbol besteht aus zwei Bildern. Eines ist weltbekannt geworden, es zeigt in schwarz / weiß den jungen Polizisten Conrad Schumann der Volkspolizei – Bereitschaften bei seinem beherzten Sprung über den Stacheldraht 1961. Das zweite Bild zeigt im November 1989 fröhlich feiernde Menschen auf der Mauer vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Beide stehen für mich als Symbol für Frieden und Freiheit!
Das nächste Bild zeigt das Reichstagsgebäude in Berlin mit schwarz-rot-goldener Flagge davor – also unseren heutigen Deutschen Bundestag. Dieses Bild steht für mich für Demokratie und Rechtstaatlichkeit.
Das nächste Bild ist ein schönes Poster, das das Innere der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar zeigt. Für mich ein Symbol für unsere Bildung und Wissenschaft.
Und das letzte Bild ist ein Poster in Originalgröße der „Berliner Straßenszene“ des Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner. Es steht für mich für die reichhaltige Kultur in unserem Lande!
Wenn
wir uns den damaligen Skeptikern anschließen, dann hätten wir jetzt
noch 10 Jahre, um wirklich wieder eins zu werden. Beginnen wir also in
gesamter Gesellschaft damit, in breitem
Konsens die Dinge zu definieren, die uns allen gemeinsam für unser
Zusammenleben in unserem schönen Land wichtig sind und an die wir uns
alle halten wollen.
Wenn wir dann zu meinen genannten Symbolen noch
Würde, Toleranz und Respekt voreinander hinzu geben,
dann ist mir nicht bange, dass wir es noch schaffen, nach der deutschen
Teilung mit den vielen unterschiedlichen gesellschaftlichen
Entwicklungen hüben wie drüben wieder eine staatliche Gemeinschaft zu
werden.
Und an dieser Stelle fällt es uns nun wie Schuppen von den Augen: das alles steht bereits in unserem Grundgesetz! – nur haben wir es offenbar mit der Wende und Deutschen Einheit versäumt, uns die Werte und Normen des Grundgesetzes zusammen mit den Schwestern und Brüdern aus der ehemaligen DDR erneut zu erarbeiten. Und offenbar nehmen wir alle uns dieses Grundgesetz viel zu selten zur Hand um uns seiner wunderbaren Inhalte zu erinnern und danach zu leben!
In diesem Sinne wünsche ich allen Menschen in Ost und West einen nachdenklichen schönen Feiertag der Deutschen Einheit!
Ihr Landrat Jürgen Schulz
Übrigens: Im vergangenen Jahr organisierte das Zollmuseum in Hitzacker eine interessante Plakatausstellung zum Thema "Angekommen - angenommen".