Seit Freitag gibt es in Gorleben ein privates Museum der Nutzpflanzen. Wer sich für Geschichte, Soziologie oder den Zusammenhang mit der Weltgeschichte interessiert, ist bei Professor Lieberei genau richtig.
Prof. Reinhard Lieberei ist Professor für angewandte Biologie. Jahrezehntelang hat er sich am Biozentrum Klein Flottbek (Universität Hamburg) in der Abteilung Angewandte Pflanzenökologie und Biodiversität der Nutzpflanzen vielen Facetten international genutzter Pflanzen beschäftigt. Mit seinen gesammelten Schätzen hat er nun in Gorleben ein Nutzpflanzenmuseum eröffnet. Am Wochenende gab es Gelegenheit, schon einmal einen Blick hinein zu werfen. Offiziell eröffnet das Museum im Februar.
Als er in Rente ging, stand Professor Lieberei vor dem Problem, seine unzähligen Sammelstücke sinnvoll unterzubringen. Da sein Interesse an den Nutzpflanzen längst noch nicht erlahmt ist, kam er auf die Idee, in Gorleben, seinem neuen Wohnort, ein privates Museum einzurichten.
Doch es ist nicht nur die pure Sammelleidenschaft, die Lieberei antreibt, ein Museum zu betreiben. "Nutzpflanzen finden sich überall in unserem Alltag," so Lieberei. "Doch kaum jemand kennt die Herkunft, die spezifischen Bedingungen des Anbaus oder die oft eng mit der Weltpolitik verknüpften Zusammenhänge." Weswegen Lieberei auch gerne Auskunft gibt über Anbau, Soziologie, Machtpolitik oder Ernährungsbedeutung der Pflanzen von internationaler Herkunft.
Ob Kaffee, Kakao, Tee, Grundnahrungsmittel wie Hirse, Mais oder anderes Getreide - im Zusammenhang mit Nutzpflanzen ist das Wissen von Prof. Lieberei nahezu unerschöpflich.
Genussmittel und Gewürze als Gegenstände der Weltpolitik
Was heute, Erdöl, Gas und seltene Erden sind, waren zu frühen Zeiten Gewürze und Genussmittel. Große Kriege entstanden z.B. wegen der Muskatnuss, die im 16. Jahrhundert geradezu Goldwert hatte. Briten, Spanier, Portugiesen und Niederländer bekriegten sich wegen der Frucht. Wer die Macht hatte, verhinderte den Export von anbaufähigen Samen in Länder, die von anderen Nationen beherrscht wurden. Wie zum Beispiel die Holländer, die als Kolonialmacht der Gewürzinseln bei Neuguinea die braunen Früchte mit Kalk überzogen, damit die Fruchtbarkeit verhindert wird. Oder die Franzosen, die den Export von Vanille aus ihren Machtbereichen stoppten.
Ganze einheimische Völker wurden ermordet oder versklavt, um die Gewinne, die die wertvollen Früchte einbrachten, selber behalten zu können.
Dies sind nur einige wenige Beispiele der Bezüge zwischen Gewürzen und der Weltpolitik, von den Lieberei noch viel mehr erzählen kann.
Und auch skurrile Werbemittel konnte Lieberei einsammeln - wie z.B. den berühmten Sarottimohr oder handgemalte Plakate, Werbeschilder oder Verkaufsdisplays.
Wer glaubt, er könnte "mal eben" ins Nutzpflanzen-Museum hineinschauen, der irrt. Die Fülle der Sammlerstücke aus den verschiedensten Bereichen, gepaart mit der Erzähllust von Prof. Lieberei, macht den Besuch zu einem Nachmittagfüllenden Erlebnis. Danach wird der Besucher um einige Erkenntnisse reicher nach Hause gehen.