Schon der Auftritt Lutz Görners im Lüchower Gymnasium endete im November in einem Eklat: Görner begann die Vorstellung gar nicht erst, da Plätze in der ersten Reihe unbesetzt geblieben waren. Nun trat die "lyrische Stimme Deutschlands" noch einmal nach. In seinem Rundbrief bezeichnete er das Wendland als "schmierigen Löffel", in dem er nie mehr auftreten werde.
Wochenlang hatten sich die Lüchower Gymnasiasten auf den Görner-Auftritt vorbereitet, Schiller gelesen und wollten sich im November von Lutz Görner Schiller noch näher bringen lassen.
Doch die rüden Worte und Beschimpfungen der "literarischen Stimme Deutschlands" á la "Ich hau Dir gleich ins Fresse ..." hatten mit Hochkultur nichts zu tun. Nachdem die Schüler sich nicht trauten, verbliebene leere Plätze in der ersten Reihe zu besetzen, brach der Rezitator seine Vorstellung (die noch nicht einmal begonnen hatte) kurzerhand ab und packte seine Sachen wieder ein. Schon dieser Vorfall erregte die Gemüter des Publikums sehr, zumal Görner seinen Abbruch in keinster Weise entschuldigte und mit Beleidigungen nur so um sich warf.
Nun erschien zum Jahreswechsel Görners Rundbrief, den er nach eigenem Bekunden an rund 16 000 Görner-Fans verschickt. Darin findet der Auftritt im Wendland noch einmal unrühmliche Erwähnung: "Das alte Jahr 2010 war mir ein angenehmes. Fünfundfünfzigmal habe ich mit Stefan Sell auf der Schiller-Bühne gestanden. Da waren richtig starke Erlebnisse dabei: die beiden Benefiz-Auftritte für die Obdachlosenzeitung "Hinz und Kunzt" in der Kulturkirche Hamburg-Altona gehören (neben anderen) dazu. Oder die Kritik des Countertenors und Gesangslehrers, der in der Lage war, mein "Instrument", meine Stimme einzuordnen. ... Wo Licht ist, ist auch Schatten, heißt es, und so gibt es ein negatives Erlebnis, das für mich aber zum positiven wurde. Denn ein abgebrochener Auftritt im Wendland führte zu dem heiligen Schwur, den mir meine Frau schon seit einiger Zeit vergeblich abzunehmen versuchte, nie mehr in einem, wie ich es nenne, "schmierigen Löffel" aufzutreten. Nie mehr irgendwo zu gastieren, wo Ort und Umstände meine Kunst beschädigen." (Originalauszug aus dem Newsletter).
Vielleicht sollte es das Wendland machen wie das Gourmetrestaurant "Schmieriger Löffel" in Bremervörde. Dort hat man das englische Schimpfwort für Fast Food Restaurants mit überwiegend fettigem Angebot wie gebratene Eier, Speck, Würste oder gebackene Bohnen zum Qualitätsbegriff erhoben.
Nun konnte sich Lutz Görner bei seinem ultrakurzen Aufenthalt im Wendland ja kaum einen Eindruck der wendländischen Gastronomie verschaffen, weswegen der Grund für die Zuordnung "schmieriger Löffel" im Dunkeln bleibt. Anfragen in diese Richtung blieben unbeantwortet.
So bleibt uns nur, den Schiller-Rezitator an die Worte seines Lieblings-Literaten zu erinnern, der in seinem Werk immer wieder die Unabhängigkeit des Denkens propagierte:
"Sie wissen von allem zu sagen,
Und wo was reizet, und wo was gefällt,
Man kann es bei ihnen erfragen;
Man dächte, hört man sie reden laut,
Sie hätten wirklich erobert die Braut.
Doch gehn sie aus der Welt ganz still,
Ihr Leben war verloren.
Wer etwas Treffliches leisten will,
Hätt' gern was Großes geboren,
Der sammle still und unerschlafft
Im kleinsten Punkte die höchste Kraft."
(Friedrich Schiller / Breite und Tiefe)