Am Samstag startet in den Künstlerischen Werkstätten in Trebel wieder
eine Graphic Novel-Ausstellung. Dieses Mal haben sich die Kuratoren den Zeichner
Marc-Antoine Mathieu ausgesucht, der mit seinen sprühenden Ideen die Möglichkeiten des Mediums konsequent erweitert.
Nach Ansicht von Thomas von Steinaecker, Journalist und Comic-Kenner, ist der Franzose Marc-Antoine Mathieu der große Innovator unter den Comiczeichnern. "Wo die allermeisten Künstler schon zufrieden sind, wenn ihr Plot funktioniert oder ihre Zeichnungen gelungen sind oder im besten Fall Geschichte und Bilder zu einer Einheit verschmelzen, da fängt Mathieu erst an," so Steinaecker. "Was Mathieus Werk so außergewöhnlich macht, ist, dass diese spektakulären Gimmicks nie Selbstzweck, sondern mit der philosophischen Fragestellung nach den Grundfesten von Identität und Realität verbunden sind. Ohne Zweifel hat Mathieu seinen Borges und natürlich auch Kafka gelesen; vor allem jedoch hat er die surrealistischen Maler, allen voran M.C. Escher und seine kniffligen perspektivischen Verschränkungen genau studiert.
Nicht
zufällig spielt auch in Mathieus neuestem Werk das Motiv des
Spiegels eine zentrale Rolle. Otto der Protagonist mit dem Palindrom
Kafkas als Nachname, ist ein erfolgreicher Performancekünstler, dessen Aktionen
von der Presse als „Spiegelecho“ oder „Seelenspiegel“
bezeichnet werden.
Ottos Eltern, von denen er sich schon lange entfremdet hatte, sind gemeinsam aus dem Leben
geschieden und haben ihm eine Truhe hinterlassen, mit der es eine besondere Bewandtnis hat.
Bis er sieben war, nahmen sie an einem Experiment teil, für das sie jedes, selbst das kleinste Detail aus dem Leben ihres Sohnes auf Fotos, Videos, Tonaufnahmen und in Tagebucheinträgen dokumentierten.
Otto, dem jede Erinnerung an diese Zeit fehlt, erforscht nun den Inhalt der Truhe, in dem er
jenen Sinn des Lebens wieder zu finden hofft, der ihm abhanden gekommen ist. Bald gleicht sein
Studio einem Profiling Room für sein eigenes Selbst und er vergisst die Welt um sich – oder, wie es im Comic heißt: »Die Vergangenheit weitete sich immer mehr aus. Otto schwand in der Gegenwart dahin wie ein ausgetrockneter See, der nach und nach die Schichten seiner Existenz freilegte.«
Die Ausstellung der Graphic Novel beginnt am Samstag, dem 11. August um 18.00 Uhr mit einer Einführung von Thomas von Steinaecker in den Künstlerischen Werkstätten Ernst von Hopffgartens (Hauptstraße 3).
Danach ist die Ausstellung bis zum 26. August jeweils Freitag, Samstag und Sonntag von 16 bis 18 Uhr geöffnet.
Grafik | Marc-Antoine Mathieu: Ein Blatt aus der Graphic Novel "Otto". Bildunterschrift: "Die Jahre vergingen. Die Vergangenheit weitete sich immer mehr aus. Sein Alltag beschränkte sich auf das Nötigste, das er zum Leben brauchte. Otto schwand in der Gegenwart dahin wie ein austrocknender See, der nach und nach die Schichten seiner Existenz freilegt."