Früher war "Herbsthausen" für Generationen von Zimmerleuten und TischerInnen ein Platz zum Lernen, Arbeiten und Wohnen. Nun soll das historische Gelände in Gartow mit neuem Leben erfüllt werden. Camillo und Thomas Ritter wollen dort eine "kulturelle Oase" schaffen.
Anfang der Woche stellten die Künstler Camillo und Thomas Ritter dem Gemeinderat Gartow ihr Projekt zum Um- und Ausbau des ehemaligen Sägewerks vor. Sie wollen auf dem 2,5 Hektar großen Gelände mit mehreren Werkstatthallen und Wohngebäuden ein "ambitioniertes Kultur-Cluster", wie sie selber sagen, aufbauen. Für die Finanzierung des rund 600 000 Euro teuren Projekts beantragten sie beim Gemeinderat 30 000 Euro als Teilbetrag zur Gesamtfinanzierung. Beantragt sind auch Mittel aus der Denkmalpflege sowie aus dem EU-Programm LEADER. Einen sechsstelligen Betrag wollen Ritters aus eigenen Mitteln beisteuern.
Zu den Plänen gehört unter anderem der Umbau von Werkstatt und Tischlerei zu hochwertig ausgestatteten künstlerischen Werkstättten für verschiedene Gewerke wie Weberei, Keramik oder Druck. Nach dem Modell von Coworkingspaces können sie von Kreativschaffenden genutzt werden. In der 400 qm großen Abbundhalle soll ein Saal für Kunstausstellungen und Konzerte sowie anderen Veranstaltungen entstehen.
Des Weiteren soll es eine (Kunst)Akademie geben - mit Ateliers und Räumen für Workshops und Seminare. Und nicht zuletzt ist ein Restaurant in der ehemaligen Maschinenhalle geplant.
"Herbsthausen soll eine kulturelle Oase mit überregionaler Strahlkraft werden," sagen Camillo und Thomas Ritter. "Junge und internationale Kunst trifft auf Lokalgeschichte und
altes lebendiges Handwerk". Dass die beiden in der Lage sind, diesem hohen Anspruch gerecht zu werden, haben sie bereits mehrfach mit ihren Ausstellungen und Projekten in ihrem Kulturort "Tangente" bewiesen.
Neben mehreren Ausstellungen in den vergangenen Jahren, hatten die "Ritters" kürzlich zum zweiten Mal ein internationales Art Camp organisiert. Dieses Mal waren es KünstlerInnen aus Belarus, Ukraine, Deutschland und Serbien, die sich an dem Camp beteiligt und gemeinsam die Ausstellung "suit/case" vorbereitet hatten.
Die "Tangente" ist ein Ort des künstlerischen Schaffens und Austauschs. Dieser Ansatz soll in "Herbsthausen" noch vertieft und erweitert werden. Und auch Regionalgeschichte soll ihren Platz finden: im "Sägewerksmuseum", einem Ausstellungsraum, soll Interessantes zur Geschichte des Wendlandes, Gartows und des Sägewerks präsentiert werden. Nicht ohne Grund: das Sägewerk wurde bereits 1868 errichtet, steht heute unter Denkmalschutz und ist ein wichtiger Teil Gartower Geschichte.
Kreativität hat hier Tradition
Mit der Wiederbelebung des Gebäudekomplexes knüpfen die Ritters an eine Tradition an, die in "Herbsthausen" jahrzehntelang gelebt wurde: Kreatives Lernen, Wohnen, Arbeiten - alles an einem Ort. Generationen
Tischler und Zimmerleute begannen dort ihre berufliche Laufbahn.
Detlev Duske war einer der jungen Zimmerleute, die dort lernten und arbeiteten. Wenn er heute aufgefordert wird, über seine Ausbildungszeit in
„Herbsthausen“ zu erzählen, beginnen seine Augen zu leuchten. „Es war
schon eine außergewöhnlich bunte Zeit, die wir hier als Lehrlinge
verbringen konnten,“ erzählte Duske wendland-net 2012 in einem Video zum Sägewerk . "Es war ein Ort wo man kreativ sein konnte, ein Ort des Schaffens". In den 80er Jahren haben die Gesellen es "Herbsthausen" getauft - nach dem damaligen Inhaber des Unternehmens Günther Herbst.
Kreativität soll nun auch im neuen "Herbsthausen" ganz vorne stehen. Und Kunst, Begegnung, Austausch und Genusserleben dem Ort Gartow neue Attraktivität verleihen. Die Abgeordneten des Gemeinderats waren von dem Projekt sehr angetan und bewilligten einstimmig die beantragte Summe. Die einzige Sorge: dass das neue "Herbsthausen" nicht zustande kommt.
Grafik (C. und T. Ritter): Camillo und Thomas Ritter wollen "Herbsthausen" zu einem kreativen Zentrum mit Genussfaktor machen