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Pistorius: Kriterien für politisch motivierte Kriminalität überprüfen

Am Montag stellte Innenminister Boris Pistorius die Kriminalitätsstatistik für den politischen Bereich vor. Ergebnis: die Anzahl der "politisch motivierten Kriminalität" ist in Niedersachsen um 32,4 % gestiegen. Aber: die meisten dieser Straftaten hingen mit drei Anlässen zusammen.

Insgesamt waren es 3340 Delikte, die nach den derzeit noch gültigen Kriterien als "politisch motivierte Kriminalität" (PML) gelten - eine Steigerungsrate von 32,4 % gegenüber dem Vorjahr. Noch höher waren diese Zahlen zuletzt im Jahre 2011 - das Jahr in dem der bisher letzte Castortransport lief.

Innenminister Pistorius wies bei der Vorstellung der Statistik darauf hin, dass die meisten dieser "Straftaten" in Zusammenhang mit drei Anlässen standen: 1. Die Bundestagswahl (329 Delikte), 2. die niedersächsischen Landtagswahl (109 Delikte) sowie 3. die Ereignisse in Zusammenhang mit dem sogenannten Trauermarsch der rechten Szene in Bad Nenndorf (661 Delikte). Allein im Zusammenhang mit diesen drei Anlässen wurden nach Aussagen von Pistorius im Jahr 2013 insgesamt 1099 "PMK-relevante" Straftaten registriert.

"Den großen Schwerpunkt der als politisch motivierten Straftaten registrierten Fälle bildeten dabei insbesondere die klassischen Sitzblockaden des bürgerlichen Spektrums in Bad Nenndorf," so Pistorius. "Annähernd 90 % dieser Delikte sind mittlerweile gemäß §§ 153, 153a StPO und § 45 JGG (Jugendgerichtsgesetz) eingestellt worden."

Der Minister weiter: „Plakativ gesprochen hätten wir ohne die immensen Fallzahlen bei der Sitzblockade in Bad Nenndorf, die fast alle eingestellt wurden, eine völlig andere Statistik mit knapp 20 Prozent weniger Gesamtfallzahlen als die heute präsentierten 3340 Fälle." Angesichts dieser Zahlen kündigt Pistorius an, sich bei der Frühjahrs-IMK für eine grundlegende Überarbeitung der Kriterien einsetzen.

Insofern unterstützt der Minister die gleichlautende Forderung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum NSU Komplex. Pistorius sagt: „Die vorliegenden Ergebnisse zeigen eindrucksvoll, dass wir eine neue Definition von PMK brauchen. Die wirklich bedrohliche politisch motivierte Kriminalität darf nicht verwässert und im schlimmsten Fall unentdeckt bleiben, weil sie in einen Topf mit singulär auftretendem bürgerlichen Protest geworfen wird."

Außerdem kündigt der Innenminister an, die Polizei hinsichtlich der Erfassung von PMK fortwährend zu sensibilisieren. In diesem Zuge werden auch die Dienstanweisungen und weitere Fortbildungsmöglichkeiten überprüft. Die Grundlage für die Erfassung der Straftaten ist der bundeseinheitliche "Kriminalpolizeiliche Meldedienst der politisch motivierten Kriminalität". Darin ist seit 2001 definiert, wie diese Delikte von der Polizei in allen Bundesländern erfasst und klassifiziert werden müssen.

Auch bundesweit sind die Gesamtfallzahlen der PMK angestiegen. Das hängt genau so wie in Niedersachsen mit den Bundestags- und verschiedenen Landtagswahlen sowie diversen versammlungsrechtlichen Ereignissen in Hamburg, Berlin und Frankfurt zusammen. In den einzelnen Phänomenbereichen gab es in Niedersachsen 2013 unterschiedliche Entwicklungen: Die meisten politisch motivierten Delikte stammen, wie bereits in den letzten Jahren, aus dem Phänomenbereich "Rechts". Mit 1372 Taten (42 % aller PMK Delikte) geht die Tendenz im Zehnjahresvergleich allerdings weiter zurück. 2013 sind die Fallzahlen im Bereich "Recht" sogar auf den tiefsten Stand der letzten 10 Jahre gefallen.

Zu dieser erfreulichen niedersächsischen Entwicklung ist ein deutlicher Unterschied zur bundesweiten Entwicklung festzuhalten. In den vergangenen zehn Jahren sind die Fallzahlen PMK "Rechts" im Bundesgebiet kontinuierlich angestiegen. Die genaue Fallzahl für 2013 wurde noch nicht veröffentlicht, von 2003 bis 2012 gab es bundesweit eine Zunahme der PMK "Rechts" um ca. 52,4 %.

In Niedersachsen ist im aktuellen 10-Jahres-Zeitraum bis 2013 dagegen die Straftatenanzahl von 1443 auf 1372 Delikte, also um 4,9 % zurückgegangenen. Eine wesentliche Ursache für das erfolgreiche niedersächsische Vorgehen gegen rechts motivierte Kriminalität liegt laut Pistorius auch in der konsequenten Umsetzung der schon seit 2001 angewandten „Rahmenkonzeption zur Intensivierung der Bekämpfung von Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und sonstiger Politisch motivierter Kriminalität -Rechts".

"Dazu gehört etwa, dass rechte Veranstaltungen und andere Aktionen mit allen zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten möglichst frühzeitig und nachhaltig unterbunden werden," so der Innenminister. "Gegen rechte Straftaten wird außerdem offensiv und flächendeckend vorgegangen."

Im Phänomenbereich "Links" waren demgegenüber 2013 insgesamt 984 Taten und damit eine Steigerung der Fallzahlen um 51,4 % festzustellen. Die Zunahme des Straftatenaufkommens um 334 Delikte ist entsprechend der Gesamtentwicklung mit den besonderen Anlässen in Niedersachsen (siehe oben) im Jahr 2013 zu erklären.

Im Bereich der sog. "Politisch motivierten Ausländerkriminalität" bewegen sich die Zahlen weiter auf sehr niedrigem Niveau. Es handelt sich dabei hauptsächlich um Verstöße gegen das Vereinsgesetz durch Anhänger der „Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK). Zu diesem Bereich würden auch terroristische Straftaten aus dem Bereich des islamistischen Terrorismus gehören, so Pistorius. 2012 gab es noch zwei als terroristisch eingestufte Verfahren: ein Verfahren gemäß § 129 a,b StGB gegen ein Führungskader der ausländischen terroristischen Vereinigung PKK - ein Verfahren gemäß § 89b StGB - Aufnahme von Beziehungen zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Hier stand der Beschuldigte im Verdacht, aus Deutschland ausgereist zu sein, um im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet in ein Ausbildungslager für Jihadisten zu reise. 2013 wurde keine als terroristisch eingestufte Straftat gemeldet.

Foto / Karin Behr ... publixviewing: Auch Kletterblockaden (hier beim Tschernobyl-Jahrestag in Brokdorf) werden nach den geltenden Kriterien zum Teil noch als politisch motivierte Straftaten gewertet.



2014-04-28 ; von pm (autor), asb (autor),
in Hannover

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