Während Grüne und Vertreter von Widerstandsgruppen in Gorleben über den weiteren Atom-Widerstand diskutierten, blockierten rund 80 Gorleben-Gegner die Zufahrt der Polizei in Lüchow. Hintergrund: Fünf Widerständler waren zu erkennungsdienstlichen Maßnahmen vorgeladen worden, obwohl gegen die meisten von ihnen keinerlei Ermittlungsverfahren laufen.
Wie die Bürgerinitiative am Montag Morgen mitteilte, hatten mindestens fünf Atomkraftgegner, darunter ein Vorstandsmitglied der Bürgerinitiative, Ende September Post von der Polizeiinspektion Lüneburg/Lüchow erhalten. Die beinahe gleichlautenden Schreiben enthielten kurzfristige Vorladungen zu sogenannten "erkennungsdienstlichen Maßnahmen". Die fünf Betroffenen sollen sich in der ersten Oktoberwoche in der Polizeikaserne Lüchow einfinden, um Finger- und Handkantenabdrücke abzugeben sowie sich im Portrait und im Detail „zum Vermessen von Tätowierungen und anderen Körpermerkmalen wie z.B. Narben“ fotografieren lassen.
Die Polizei ordnete zusätzlich den sofortigen Vollzug und damit die unmittelbare Zwangsvollstreckung dieser Maßnahme an. "Wer sich nicht freiwillig rundum vermessen lässt, wird mit Gewalt von der Polizei mitgenommen" schreibt der Ermittlungsausschuss.
Die Vorladung wurde nach Informationen der BI mit Daten aus polizeilichen Maßnahmen begründet. Mit der Ausnahme eines noch laufenden Ermittlungsverfahrens waren die Anschuldigungen wegen vermeintlicher Straftaten von der Staatsanwaltschaft bzw. vom Gericht längst eingestellt worden. "Keiner der Vorgeladenen ist je rechtskräftig verurteilt worden", so die BI. "Trotzdem behauptet die Polizei, dass „aus kriminalistischer Sicht von einer großen Rückfallwahrscheinlichkeit auszugehen ist. Das nennen wir Vorverurteilung und Kriminalisierung", konstatiert BI Sprecher Wolfgang Ehmke.
Der Ermittlungsausschuss Wendland und die betroffenen Atomkraftgegner/innen kündigen juristischen Widerstand gegen diese Form polizeilicher Einschüchterung an. Die Bescheide werden beklagt. "Wir gehen davon aus, dass die Polizei zum wiederholten Mal in ihre Schranken verwiesen wird", ist sich die BI sicher.
„Hier liegt ein klassischer Rückfall in notorische Unbelehrbarkeit seitens eines offensichtlich mit rechtsstaatlichen Standards überforderten Polizeiapparates vor“, so ein Sprecher des EA Wendland. „Keine Person wurde verurteilt, aber für die Polizei sind sie aufgrund ihrer politischen Aktivitäten alle kriminell. Die Persönlichkeitsrechte werden durch die Polizei mit ihrer Erfassung, Speicherung und Verwendung von Daten von Atomkraftgegner/innen komplett aufgehoben.“
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