Zwei tiefbegabte Möchtegern-Bankräuber eroberten am Freitag Abend die ehemaligen Geschäftsräume des Kaufhauses Hettig in Lüchow. Die Freie Bühne Wendland feierte mit ihrem neuen Stück dort Premiere - im ausverkauften Materiallager.
"1,50 Euro" steht auf dem Schild in einem leer geräumten Regal im ehemaligen Verkaufsraum des Kaufhauses Hettig. Überall im Raum stehen Kisten und Kästen, spärlich bestückt mit den Überresten des ehemaligen Warenhauses. Hier gibt es noch rund zwei Dutzend alte Ziegel für unter 5 Euro zu kaufen, dort ehemalige Regalhalter für 50 Cent. An den Wänden stapeln sich größere und kleinere Kartons, wechseln sich mit den alten, inzwischen fast vollständig leergeräumten Verkaufsregalen ab.
Auf Europaletten hat die Freie Bühne Wendland eine mobile Zuschauertribüne aufgebaut. Den Bühnenraum bevölkern ebenfalls hunderte Schuhkartons, ausgediente Regale und Umzugskisten. Ein Sofa und mehrere Sessel im Loungebereich, ergänzt mit kleinen Tischen und diversen Lichterketten geben dem ganzen Raum das Flair eines Off-Theaters in Berlins wildem Osten.
So viele Zuschauer interessierten sich am Freitag für dieses "Theater im Leerstand", dass einige Interessierte sich auf einen anderen Abend vertrösten lassen mussten - es gab schlichtweg keine Karten mehr.
Buntes Leben im alten Kaufhaus
Viele der Zuschauer, die sich am Freitag Abend zur Premiere von "Zwei wie Bonnie und Clyde" einfanden, kannten den Spielraum noch als Verkaufsraum für Werkzeuge und allerlei Material und Zubehör, welches man für Bau und Renovierung braucht. Doch seit über zwei Jahren ist das Traditionskaufhaus, das stolze 147 Jahr alt geworden war, geschlossen.
Seitdem gehört das Gebäude zu den zahlreichen Leerstandsimmobilien in Lüchow, die wenig Chancen auf Wiederbelebung haben. Dabei ist Gebäudeinhaber Albrecht Hettig durchaus offen, was eine alternative Nutzung angeht. So hatte er zum Beispiel Spaß daran, der Freien Bühne Wendland Räume als Spielstätte zu überlassen. Nicht ganz ohne Hintergedanken, hofft Hettig doch, dass sich aus dieser künstlerischen Initiative ein komplexes Projekt entwickelt, welches eine Nutzung für das ganze Gebäude realisiert.
Auf Irrfahrt durch die Provinz
Am Freitag hatten die rund 100 Zuschauer erst einmal ihren Spaß mit der Komödie "Zwei wie Bonnie und Clyde" der beiden Autoren Sabine Misiorny und Tom Müller , die das Stückbereits 1999 schrieben. Seitdem wurde das Stück erfolgreich in ganz Deutschland sowie in Österreich und Italien aufgeführt.
Irgendwo zwischen "Dick und Doof" und "Fargo - Blutiger Schnee" ist das Stück angesiedelt - wobei ihm leider der makabre Humor der Coen-Brüder völlig abgeht. Die Bühnenpräsenz der beiden Darsteller von "Manni" ( Lennart Müller ) und "Chantal" (Jeannette Arndt) machte viele Schwächen der doch sehr leichten Unterhaltungskomödie wett.
Nur der liebenswürdige Charme von Jeanette Arndt macht es erträglich, dass sämtliche Klischees über weibliche Dummheit abgearbeitet werden (Unfähigkeit sich zu orientieren, Schuhtick, Vergesslichkeit etc. etc.). Aber Manni steht ihr in nichts nach, wenn er sich zum Beispiel von Chantal blickdichte Strümpfe andrehen lässt und sich dann beim Banküberfall über die Cleverness der Polizei wundert, die die Bankräume angeblich ins Stockdunkle taucht.
So schaut das Publikum anderthalb Stunden lang den immer wieder zum Scheitern verurteilten Versuchen der beiden zu, per Banküberfall zu Geld zu kommen. Ein Gag jagt den Anderen, ein Flop den nächsten, bis am Ende die schusselige Chantal den großen Glücksgriff tut. Das versöhnt.
Das Stück ist mit Sicherheit nicht das Stärkste der Freien Bühne Wendland. Doch wie sagte eine Zuschauerin: "Lachen ist gesund. Das stärkt den Kampf gegen die Freien Radikalen!"
Mit ihr einer Meinung war der allergrößte Teil des Publikums. Die beinahe im Minutentakt gespielten Gags lösten Kichern, lautes Gelächter und manchmal auch Begeisterungsstürme aus - zum Beispiel bei der Idee Mannis, dass Chantal sich doch in Klennow neue Strümpfe kaufen könne. Klar, das ist ein Einheimischen-Witz, doch diese kleinen, regional angepassten Anspielungen beleben das Stück, geben den Zuschauern die Möglichkeit, sich mit den beiden Möchtegern-Ganoven zu identifizieren.
Resumee: Das schräge Flair der ehemaligen Verkaufsräume, der mitreißende Charme der beiden Darsteller und ihre intensive Spielfreude machen "Zwei wie Bonnie und Clyde" zum Erlebnis, das man nicht verpasst haben sollte.
PS: Am Rande der Premiere gab es bereits ersten Austausch über die Idee, ein Gesamtkonzept für die Weiternutzung des Gebäude zu entwickeln - mit Büro- und Gewerbe- sowie Veranstaltungsräumen. Die Bereitschaft des Eigentümers, das Gebäude zu verkaufen ist da. Nun fehlt es an Menschen, die sich mit einem solchen Projekt ernsthaft beschäftigen wollen.
"Zwei wie Bonnie und Clyde" wird noch bis inklusive 1. März täglich um 19.30 Uhr im ehemaligen Kaufhaus Hettig aufgeführt (Eingang über den Parkplatz am Busbahnhof).
Foto / Angelika Blank: Manni und Chantal hatten Pech - statt 100 000 Euro erbeuteten sie bei ihrem Banküberfall zwei Klorollen sowie diverse Fertiggerichte.