Eine wendländische Rentnerin, die nach dem Tod ihres Mannes von ihrer Bankberaterin um fast 17.000 Euro bestohlen wird, bemerkt den Schaden nur per Zufall. Die raffiniert agierende Täterin aus der Altmark wird zu 15 Monaten ohne Bewährung verurteilt.
Lüchow (bv). Stutzig wurde Annemarie Fischer (Name von der Redaktion geändert), als sie auf einem Kontoauszug eine Barabhebung von 350 Euro entdeckte. „Soviel habe ich nicht abgehoben, und erst recht nicht an diesem Tag“, war sich die 75-jährige sicher. Seit Jahrzehnten führt sie kleine Notizbücher, an dem sie die Erlebnisse und Besorgungen jeden Tages akribisch festhält. „Und an dem Tag war ich in Gartow zum Schwimmen“, so weisen es ihre Aufzeichnungen nach.
Fast 50 Jahre lebte Annemarie Fischer in Berlin. Ihre Eltern hatten ein Ferienhaus im Wendland gekauft. „Einmal im Monat sind wir da hingefahren. Das war schon schön.“
Der Wechsel aber, als sie mit ihrem Mann 1998 endgültig aufs Land zog, der war hart. „Das fiel uns anfangs schwer, aber unser Dorf ist turbulent - man gewöhnt sich daran“.
Für Bankgeschäfte, Kredite, Konten war immer ihr Mann zuständig. „Er war Programmierer, er hat das Wirtschaftliche erledigt. Und er wollte es mir immer zeigen. Aber wir kamen nicht dazu“.
Plötzlich war es zu spät.
Bei einem weltweit tätigen Geldinstitut mit Filiale in Lüchow hatte das Ehepaar sein gemeinsames Konto. Annemarie Fischer übernahm es nach dem Tod ihres Mannes. Für sie zuständig war eine freundliche junge Mitarbeiterin.
„Bei den 350 Euro wusste ich genau: Das war ich nicht. Ich hole immer nur 100 Euro ab“.
Ein Besuch bei der Bank endete mit dem Hinweis, doch besser bei der Polizei Anzeige zu erstatten. „Mein Sohn und ich gingen davon aus, dass der Geldautomat manipuliert war“, bekennt die 75-jährige.
Aber schließlich wird jeder fotografiert, der Geld abhebt. „Ich wollte die Aufnahmen sehen. Da sagte die für mich zuständige Mitarbeiterin, dass die Aufnahmen gelöscht worden seien.“
Der nächste Anruf bei der Polizei ergab etwas anderes: „Die Aufnahmen waren sehr wohl noch da. Eine Kripobeamtin kam zu uns nach Hause, aber wir haben den- oder diejenige nicht erkannt, der die 350 Euro abgehoben hatte“.
Dann, berichtet Fischer, rief die Sachbearbeiterin wieder an und sprach von einer „innerbetrieblichen Fehlbuchung“. Durch den Jahreswechsel sei nicht mehr nachzuvollziehen, wieso. Tage später der nächste Anruf von der Bank: Das Geld ist wieder da! Und werde umgehend erstattet.
Und ob die Rentnerin bitte bei der Polizei anrufen und die Anzeige zurückziehen könne. Sie, die Angestellte, würde sonst Ärger bekommen. Natürlich kommt die Rentnerin der Bitte nach. „Ich möchte ja nicht, dass die nette junge Frau wegen mir Unannehmlichkeiten erfährt“.
Aber die Polizei berichtet, dass der Fall als Offizialdelikt längst bei der Staatsanwaltschaft liege. Zurücknehmen geht nicht, die strafbare Handlung muss von Amts wegen verfolgt werden.
Und ob sie bitte alle Kontoauszüge zur Verfügung stellen könne. Bei der Analyse stellt die Polizei fest, dass einzelne Auszüge fehlen.
„Das erste Mal im Leben war ich bei der Polizei - und dann gleich dreieinhalb Stunden“.
Jetzt tauchen Belege mit gefälschten Unterschriften auf. Annemarie Fischer wird gebeten, zwanzig Mal zu unterschreiben. Die fehlenden Auszüge werden angefordert. Die Rentnerin bekam die Kontoauszüge immer nach Hause geschickt, in einem von Hand mit der Adresse versehenen Umschlag.
„Ich hab mich über diesen Service gefreut“, berichtet Fischer. Nicht Böses ahnend, fällt ihr nicht auf, dass hie und da eine Seite fehlt. Die Polizei kennzeichnet alle fehlenden Seiten der vergangenen Jahre. Es geht um insgesamt 16.730 Euro, die seit 2014 vom Konto verschwunden sind.
Dann folgte ein Termin beim Filialleiter. „Der zeigte mir weitere Kopien mit meiner Unterschrift - offensichtlich gefälscht. Und fragte mich, ob ich mit dem Thema „Beraterkarte“ vertraut sei.“
War sie nicht: „Ich habe noch nie etwas davon gehört oder gesehen“, berichtet Fischer.
Mit der Beraterkarte kann der Bankmitarbeiter im Auftrag des Kunden Geld abheben und gleich aushändigen – eine Angelegenheit, die Vertrauen erfordert. Sämtliche Beträge, die der Rentnerin fehlten, wurden mit Hilfe einer Beraterkarte abgehoben. An manchen Tagen auch zweimal.
„Besonders dreist ging die Angestellte vor, als sie einen Kredit ohne meinen Auftrag und Wissen erhöhte“, berichtet die Geschädigte. Die 2500 Euro Kreditvolumen wurden innerhalb von drei Tagen abgeräumt, die Kontoauszüge aussortiert – die Kreditrate blieb gleich. „Wer soll da Verdacht schöpfen?“
Das ging seit 2014 – an manchen Monaten war Annemarie Fischer schier verzweifelt. „Ich bin doch immer ausgekommen mit meinem Geld. Plötzlich war es knapp“.
Dann unterlief der Angestellten ein folgenreicher Fehler. „Den letzten Kontoauszug mit den 350 Euro hat sie nicht aussortiert“ - damit kam die Angelegenheit ins Rollen.
Das Urteil des Amtsgerichts Dannenberg fiel vergleichsweise deutlich aus: 15 Monate Haft – ohne Bewährung.
Mit dem Betrug, von dem 22 Fälle nachgewiesen werden konnten, wollte sich die Angestellte eine dauerhafte zusätzliche Einnahmequelle verschaffen, so der zuständige Amtsrichter. Sie habe das Vertrauen der Rentnerin aufs Gröbste mißbraucht, es handele sich um einen besonders schweren Fall des gewerbsmäßigen Computerbetruges und gewerbsmäßiger Urkundenfälschung.
Außerdem habe sie keine Schuldeinsicht und keinerlei Bemühungen zum Wiedergutmachen des Schadens gezeigt. Die Aussage, dass die Beklagte nicht die Täterin sei, sondern dass ein anderer, ihr nicht bekannter Kollege versucht habe, ihr die ganze Sache unterzuschieben, wertete das Gericht als strafverschärfend.
Die in der ersten Instanz Verurteilte hat inzwischen Berufung eingelegt. Die nächste Verhandlung vor dem Landgericht Lüneburg wurde für Juli anberaumt.
Mit der Bank wurde per Vergleich vereinbart, dass das Geldinstitut den nachweisbaren Schaden von 16.730 Euro bis zum 31. März 2017 ausgleicht. Bis heute ist kein Geld bei Annemarie Fischer angekommen. Die Rentnerin will ihr Konto bei der Bank trotzdem behalten.