Durch das Entfernen von Schottersteinen aus dem Eisenbahn-Gleisbett will die Kampagne „Castor schottern“ den für November erwarteten Atommüll-Transport auf dem Weg zur Umladestation nach Breese in der Marsch stoppen. Die Staatsanwaltschaft Lüneburg prüft zur Zeit, ob sie ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Verfasser des Aufrufes zum Schottern einleiten wird.
Wie die Kampagne „Castor Schottern“ mitteilt, gehören zu ihr mittlerweile über 150 Gruppen, Initiativen und Organisationen von Flensburg bis München, von Düsseldorf bis Berlin und aus Lüchow-Dannenberg. Eine wachsende Zahl von Personen aus Kultur, Wissenschaft und öffentlichem Leben unterstütze die Aktion, darunter Liedermacher Hannes Wader, Sänger Konstantin Wecker und die Bundestagsabgeordnete Sarah Wagenknecht, Vorstandsmitglied der Partei Die Linke.
Ziel: Mit Tausenden die Gleise unterhöhlen
Zur geplanten Aktion heißt es in einer Ankündigung der Kampagne: „Mit Hunderten, Tausenden von Menschen, die aus unterschiedlichsten politischem und sozialem Alltag kommen, werden wir am Transporttag auf die Schienenstrecke gehen. Wir sind entschlossen, massenhaft den Schotter aus dem Gleisbett zu entfernen, also die Gleise zu unterhöhlen und sie damit für den Atommüllzug unbefahrbar zu machen. Wir wählen für die Aktion einen Schienenabschnitt, an dem an diesem Tag kein Zugverkehr außer dem Castor-Transport stattfindet.“
Offene Ankündigung „ganz bewusst“
Die Entscheidung zur „offenen Ankündigung eines Regelübertritts“ sei ganz bewusst getroffen worden: „Wir wissen, dass diese Aktion nicht vom Bürgerlichen Gesetzbuch gedeckt ist. Aber sie ist eine notwendige und legitime Handlung, um der menschengefährdenden Atomtechnologie Einhalt zu gebieten“, sagt Tadzio Müller, einer der Pressesprecher der Kampagne „Castor schottern“.
Mit Blick auf den Polizeieinsatz bei den Demonstrationen gegen das Bahnprojekt „Stuttgart 21“ erklärt die Schotter-Kampagne: „Wenn ab dem 5. November der Castor ins Wendland rollt, werden auch wir damit konfrontiert sein, dass schwerbewaffnete Polizisten den strahlenden Müll durchprügeln sollen. Es wird hunderte und tausende Menschen nicht davon abhalten, die Steine aus dem Gleisbett zu entfernen, um so den Castor zu stoppen"
Staatsanwaltschaft entscheidet in Kürze
Dieser Tage wird die Staatsanwaltschaft Lüneburg entscheiden, ob und inwieweit sie in Sachen „Schotter-Aufruf“ verfahren wird. Dies bestätigte am Mittwoch Oberstaatsanwalt Roland Kazimierski – stellvertretender Pressesprecher der Behörde – im Gespräch mit wnet. Näheres war bislang nicht von der Staatsanwaltschaft zu erfahren. Denkbar ist, dass sie den Vorwurf erhebt, die Kampagne rufe öffentlich zu einer Straftat auf – im konkreten Fall zur „Störung öffentlicher Betriebe“. Ein solches „Aufrufen“ ist im Strafgesetzbuch mit bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug bewehrt.
Kampagnen-Sprecherin: Wird politisch entschieden
Die in Berlin erscheinende Tageszeitung „Neues Deutschland“ zitiert in diesem Zusammenhang in ihrer Ausgabe vom Mittwoch die Pressesprecherin der Kampagne, Sonja Schubert, mit den Worten: „Die Sache wird auf der politischen und nicht auf der juristischen Ebene entschieden“. In vergangen Jahren hätten oft Atomkraftgegner Schotter aus dem Gleisbett entfernt. Nach Festnahmen, so Schubert, seien Bußgelder wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz verhängt – mehr nicht. „Das nicht so hoch zu hängen, war ja eine politische Entscheidung. Genauso ist es jetzt, wenn sich die Staatsanwaltschaft zu Ermittlungsverfahren entscheidet“, zitiert das Neue Deutschland weiter.
Innenminister Schünemann: Eine Straftat
Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hatte bereits vor kurzem betont, das angekündigte Schottern sei „kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat“. Schünemann kündigte an, die Polizei werde geeignete Maßnahmen treffen, um Übergriffe auf das Gleisbett zu verhindern. Der CDU-Landtagsabgeordnete Hans-Christian Biallas, innenpolitischer Sprecher seiner Fraktion im niedersächsischen Parlament, hatte unlängst laut Meldung der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung die Polizei zu hartem Vorgehen gegen die „Schotterer“ aufgefordert und diesen mit „Unterbindungsgewahrsam“ gedroht.
BI-Sprecher Ehmke: Eine mutige Aktion
Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) zähle nicht zu den Gruppen, die den Aufruf mittragen. Das erklärte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke am Mittwoch auf Nachfrage gegenüber wnet. Die Bürgerinitiative werte die Schotter-Kampagne als Aktion bürgerlichen Ungehorsams. „Aus unserer Sicht ist es mutig, dass diejenigen, die dazu aufrufen, dies mit offenem Gesicht tun. Die BI ruft nicht zu dieser Aktion auf, aber wir halten das Vorgehen für legitim“, sagte Ehmke.
Aktionstraining in Mützingen
Mittlerweile hat die Kampagne „Castor schottern“ bundesweit und öffentlich zu Informationsveranstaltung und zum „Aktionstraining“ eingeladen, auch in Lüchow-Dannenberg:
Am Samstag, dem 16. Oktober, heißt es in der Ziegelei in Mützingen von 11 bis etwa 17 Uhr „Castor schottern – aber wie?“. „Arbeitshandschuhe mitbringen“, rät das AntiAtomPlenum Wendland als Veranstalter auf seinem Flyer.
Foto: Ein Teil der Schienenstrecke zwischen Pisselberg und Dannenberg