Klassische Musik ist bei den Sommerlichen Musiktagen in Hitzacker immer noch ein Schwerpunkt der Konzerte. Doch das älteste Kammermusikfestival öffnet sich immer mehr modernen Kompositionen und Präsentationsformen. Noch bis zum 6. August können Musikfans von morgens bis abends neue Hörerfahrungen machen - oder schlicht hervorragenden Konzerten lauschen.
Die Sommerlichen Musiktage werden immer mehr zu einem neuntägigen Rundum-Festival für Musikbegeisterte. Neben hochrangig besetzten Konzerten mit Ausnahmemusikern wie dem Cellisten Jean-Guihan Qeyras oder der Komponistin Rebecca Saunders geben Werkstattgespräche, offene Proben oder Aktivangebote allen Interessierten die Möglichkeit, ihre musikalischen Fähigkeiten weiterzuentwickeln oder das Musikverständnis zu erweitern.
Moderne Kompositionen und Präsentationsformen finden dabei immer mehr Eingang ins Programm. Zum Beispiel die Klanginstallation "Myriad" der diesjährigen "Composer in Residence" Rebecca Saunders: 2464 Spieldosen warten im Oktogon auf Spielfreudige, die sie auf der 19 m langen Wand zum Klingen bringen. Zu sehen sind auf der beleuchteten Wand nur kleine Drehknöpfe - die "Instrumente" sozusagen, durch die jede/r Besucher/in eigene Konzerte komponieren kann. Während der Musiktage ist die Klanginstallation bis zum 6. August Montag bis Freitag von 11 bis 13 Uhr und 17 – 19 Uhr (außer Do) sowie Sonnabend von 11 bis 13 Uhr geöffnet und spielbar.
Am Donnerstag Abend wird die Klanginstallation zum atmosphärischen Zentrum der "Late Night Launge" mit dem Hamburger DJ Clé.
Hier ein Klangeindruck der Arbeiten von Rebecca Saunders, welches 2015 vom WDR-Symphonieorchester aufgeführt wurde. Geschrieben wurde "Void" für zwei Schlagzeuger und ein Kammerorchester:
In der Hörer-Akademie gibt es bis zum 6. August zahlreiche Werkstattgespräche und öffentliche Proben, bei denen so renommierten Musikern wie Eberhard Feltz bei der Arbeit zugeschaut werden kann. Einführungen und Erläuterungen erweitern den Musikhorizont. Die abendlichen Konzerte können so auf ganz neue Weise erlebt werden. Und bei den öffentlichen Proben der Kissinger LiederWerkstatt sind die Besucher sogar beim Entstehungsprozess neuer Interpretationen aktueller Liedkunst hautnah dabei.
Die Festival-Akademie wiederum bietet Stipendiaten der Musiktage die Möglichkeit vor, auf und hinter der Bühne des Festivals Erfahrungen zu sammeln. Und sie sind aktiver Teil des Festivals: Gemeinsam mit Rebecca Saunders erarbeiteten sie die Uraufführung einer Performance zur Klanginstallation Myriad im Oktogon. In drei Pre-Concerts zu den Konzerten am Montag, Dienstag und Mittwoch stellen sie eigene kleine Programme vor. Und die Late Night Lounge mit DJ Clé am 3. August bereichern sie mit Live-Musik. Als Höhepunkt folgt dann ihr gemeinsames Konzert auf der großen Bühne: die „Nacht der Festival-Akademie“ am 4. August.
Darüber hinaus werden alle Akademisten in regionalen sozialen und kulturellen Einrichtungen konzertieren – für die Menschen, die nicht in den Konzertsaal kommen können. So zum Beispiel im Museum Wustrow. Dort spielt das Pierrot-Quartett am Dienstag ab 17.30 Uhr Werke von Haydn und Mozart.
Sommerresidenz Hitzacker - verweilen und erleben
Das diesjährige Motto "Sommerresidenz Hitzacker" ist kein
inhaltsleerer Slogan, sondern Ausdruck des Bestrebens, die Musiktage als
"nachhaltiges" Festival zu etablieren. Die Festivalorganisatoren
entwickelten nicht nur ein spezifisches Nachhaltigkeitskonzept, sondern wollen im "Forum Nachhaltigkeit" auch Chancen und Grenzen der Musik- und
Festivalkultur als Träger der Nachhaltigkeitsidee diskutieren. Welche gesellschaftliche Ressource birgt Musik im Rahmen der
Nachhaltigkeitskommunikation? Inwieweit begleiten, gestalten und
verändern Musik- und Liedkultur unsere Wahrnehmung von Umweltkonflikten?
sind nur einige Fragen, die am Mittwoch im Hotel Waldfrieden diskutiert werden.
Und auch die Literatur kommt beiden Musiktagen nicht zu kurz: Der Schauspieler Udo Samel tritt gleich zwei Mal mit Lesungen auf - am Freitag mit Auszügen aus Loriot2 "Karneval der Tiere" und am Sonntag mit antiken und modernen Texten zur Gastfreundschaft.
Der Kern des Festivals bleiben natürlich die abendlichen Konzerte, die in die unterschiedlichsten Musikwelten entführen. Die Werke eines Wolfgang Amadeus Mozart sind genauso zu erleben wie Werke von Brahms, Dvorak oder die minimalistischen Kompositionen von (u.a.) von Rebecca Saunders sowie Steve Reich. Den Liedern sind zwei Abende gewidmet und am Donnerstag nähert sich der Künstler Martin Albrecht mit einer Performance den synästhetischen Werken von Alexander Skrjabin. Für den russischen Komponisten waren Farben und Töne eine Einheit - er sah Farben, wenn er Töne spielte. Aus dieser Fähigkeit heraus entwickelte er Konzerte, die mit einem "Farbkonzert" kombiniert wurden.
In seiner offenen Vielfalt entwickeln sich die "Sommerliche Musiktage" zu einem Festival für alle Musikbegeisterten - weg vom bildungsbürgerlichen Kulturanspruch hin zu offenem Austausch, Lernen und Erleben.
Nicht umsonst fördert die Sparkasse Uelzen Lüchow-Dannenberg sowie die Niedersächsische Sparkassenstiftung das diesjährige Festival mit üppigen 18 000 Euro (zum Vergleich: der Haushalt des Landkreises Lüchow-Dannenberg sieht ganze 12 000 Euro für die gesamte Kulturförderung vor). Für Thorsten Pils, Vertreter der Sparkasse bei der symbolischen Scheck-Übergabe am Freitag, sind die Musiktage nicht nur kulturell sondern auch wirtschaftlich eine besondere Veranstaltung. Für ihn ist die Förderung demnach auch ein Teil der Regionalentwicklung.
Detaillierte Informationen über das Konzertprogramm und die Publikumsangebote finden sich der Website der Sommerlichen Musiktage .
Foto | Angelika Blank: Die Klanginstallation "Myriad" regte schon bei der Vorstellung die Phantasie der Verantwortlichen der Sommerlichen Musiktage an (von vorne: Christoph Kulb (Ltr. der Hörerakademie), Dr. Christian Strehk (Vorsitzender Trägerverein), Oliver Wille (Indendant), Thorsten Pils (Sparkasse UELÜDAN)