Am 26. April jährt sich zum 23. Mal die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, deren Auswirkungen bis heute spürbar sind. Für das Wochenende sind Protestaktionen unter anderem am AKW Krümmel angekündigt, das demnächst seinen Betrieb wieder aufnehmen soll - trotz eines neuerlichen Leukämiefalls in der Elbmarsch.
Am 26. April 1986 löst eine außer Kontrolle geratene Kettenreaktion im Block 4 des ukrainischen Atomkraftwerks Tschernobyl eine gewaltige Explosion aus. Mehrere zehntausend Menschen aus der nächsten Umgebung werden sofort evakuiert. Die Strahlung breitet sich innerhalb weniger Tage bis nach Westeuropa aus. Sie kontaminiert Städte, Dörfer, Äcker, Wiesen und Wälder. Spiel- und Sportplätze werden gesperrt. Viele Lebensmittel sind aufgrund ihrer hohen Strahlenbelastung für lange Zeit nicht mehr zum Verzehr geeignet. Die Bilanz des schrecklichen Ereignisses: 400.000 Menschen müssen wegen Verstrahlung ihrer Heimat umgesiedelt werden, mehr als 200 Gemeinden hören auf zu existieren, tausende Menschen sterben, andere erkranken schwer. Noch immer leiden die Region und Hunderttausende Menschen unter den Nachwirkungen der Katastrophe. Und in vielen Regionen Europas sind auch heute noch Rückstände des nuklearen Fallouts in Pflanzen und Tieren vorhanden.
Auch heute kommt es immer wieder zu schweren Störfällen, wie beispielsweise im schwedischen Forsmark, den deutschen AKWs Brunsbüttel und Krümmel und der französischen Atomanlage Tricastin. Diese Unfälle machen ebenso deutlich wie die vielen außerplanmäßigen Abschaltungen, das Risiken nicht von Atomkraftgegnern herbeigeredet werden, sondern Betriebsstörungen und große Gefahren zum Alltag atomarer Energieerzeugung gehören. Unfälle sind nie auszuschließen und mit der Sicherheitskultur bei den Betreibern ist es oft nicht weit her. Noch dazu sind die Betreiber nur unzureichend gegen die Folgeschäden eines Atomunfalls versichert. Die Bürger tragen also nicht nur die gesundheitlichen und sozialen Kosten einer möglichen Katastrophe, sondern auch den größten Teil der Kosten. Doch der GAU ist nicht die einzige Gefahr der atomaren Energieerzeugung. Nach wie vor ist die Frage der Endlagerung von Atommüll ungelöst. Bis heute gibt es weltweit keine Endlagerstätten für hochradioaktiven Atommüll. Einlagerungsversuche scheitern kläglich, wie in der niedersächsischen Asse, wo sich die Sicherheitsversprechen der Atomlobby in einer radioaktiven Lauge auflösen. Manche Gefahren sind sogar größer geworden. So können AKWs zur Zielscheibe terroristischer Angriffe werden. Der Handel mit radioaktivem Material für die militärische Nutzung ist ein weiteres Risiko. Die Trennung von ziviler und militärischer Nutzung von Atomtechnologie ist ein Mythos. Jedes Land, das Atomreaktoren betreibt, ist auch in der Lage eine Bombe zu bauen, wie die Beispiele Nordkorea und Iran eindrücklich belegen.
Mit der Novellierung des Atomgesetzes von 2002 und dem Ausstieg aus der nuklearen Energieerzeugung hatte die rot-grüne Bundesregierung Konsequenz aus den Gefahren der Atomenergie und auch aus der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl gezogen. Zu den Kernpunkten des von den GRÜNEN und ihrem Umweltminister durchgesetzten sogenannten Atomkonsens gehören das Verbot des Neubaus von kommerziellen Atomkraftwerken und die Befristung der Regellaufzeit der bestehenden Kernkraftwerke auf durchschnittlich 32 Jahre seit Inbetriebnahme.
Dennoch agiert die Atomlobby inzwischen wieder so, als habe es den GAU in Tschernobyl nie gegeben und als seien alle anderen Probleme gelöst: Atomkraft wird von ihr als sicher und sauber verkauft und die Gefahren klein geredet. Europaweit versucht eine unheilige Allianz aus Atomkonzernen und konservativen und wirtschaftsliberalen Parteien die Renaissance der Atomkraft vorzubereiten. In Deutschland kämpfen die Atomkonzerne offen für das Ende des Atomausstieges und versuchen mit juristischen Tricksereien die Laufzeit von Schrottmeilern immer weiter zu verlängern. Dabei können sie sich auf massive Schützenhilfe von CDU/CSU und FDP stützen.
Die von der Atomlobby mit viel Geld propagierte Renaissance der Atomkraft ist bislang eine Renaissance der Ankündigungen. Diese sogenannte Renaissance in Europa besteht bislang aus Finanzkatastrophen in Finnland und Frankreich sowie der Wiederbelebung von gescheiterten Projekten in Osteuropa, wo unter anderem deutsche Firmen das atomare Risiko in den Osten exportieren, wie bei der möglichen Beteiligung von RWE an einem Reaktorprojekt Belene im bulgarischen Erdbebengebiet. Wahr ist, dass die Atomkraft ein Auslaufmodell bleibt: 2008 ging kein einziges neues Atomkraftwerk ans Netz, global ist die Zahl der Atomreaktoren rückläufig. Neue Atomkraftwerke sind nirgendwo ohne staatliche Subventionen wirtschaftlich. Nicht ohne Grund wurden bereits in der Vergangenheit die Risiken auf Steuerzahlerinnen und Steuerzahler abgewälzt und sind nicht privatwirtschaftlich versicherbar.
Wahr ist aber leider auch: eine Rückkehr in das nukleare Zeitalter ist alles andere als ausgeschlossen. Wer sich heute in falscher Sicherheit wiegt, wird morgen mit einem nuklearen Kater erwachen. Der endgültigen Ausstieg aus dieser Hochrisikotechnologie kann nur mit entsprechendem politischen Druck erkämpft werden. Und das Jahr 2009 wird dabei ein entscheidendes sein, sind die Bundes-Grünen überzeugt. So versuchen die Betreiber von Atomanlagen mit allen Tricks und Kniffs, die anstehende Abschaltung von AKWs über den Wahltermin zu retten. Bei den Europawahlen und der Bundestagswahl steht deshalb eine Richtungsentscheidung an: Wird der Ausstieg aus der Atomenergie energisch fortgesetzt und die Prioritäten auf Einsparung, Effizienz und Erneuerbare gelegt.
Seit einiger Zeit wird auch der Ausstieg aus dem Ausstieg wieder diskutiert. Doch für Atomkraftgegner, Grüne und Linke ist klar: Atomkraft - Nein Danke! Keine verlängerten Laufzeiten für längst abgeschriebene Atommeiler, die den Energiekonzernen in Zeiten sinkender Strompreise die Möglichkeit geben, Extraprofite einzufahren.
Dabei ist für die Grünen der Fahrplan dieses entscheidende Jahr klar: EURATOM gehört abgeschafft. Denn eine Förderung der Atomenergie ist mit den Grundsätzen einer zukunftsfährigen EU unvereinbar. Risikotransporte von in Deutschland nicht genehmigungsfähigen Anlagen wie aktuell die Pläne von RWE einen Reaktor in Belene, einem Erdbebengebiet in Bulgarien, zu bauen, müssen aufhören.
Vor allem die Endlagerfrage ist spätestens nach den jüngsten Skandalen in dem ausgedienten Salzbergwerk ASSE II neu zu klären. Spätestens jetzt ist überfällig, was am Beginn der Endlager-Planungen hätte stehen müssen: die Erstellung von haltbaren Sicherheitsanforderungen und ein darauf basierendes Standort-Auswahlverfahren.
23 Jahre nach der Katastrophe von Tschernobyl, 30 Jahre nach dem GAU von Three Mile Island und angesichts inzwischen über 20 an Leukämie erkrankter Kinder aus der Umgebung des AKW Krümmel gibt es immer noch viel zu viele offene Fragen bei der Nutzung der Atomenergie, als das ein Weiterbetrieb akzeptabel erscheinen könnte.
Nicht nur die Grünen, sondern auch Anti-AKW-Gruppen rufen deshalb dazu auf, in dieser Woche dem Protest gegen die Atomkraft Ausdruck zu verleihen. Gelegenheit dazu bieten Demonstrationen am 25. April in Münster und am 26. April an den AKWs Krümmel und Neckarwestheim.
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