Nach Ansicht des Umweltministeriums haben die Berechnungen des TÜV Nord zur Strahlenabgabe am Zaun des Gorlebener Zwischenlagers die "Prognosesicherheit" erhöht auch was die Einlagerung weiterer 11 Castorbehälter angeht.
Der TÜV kam zu dem Ergebnis, dass nach Einlagerung der Castoren die Gesamtbelastung am Zaun 0,254 mS/Jahr betragen wird. Damit wäre der nächste Castortransport genehmigungsfähig.
Auch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt war vor kurzem zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Gorlebengegner kritisieren die Berechnungsmethoden, da nach ihrer Ansicht fraglich ist, wieviel als "natürliche Hintergrundstrahlung" abgezogen werden dürfe.
Bei der Untersuchung des TÜV Nord wurden bezüglich der Belegung des Zwischenlagers die Szenarien „Ist-Zustand“ und „Zustand mit Einlagerung weiterer 11 CASTOR-Behälter“ betrachtet.
Die Ergebnisse der jetzt vom NMU mitgeteilten Berechnungen des TÜV lauten wie folgt:
Szenario Aufpunkt am Zaun in 1 m Höhe Stichtag:
Ist-Zustand: (gemessen ca 15 - 30 m westlich der Messstation "P1" am 10.09.2011) Neutronen-Dosisleistung: 0,210 mSv/a, Gamma-Dosisleistung: 0,028 mSv/a, Gesamtwert: 0,238 mSv/a
Zustand mit Einlagerung weiterer 11 Behälter:
Neutronen-Dosisleistung: 0,224 mSv/a, Gamma-Dosisleistung:0,030 mSv/a, Gesamtwert: 0,254 mSv/a.
Erläuterungen des NMU zur Tabelle: Die vom TÜV ermittelten Gesamtdosisleistungen sind mit einer Unsicherheit in der Größenordnung von ca. 10 % behaftet. Bezogen auf die Gammastrahlung hatte die PTB ermittelt, dass kein Beitrag vom Zwischenlager messbar ist. Der im Berechnungsmodell des TÜV ausgewiesene Anteil einer Gammadosisleistung resultiert im Wesentlichen aus der sekundären Wirkung von Neutronenstrahlung.
Nach Aussagen des NMU wurden die Berechnungen nach dem Stand von Wissenschaft und Technik mit einem aufwändigen Rechenverfahren durchgeführt, dem ein dreidimensionales Behälterlagermodell zu Grunde liegt. Dieses berücksichtigt alle abschirmrelevanten Strukturen sowie deren Abmessungen und Materialien.
Zudem habe der TÜV zwecks Minimierung systematischer Unsicherheiten die mit seinem Rechenmodell ermittelte Neutronendosisleistung mit dem zuvor von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) im Auftrag des MU ermittelten Messergebnis am Referenzort des Vielkugelspektrometers NEMUS skaliert. "Die berechneten und gemessenen Dosiswerte zeigen eine gute Übereinstimmung für alle betrachteten Aufpunkte", so das Ministerium. "Mit den vom TÜV berechneten Dosiswerten konnte die Prognosesicherheit damit auch in Bezug auf die geplante Einlagerung weiterer 11 CASTOR-Behälter erhöht werden."
Mit anderen Worten: bestätigen sich nach der Gesamtbewertung diese Ergebnisse, steht einer Genehmigung des nächsten Castortransports nichts mehr im Wege.
Noch nicht abgeschlossen ist die Überprüfung durch den TÜV der von der Gesellschaft für Nuklear-Service mbH (GNS) zwischenzeitlich vorgelegten Optimierungsvorschläge zur Lagerbelegung. Erst nach einer zusammenfassenden Bewertung aller Mess- und Prognosedaten für die Jahresdosis kann das Umweltministerium als Atomaufsicht prüfen und entscheiden, ob die Zustimmung zu einer Einlagerung von elf Behältern erteilt werden kann. Dies wird voraussichtlich nicht vor Ende Oktober passieren.
ausgestrahlt: Rechenspiel mit falschen Zahlen
Für Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt, rechnet der TÜV mit falschen Zahlen.
„Der TÜV kommt zu dem Ergebnis, dass auch bei der für November geplanten Einlagerung von elf zusätzlichen Castor-Behältern im Zwischenlager Gorleben der zulässige Strahlen-Grenzwert nicht überschritten wird.
Dabei übernimmt er jedoch falsche Zahlen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt. Die hatte von den am Zaun von Gorleben gemessenen Werten einen so überzogenen Schätzwert für die natürliche Hintergrundstrahlung abgezogen, dass am Ende als Ergebnis null Gammastrahlung übrigblieb.
Dies ist auch insofern absurd, als selbst die Zwischenlager-Betreiber deutlich geringere Werte für die Hintergrundstrahlung angeben. Legt man diese Zahlen den Berechnungen zugrunde, kommt als Ergebnis bisher schon eine Überschreitung der Grenzwerte heraus. Durch die jetzt vom TÜV errechnete zusätzliche Strahlung durch die neuen Castoren, wird dieser unzulässige Wert noch einmal übertroffen.
Immer wieder in der Geschichte der Atomenergie-Nutzung wurden Gefahren von Behörden und Gutachtern so lange herunter gerechnet, bis alles ganz harmlos aussah. Das ging genau so lange gut, bis es gründlich schiefging. Erinnert sei nur an die jahrelangen Unbedenklichkeitserklärungen bezüglich der Atommüll-Lager Asse und Morsleben. Daraus scheinen die zuständigen Stellen nichts gelernt zu haben.“
Grüne: „TÜV ist nicht neutral sondern Partei“
Der Fraktionsvorsitzende der Landtagsgrünen Stefan Wenzel hat die aktuell vom Niedersächsischen Umweltminister Hans-Heinrich Sander verbreiteten Zahlen über Messungen der Strahlenbelastung am Atommüllzwischenlager in Gorleben als "Zumutung" bezeichnet. "Das Verwirrspiel geht weiter", sagte der Grünen-Politiker am Dienstag in Hannover. Der TÜV sei in der Auseinandersetzung über die Strahlengefahr "nicht neutral, sondern Partei."
Wenzel erinnerte daran, dass als Eigentümer des TÜV drei Vereine genannt sind, die über verschachtelte Holding Modelle den TÜV Nord Ensys Hannover GmbH & Co KG steuerten. In der Satzung eines dieser drei Eigentümer sei nachzulesen, dass im Verein die Betreiber der überwachungspflichtigen Anlagen vertreten seien.
Wenzel: "Minister Sander hat seine eigene Landesbehörde NLWKN ausgebootet, die seit Jahren als unabhängige Messstelle für die Überwachung zuständig war. Nachdem deren kritische Messwerte für Unruhe gesorgt hatten, präsentiert der Umweltminister Ergebnisse von Dritten, die interessengeleitet sind."
Der Grünen-Politiker wirft Minister Sander vor, dass er veranlasst habe, die Messanordnung in Gorleben zu ändern und die Referenzpunkte zu verlegen, und dass er das Umstellen der Container zugelassen habe.
Bereits Ende September hatten die Landtagsgrünen das Ergebnis der PTB zu den kürzlich erfolgten Strahlenmessungen am Atommüllzwischenlager in Gorleben als abenteuerlich eingestuft, welches viele neue Fragen aufwerfe. "Es ist nicht nachvollziehbar, wie die PTB zu der Feststellung gelangt ist, dass der hochradioaktive Atommüll in den Castorbehältern keinerlei Gamma-Strahlung aussenden und der von der PTB gemessene Gamma-Wert bei Null liegt", so Stefan Wenzel damals.
Das Ergebnis der PTB sei nicht vergleichbar mit den Messungen des NLWKN, weil plötzlich die Rahmenbedingungen für die Messungen verändert wurden. "Nachdem das Landesamt NLWKN als amtlich bestellte unabhängige Messstelle über fast zwei Jahrzehnte hinweg Referenzmessstellen für die Hintergrund-Strahlenbelastung betrieben hat, wurden diese nun kurzerhand über den Haufen geworfen", so Wenzel. "Auch der Neutronenwert wurde nach unten korrigiert, obwohl die PTB-Messungen sich teilweise auf nur vier Stunden Messzeit beziehen. Zusätzlich wurden die Castorbehälter im Lager umgeräumt. Unterm Strich bleibt: Es riecht nach Manipulation. Es ist unverantwortlich, in dieser Lage elf weitere Castoren mit hochstrahlendem Atommüll in das Zwischenlager einzulagern."