Wieder einmal ist der Versuch, Veranstaltern von Demonstrationen kostenintensive Auflagen zu machen, gescheitert. Der Verwaltungsgerichtshof in Kassel hat heute (Freitag) einen derartigen Versuch des Landkreises Bergstrasse, der für morgen geplanten Biblis-Demonstration Kosten aufzuerlegen, für rechtswidrig erkannt.
Nach dem Willen des für die Veranstalter der Biblis-Demonstration am Samstag zuständigen Landkreises Bergstrasse sollten - einem Erlass des hessischen Sozialministeriums entsprechend die Veranstalter der für Samstag geplanten "Biblis-Umzingelung", zu der rund 8000 Menschen erwartet werden, eine rund 2600 Euro teure "sanitätsdienstliche Begleitung" organisieren und selber bezahlen.
Auf die Beschwerde der Veranstalter hin war das Verwaltungsgericht Darmstadt am Donnerstag noch den Argumenten des Landkreises gefolgt, nach dem es durch die hohe Anzahl von Teilnehmern "nach Lageeinschätzung der Polizei nicht ausgeschlossen sei, dass es - trotz des zu erwartenden friedlichen Protests - auch zu Sitzblockaden, Sachbeschädigungen, Versuche des Eindringens in das Kraftwerksgelände oder zu Angriffen gegen Polizeikräfte kommen könne". Das Darmstädter Gericht hielt auch das Darmstädter Gericht die Vorhaltung eines Sanitätsdienstes für erforderlich. Die Kosten dafür hatten nach Ansicht dieses Gerichts zu Recht die Veranstalter zu tragen.
Nach Informationen des Internetmagazins ngo-online handelte der Landkreis dabei auf Empfehlung der hessischen Landesregierung unter Ministerpräsident Roland Koch (CDU).
Der 6. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) in Kassel hob jedoch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt heute auf.
In seiner heutigen Entscheidung folgte der GH nicht der Ansicht des Landkreises, dass es bei einer "sich wegen der vorgesehenen Umzingelung des Kernkraftwerks über mehrere Kilometer erstreckenden Veranstaltung mit einer solch großen Zahl an Teilnehmern immer zu einer gesundheitlichen Gefährdung der an der Demonstration Beteiligten kommen könne", für die die Veranstalter eine entsprechende rettungsdienstliche Begleitung zu organisieren und zu bezahlen hätten.
Für Gesundheitsgefahren allgemeiner Art ist nicht der Veranstalter zuständig
In der Begründung des ablehnenden Beschlusses heißt es wörtlich: "Das Versammlungsgesetz erlaubt Auflagen für eine geplante Veranstaltung nur zur Verhinderung von Gefahren, die im Zuge der Veranstaltung unmittelbar zu befürchten seien. Derartige konkrete, gerade durch die Besonderheiten der Demonstration am Kernkraftwerk Biblis verursachte Gefährdungen seien nicht ersichtlich. Die Abwehr von Unfall- und Gesundheitsgefahren allgemeiner Art, die durch das Zusammentreffen einer Vielzahl von Personen auf einem längeren Demonstrationszug auftreten könnten, betreffe die Gesundheitsvorsorge, deren Gewährleistung nach dem Versammlungsgesetz nicht dem Veranstalter obliege."
Damit ist wieder einmal ein Versuch - diesmal einer hessischen Kommunalverwaltung - gescheitert, auf Veranstalter von Demonstrationen öffentliche Kosten abzuwälzen. Für den Trägerkreis der Anti-Atom-Umzingelung erklärte Matthias Weyland vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): "Das ist ein riesiger Erfolg für uns und für alle zukünftigen Demonstrationen. Der Versuch, die Ausübung des Versammlungsrechts vom Geldbeutel der Veranstalter abhängig zu machen und damit erheblich einzuschränken, ist gescheitert!"
Auch wenn ein anders gearteter Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes für andere Bundesländer nicht zwingend bindend gewesen wäre, so ist auch Wolfgang Ehmke, Pressesprecher der BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg erleichtert: "Damit wurde wieder einmal eine Schikane abgewehrt. Ein anders lautender Beschluss hätte schlechte Schule gemacht, deswegen sind wir sehr erleichtert, dass der Landkreis Bergstrasse mit seinem Versuch gescheitert ist."
Foto: Andreas Conradt / publixviewing - Ein Traktor auf dem aktuellen Treck gen Krümmel.
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