Sechs Künstlerinnen, sechs Reisen ... in innere und reale Welten, zu fremdartigen Geschöpfen oder nur allzu bekannten Wesen. Am Sonntag präsentierte die "gesellschaft für sonst was und übersee" in einer ehemaligen Lagerhalle in Neu Tramm Ergebnisse ihrer langen Reise. Hier der erste Teil eines Ausflugs in die exotische Welt der Phantasie.
Im vergangenen Jahr waren Astrid Clasen, Uta Helene Götz, Babette Schwaderer, Irmhild Schwarz, Anna Wiesinger und Haninga Thiel zu ihrer Reise aufgebrochen. Im Hamburger Museumsschiff "Cap San Diego" hatten sie über ihren Aufbruch erzählt, über Reiselust und -Sehnsucht, Träume und Visionen.
Nach ziemlich genau einem Jahr ist die Reisegesellschaft nun wieder im Wendland angekommen - zurück von Reisen in innere und reale Welten, zu seltsamen Geschöpfen oder skurrilen Träumen. Ihre Reiseberichte präsentiert die Gruppe "KX07" nun seit Sonntag in einer ehemaligen Lagerhalle im Kunstverein Neu Tramm. Objekte, Installationen und Bilder erzählen von Forschungen, entdeckten oder weiterhin verborgenen Geheimnissen.
"Ein alter Spruch sagt, wer losfährt, will eigentlich ankommen," zitierte Haninga Thiel einen alten Spruch. "Jedoch ist auch die Herausforderung der Reise an sich von Bedeutung, nicht das erreichte Ziel oder das mögliche Scheitern. Wenn man so reist, wie wir das getan haben, dann kann Scheitern bedeuten, daß man einmal eingeschlagene Wege verlassen muss, um zu neuen unbekannten Gefilden zu kommen."
Die Art der Reise war aber bei jeder der beteiligten Künstlerinnen unterschiedlich. Astrid Clasen zum Beispiel reiste weit zurück in die Vergangenheit, zu ihrer Ur-Ur-Ur-Großmutter. Deren Mann war mit Schiffen auf den Weltmeeren unterwegs. Die Ehefrau (und Mutter) wusste oft nicht, wo er sich gerade befand. Also schrieb sie Briefe, die sie anderen Schiffsleuten mitgab, in der Hoffnung, dass ihre Botschaften den Weg zu ihrem Mann finden würden.
Die Beschäftigung mit der Familiengeschichte drückt sich in Bildern aus, deren zarte Striche an die horizontfreie Leere des Ozeans an einem hellen Tag erinnern oder luftig-leichte Flugobjekte aus Verpackungsfolie. Gepäckstücke, die durchaus exotische Dinge mitbringen wie eine Schlange, die sich aus der Tasche schlängelt. Gleichzeitig wagte Astrid Clasen eine Reise in die Zukunft, die naturgemäß unbestimmt bleiben muss.
Irmhild Schwarz wiederum hatte sich ein Jahr lang mit Forscherinnen und Forschern beschäftigt, die zu früheren Zeiten die Welt erkundet hatten. Besonders faszinierte sie die Geschichte von Maria Sibylla Merian, die sich 1699 im - damals hohen - Alter von 52 Jahren auf eine Reise nach Surinam begab.
Dort wollte sie gemeinsam mit ihrer Tochter bisher unbekannte Insekten erforschen. Zur Motivation für ihre Reise schrieb M.S. Merian: "In Holland sah ich jedoch voller Verwunderung, was für schöne Tiere man aus Ost- und West-Indien
kommen ließ, … In jenen Sammlungen habe ich diese und zahllose andere
Insekten gefunden, aber so, dass dort ihr Ursprung und ihre Fortpflanzung
fehlten, das heißt, wie sie sich aus Raupen in Puppen und so weiter
verwandeln. Das alles hat mich dazu angeregt, eine große und teure Reise
zu unternehmen und nach Surinam zu fahren (ein heißes und feuchtes
Land …), um dort meine Beobachtungen fortzusetzen."
Insekten waren es denn auch, die in der von Irmhild Schwarz "Das Surinam-Projekt II - oder von der Glückseligkeit alles zu wissen", immer wieder auftauchen. Die alptraumhafte Szenerie eines weißen Bettes im dunklen Raum, umringt von größeren und kleineren an Wespennester erinnernden Kugeln, erinnert an dunkle Stunden voller seltsamer Träume. Hier schabt ein unbekanntes Insekt von innen unablässig an seinem "Nest", dort steht ein Foto eingesperrt in einem Käfig. Fundstücke, Erinnerungen und Forschungsobjekte einer langen Forschungsreise, die auf ihre Kartierung, auf ihre Überprüfung oder schlicht auf das Vergessen warten. ...
Anna Wiesinger wiederum ging auf die Suche nach den Grenzen ihres Horizonts - und die Welt dahinter. In einem geschlossenen Raum kreist eine Eule um sich selbst, bei jeder Drehung für einen Moment lang auch den Besucher anstarrend. In seiner Ruhe ist dieses Objekt vielleicht das Objekt in der Ausstellung, welches den Betrachter am eindringlichsten an seine eigenen Sehnsüchte erinnert.
Überhaupt nimmt die "gesellschaft für sonst was und übersee" in mehreren Dutzend Werken die Besucher auf vielschichtige Art und Weise mit auf eine Reise zu Leben, Welten und Wünschen.
Eine Fotostrecke mit Fotos von Gudrun Schwarz aus der Arbeitsphase gibt es hier! .
+++ ein zweiter Teil über die Ausstellung folgt +++