Widerstands-Familienfest in Gorleben

Ein buntes Fest feierten tausende Gorlebengegner am Freitag rings um das ehemalige Erkundungsbergwerk in Gorleben - und demonstrierten damit erneut gegen die Endlagerungspläne für Gorleben. Bis auf kleinere Aktionen blieb das Widerstandsfest friedlich.

Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow Dannenberg (BI) schätzt, dass dieses Jahr über 8000 Menschen in Gorleben kamen, um gegen das Festhalten am Erkundungsbergwerk als mögliches nukleares Endlager und für den sofortigen Atomausstieg zu demonstrieren.

Das Demonstrieren stand allerdings während des sonnigen Tages bei den meisten Anwesenden weniger im Mittelpunkt. Vielmehr ging es darum, die kulturellen Angebote auf zwei Bühnen sowie am Straßenrand zu genießen. Clownerie, Chorgesang, das Produzieren von Riesen-Seifenblasen und die Auftritte von mehreren Bands auf zwei solarbetriebenen Bühnen machten das Widerstandsfest zu einer großen Familien-Party.

Treckertouren zur Endlagergeschichte und ein Baum für Marianne Fritzen

Bei allen Vergnügungen und kulturellen Angeboten auf der Widerstandspartie ging das eigentliche Anliegen nicht völlig unter.

Besonders begehrt waren die Informationstouren auf Treckern der Bäuerlichen Notgemeinschaft. Am Startpunkt der Treckertouren bildeten sich lange Schlangen von Menschen, die die Rundfahrt mitmachen wollten. Begleitet von einem halben Dutzend Hannoveraner Polizei-Bussen der Beweis- und Festnahmeeinheit fuhren die Trecker mit vielen Gästen rund um das Gelände - jeweils begleitet von langjährigen GorlebengegnerInnen, die Informatives aus der Geschichte des Gorlebenwiderstandes und der Endlagerpläne für den Salzstock berichteten. Unter ihnen auch Rebecca Harms. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament hatte es sich nicht nehmen lassen, selbst einen Trecker zu begleiten.

Asta von Oppen, die insgesamt fünf Treckertouren begleitete, berichtete, dass das Interesse an Informationen über die Endlagergeschichte Gorlebens enorm gewesen sei. Viele seien immer noch überrascht gewesen, zu hören, dass die Castorbehälter nicht im Salzstock liegen, sondern in einer oberirdischen Leichtbauhalle. "Es war deutlich zu spüren, dass vor allem die Menschen, die von weither angereist waren, die Informationen über das Endlagerdesaster geradezu aufgesogen haben," so von Oppen.

Auch das Gorleben-Gebet, welches ausnahmweise bereits an diesem Freitag stattfand, fand vielfaches Interesse. Hans-D. Kuhl und seine Frau Christa gestalteten die Andacht, die ganz der kürzlich verstorbenen Marianne Fritzen gewidmet war. Mit einem kleinen Ritual wurde eine zum Gedenken an die engagierte Gorlebengegnerin gepflanzte  Eiche sozusagen "geweiht". Jede/r der am Gebet Teilnehmenden hatte die Möglichkeit, per Kärtchen seine Wünsche und Hoffnungen in Bezug auf Gorleben an der Einzäunung des Baums zu befestigen - was die meisten Anwesenden nutzten.  

Im Fokus der offiziellen Kundgebung, bei der BI-Vorsitzender Martin Donat die aktuellen Themen vorstellte, stand in diesem Jahr der Streit in der Endlagerkommission. Dort wird aktuell diskutiert, wie mit dem bisherigen geplanten Endlagerstandort umzugehen sei. "Endlich wird selbst in der Kommission des Deutschen Bundestages deutlich, dass es im Kern nur um die Frage geht, ob der fragwürdige Alt-Standort im Spiel bleibt oder nicht. Und schon wieder gibt es politisches Gerangel um wissenschaftliche Ausschlusskriterien, um Gorleben im Suchverfahren fortzuschleppen", sagte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. "Wenn es dabei bleibt, dass ein tiefengeologisches Lager favorisiert wird, bestehen wir auf einem Mehrbarrieren-Konzept, einem Deckgebirge, das Wasser abweisend ist. Deshalb sind wir froh, dass so viele Menschen den Weg zu dem wunden Punkt Gorleben finden, um mit Nachdruck das Ende des unwürdigen Gefeilsches um den Standort einzufordern, schließlich geht es um Sicherheit und nicht um politischen Opportunismus."

Die hohe Polizeipräsenz mag einerseits den nächtlichen - vermutlichen - Anschlägen auf KiK-Filialen in Lüchow und Dannenberg geschuldet sein, aber auch den letztjährigen Attacken auf das Endlagergelände. Ungeachtet der Polizeipräsenz kam es am Freitag nach Angaben der Polizei zu Farbbeutelwürfen und ein Stück des Sicherungszauns wurde durchschnitten, einige Demonstranten gelangten dabei auf das Gelände.

Zwischen Vergnügen, Erfahren und Erleben

Ansonsten flanierten und umrundeten die Menschen zu Fuß oder per Trecker und Anhänger die "Endlagerfestung", wie es die BI nannte. Zwei Einfahrten zum festungsähnlichen Gelände des sogenannten Erkundungsbergwerks wurden unter den argwöhnischen Blicken von Polizeieinheiten aus Lüneburg und Hannover mit Mutterboden symbolisch verschüttet, Blumen wurden gepflanzt. 

Auf der Straße zum Endlagergelände präsentierten sich rund ein Dutzend Aussteller der Kulturellen Landpartie mit ihren Produkten bzw. Angeboten. Neben Modeschmuck waren handgetöpferte Espressotassen ebenso im Angebot wie Therapieteddys oder Entspannungsübungen. Nicht zu vergessen natürlich die Informationsstände von BI, der Kurve Wustrow und anderen Initiativen.

Besonders beeindruckend die Vorführung physikalischer Eigenheiten durch den Physiker und Strömungsexperten Erich Bäuerle. Er demonstrierte an einigen - strategisch präzise aufgestellten - gelben Tonnen mit X-Symbol, dass eine schwingende Kugel so gesteuert werden kann, dass sie selbst bei komplexen Schwingbewegungen an keine der Tonnen anstößt. Beim "Schaulabor für Sonderelektronik" konnte Jede/r ausprobieren, wie durch eigene Kraftanstrengung Strom produziert wird.

Bis zum späten Abend ging die "Widerstandsparty" weiter - wie zu hören war fröhlich, friedlich und ohne weitere "Vorkommnisse", die die Polizei auf den Plan gerufen hätten.




Fotos

2016-05-14 ; von Angelika Blank (autor),
in 29475 Gorleben, Deutschland

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