Dies ist die deutsche Übersetzung einer Analyse von Ed Lyman von der Union of Concerned Scientists, die gestern bereits versuchte zu erklären wie es zu dem Desaster im AKW Fukushima kam.
Der AKW-Betreiber, die Tokyo Electric Power Company (TEPCO), meldete am Freitag, dass um 02:46 nachmittags Ortszeit (22:46 MEZ) „Turbinen und Reaktoren des TEPCO Atomkraftwerks Fukushima Daiichi, die Reaktoren 1, 2 und 3 betreffend, wegen des Erdbebens automatisch heruntergefahren wurden.“
Diese Reaktoren sind drei von sechs arbeitenden Reaktoren in dem Fukushima I Atomkraftwerk. Alle sind Siedewasserreaktoren. Reaktor 1 hat eine vorgesehene Leistung von 460 Megawatt, Reaktor 2 und 3 haben jeweils eine Energieleistung von 784 Megawatt
TEPCO meldete weiter, dass diese Schnellabschaltungen wegen fehlender externer Stromversorgung herbeigeführt wurden - „da eine von zwei externen Stromversorgungssystemen nicht mehr richtig funktionierte.“ Dieser Energieverlust löste die Einschaltung von Not-Dieselgeneratoren aus, die automatisch starteten, um Reserveenergie für die Reaktoren zu liefern.
Doch gegen 03:41 nachmittags Ortszeit (22:41 MEZ) fielen auch die Notgeneratoren aus, so dass in der Folge die komplette Wechselstromversorgung für alle drei Reaktoren ausfiel, wie TEPCO meldete. Der Ausfall der Dieselgeneratoren war höchstwahrscheinlich durch das Eintreffen der Tsunami-Welle bedingt, die das Gelände überflutet hatte. Das Epicenter des Erdbeben war ca 240 km von Japan entfernt. Es dauerte etwa eine Stunde, bis die Tsunami-Welle die japanischen Inseln erreichte.
Dieser Energieverlust führte zu einem der gefährlichsten Zustände, in die ein Atomkraftwerk geraten kann – einen „Steuerungs-Blackout“ , bei dem sowohl die externe Stromversorgung als auch die werkseigene Notstromversorgung ausgefallen ist. Atomkraftwerke benötigen üblicherweise Wechselstrom-Energie, um die Motoren, Ventile und (Mess)Instrumente zu betreiben, die die Kontrollsysteme zur Kühlung der Reaktoren in Gang halten. Wenn die Wechselstromversorgung ausfällt, dann sind die Möglichkeiten, den Reaktorkern zu kühlen, begrenzt.
Die Siedewasserreaktoren in Fukushima sind durch ein „Reaktorkern Isolations -Kühl System“ (RIKS) geschützt, welches auch ohne Wechselstrom arbeiten kann, da es dampfbetrieben ist und deswegen keine elektrischen Pumpen benötigt. Trotzdem benötigt dieses System Gleichstrom-Energie aus Batterien, damit die Ventile und Steuergeräte funktionieren.
Wenn die Batterieenergie aufgebraucht ist, bevor die Wechselstromenergie wieder aufgebaut ist, wird das RIKS die Wasserversorgung für den Reaktorkern stoppen und der Wasserstand im Kernbereich wird fallen. Wenn der Wasserstand zu tief fällt, dann wird der Kernbereich überhitzen und der Kraftstoff wird beschädigt. Schließlich kann eine Kernschmelze eintreten: Der Reaktorkern könnte so heiß werden, dass er eine geschmolzene Masse formt, die durch den Stahlbehälter des Reaktors schmilzt. Dies würde eine große Menge an Radioaktivität aus dem Reaktorbehälter in die Sicherheitshülle freisetzen.
Die Aufgabe der Sicherheitshülle ist es, dafür zu sorgen, dass keine Radioaktivität in die Umgebung freigesetzt wird. Eine Kernschmelze würde Druck im Sicherheitsbehälter aufbauen. Zur Zeit wissen wir nicht, ob das Erdbeben die Sicherheitshülle so stark beschädigt hat, dass sie ihre Fähigkeit verloren hat, den Druck zu halten und deswegen Radioaktivität ausgetreten ist.
Nach den technischen Dokumenten, die von Aileen Mioko Smith von „Green Action“ in Japan übersetzt wurden, würde, wenn der Kühllevel die Spitze der aktiven Brennstäbe erreicht, ein Schaden im Kernbereich ungefähr 40 Minuten später beginnen. Ein Schaden am Reaktorbehälter würde dann wiederum 90 Minuten später eintreten.
Die Situation ist besorgniserregend, da die Regierung – während TEPCO noch versucht, das Kühlsystem wieder herzustellen – eine 3-km-Zone rund um das Atomkraftwerk evakuieren ließ. (Anmerkung: Am Samstag wurde die Evakuierungszone auf 20 km ausgedehnt).
Bloomberg News berichtete, dass die Batterieenergie für das RIKS acht Stunden beträgt. Das bedeutet, dass die Batterien seit Freitag 10 Uhr morgens Ortszeit (Freitag, 18 Uhr MEZ) entleert sind.
Es ist nicht klar, ob dieser Bericht richtig ist, denn das würde bedeuten, dass viele Stunden vergangen sind, ohne dass der Reaktor gekühlt wurde. Bloomberg berichtete außerdem, dass Japan sechs Backup-Batterien besorgt hatte und plante, sie zum AKW zu transportieren – möglicherweise mit einem Militärhubschrauber. Es ist unklar, wie lange diese Operation dauern könnte – und ob sie überhaupt stattgefunden hat.