Thema: stromnetze

Wir haben einen Traum: Stromnetze in Bürgerhand

Ein Traum, der womöglich bald Wirklichkeit werden könnte: In der Samtgemeinde Elbtalaue laufen demnächst die Konzessionsverträge mit verschiedenen Stromnetz-Besitzern aus. Der Wasserverband Dannenberg-Hitzacker sieht gemeinsam mit der Samtgemeinde Elbtalaue gute Chancen, das Stromnetz im Bereich der Samtgemeinde Anfang 2013 zu übernehmen und womöglich im zweiten Schritt als Anbieter von regionalem Strom aufzutreten.

Zunächst war allerdings eine Beratungsgesellschaft beauftragt worden, eine mögliche Übernahme der Stromnetze auf ihre Wirtschaftlichkeit und Machbarkeit zu untersuchen.

Das Ergebnis liegt jetzt vor: "Bereits im ersten Jahr könnte die neue Besitzerin der Stromnetze Gewinne machen", so die optimistische Einschätzung von Dr. Klaus Horchelhahn, Vorstand des Wasserverbandes Dannenberg-Hitzacker. "Da dann auch die gesamte Wartung, Pflege und Instandsetzung der Netze aus der Region organisiert werden muss, werden ausserdem neue Arbeitsplätze geschaffen. Aufträge von erheblichem Volumen können dann an regionale Unternehmen vergeben werden." Zu genauen Kosten und Einnahmen mochten sich Dr. Horchelhahn wegen möglicher Wettbewerbsprobleme allerdings zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern.

Wasserverband: Wir sind bereit

Da Dr. Horchelhahn mit Gewinnen rechnet, könnten durch steuerliche Vorteile auch Verluste aus dem Bäderbetrieb geschmälert werden. Das funktioniert aber nur, wenn der Wasserverband als kommunales Unternehmen auftritt. Die bisherigen Planungen sehen das auch so vor. Aber: "Wie das rechtliche Konstrukt der neuen Stromnetz-Besitzer-Firma wirklich aussieht, das müssen noch Gespräche und Verhandlungen ergeben", so Dr. Horchelhahn. Der Wasserverband hat zwar intern bereits den "strategischen Beschluss" gefasst, sich dieser neuen Aufgabe anzunehmen und später womöglich sogar als Stromanbieter aufzutreten. Die Entscheidung darüber, ob die Stromnetze tatsächlich von der Kommune übernommen werden, ob dann der Wasserverband als Unternehmen auftreten soll oder doch ein neues Unternehmen  gegründet wird, treffen die Samtgemeinderäte. Außerdem wird es wohl noch Jahre dauern, bis geklärt ist, unter welchen Bedingungen der regional produzierte Strom selbst verkauft werden kann.

Im Lauf der Jahre werden die Stromnetze in allen Gemeinden frei. Der Traum von der regionalen Selbstversorgung kann erst dann Wirklichkeit werden, wenn sich alle Kommunen dazu entscheiden, dem Beispiel Dannenbergs zu folgen und sich in das Stromnetz-Besitzer-Netzwerk einzureihen.

Soziale und ökologische Vorteile

Dr. Horchelhahn weiß, dass der (Rück-)Kauf von Stromnetzen einen langen Atem und Durchsetzungswillen voraussetzt. Doch nicht nur er ist davon überzeugt, dass das mögliche Ergebnis den Einsatz lohnt: Eine sozial und ökologisch orientierte Energiepolitik für die Bürgerinnen und Bürger und nachhaltiger Klimaschutz sowie CO2 Reduktion durch den späteren Einsatz erneuerbarer Energie.

Die Wirtschaftlichkeitsanalyse führte zum Ergebnis, dass trotz möglicher Risiken die Übernahme der Stromnetze in der Samtgemeinde Elbtalaue weiterverfolgt werden sollte. Bisher stehen die Räte der Samtgemeinde Elbtalaue an der Seite des Wasserverbandes. Verspricht doch die Wirtschaftlichkeitsanalyse den durchgehend klammen Gemeinden zusätzliche Einnahmen. Denn selbst wenn der Wasserverband als Unternehmen die Netze besitzt, so kommen die Gewinne doch der Allgemeinheit, in diesem Fall der Samtgemeinde Elbtalaue zugute. Die Einnahmen aus den Durchleitungsgebühren würden in den Gemeindehaushalt fließen und könnten dort frei eingesetzt werden.

Ein Stromnetz-Besitzer kann zwar nicht per Beschluss verhindern, dass nur ökologisch einwandfrei produzierter Strom durch die Netze fließt. "Das Netz muss für alle Stromanbieter verfügbar sein", so Dr. Horchelhahn. Doch sollte es tatsächlich gelingen, dass der Wasserverband als Stromanbieter für regional produzierten Strom auftritt, dann entscheiden die Verbraucher, welche Energie in Zukunft durch die Leitungsnetze fließt. Für den privaten Verbrauch würde der regional produzierte Strom jetzt schon ausreichen.

Andere Gemeinden haben es vorgemacht

In den neunziger Jahren gab es eine Reihe von Stromnetzkäufen durch Kommunen. Häufig kam es zum Streit über die Höhe des Kaufpreises. Die Kommunen waren der Auffassung, dass die tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungswerte sowie deren Abschreibungen die Basis für den Kaufpreis bilden sollten. Die großen Energieversorger bestanden hingegen auf dem sogenannten Sachzeitwert. Er ergibt sich aus dem Herstellungswert der Anlagen zum Übernahmezeitpunkt und berücksichtigt die bisherige Nutzungsdauer und den technischen Erhaltungszustand der Anlagen.

Eine Prozesskostengemeinschaft von knapp 40 Stadtwerken und Kommunen führte daraufhin in zwei Musterprozessen eine höchstrichterliche Klärung des angemessenen Kaufpreises herbei. Die Bocholter Energie- und Wasserversorgung GmbH klagte vor dem Landgericht Dortmund gegen RWE Energie. Die oberbayerische Gemeinde Kaufering zog gegen die Lech Elektrizitätswerke AG vor das Münchener Landgericht. Der Bundesgerichtshof entschied schließlich im November 1999 (KZR 12/97), dass der Preis für das Stromnetz nicht so hoch sein dürfe, dass er die Netzübernahme verhindere. Der Sachzeitwert sei zwar nicht generell unzulässig, dürfe jedoch nicht dazu führen, dass eine Gemeinde faktisch daran gehindert werde, den Netzbetreiber zu wechseln.

Wie gesagt: Die Samtgemeinde Elbtalaue ist nicht die einzige Kommune, die Eigentümerin ihres Stromnetzes ist oder werden will. Genaue Zahlen, wie viele Kommunen in Deutschland über ein eigenes Stromnetz verfügen, gibt es nicht. Der deutsche Städte- und Gemeindebund schätzt aber, dass 1500 bis 1800 der rund 13.000 Städte und Gemeinden Eigentümer oder Miteigentümer des kommunalen Strom- oder Gasnetzes sind. Der Verband der deutschen Elektrizitätswirtschaft zählt 25 größere Stadtwerke sowie 700 mittlere und kleinere Stadtwerke auf dem Strommarkt. Die Mehrzahl von ihnen ist zumindest Miteigentümer.

Hierzulande wäre die Übernahme der Stromnetze ein immens wichtiger Schritt zur tatsächlichen Selbstversorgungen aus erneuerbaren Energien.

Foto: wikipedia (Freileitung mit Transformatorhäuschen)

 

{{tpl:tocbox |style=width:60%;margin:6px; |hd=Mehr zu "Stromnetze" |bd={toc |dt=Wiki |groupID=wnet |public=1 |tags=stromnetze |max=10 |template=tpl:link-list }
}}




2010-02-10 ; von Angelika Blank (autor),

stromnetze   strom   energie  

Kommentare

    Sie müssen registriert und angemeldet sein um einen Kommentar schreiben zu können