Nach süßem Zimtgebäck, nicht minder süßen Liedlein und Besinnlichkeit beim Baum war der Appetit auf Deftiges offensichtlich groß. Das Verdo in Hitzacker zeigte sich proppenvoll, als die KünstlerInnen von „Zauber der Travestie“ die eher ruhigen Tage mit einem Mix aus Frivolem, Glitter und Gesang aufpowerten.
In welchen Regionen der menschlichen Anatomie ein Großteil des Ulks angesiedelt ist, den die AkteurInnen bieten, ist von vornherein bekannt. Und so nahm es auch die gut vertretene Ü-50-Generation mit Humor, wenn die „Schwester aus dem Seniorenheim“ altersbedingt schwer kontrollierbare Körperfunktionen in den Focus ihrer Späße nahm oder wenn einem Amy-Winehouse-Double ein Stück industrieproduzierter Männlichkeit aus dem Kleid fiel. Laute Lachsalven waren Lohn für solche Einfälle.
Als Gipfel des Amusements werden alle Jahre wieder die direkten „Attacken“ aufs Publikum angesehen: Wenn das dralle „Fräulein Louise“ den Männern in der ersten Reihe auf den Schoß zu hüpfen droht, wenn „die Tante aus Alicante“ ihren nur dezent netzbedeckten prallen Po durch die Reihen schiebt und einen jungen Mann auf die Bühne holt, um ihn mittels Oberweite Cup DD aus dem Revuerfundus zu „verwandeln“, dann steigt der Zeiger auf der imaginären Johl-,Klatsch- und Lachskala.
Klatschfans konnten ihrer Leidenschaft aber nicht nur beim Applaudieren frönen, sondern auch bei den vielen Gesangsnummern, bei denen die Travestie-Solisten bekannte Stars interpretierten – auch mal, so gar nicht travestiegemäß, richtige Männer: Michael Jackson beispielsweise. Klatsch-klatsch, begleitete das Publikum all die Songs - wie einst bei Hecks Hitparade. Nur beim Walzer blieben die Hände mal ruhig – denn nun hieß es: Einhaken zur Schunkelseligkeit!
All das gefiel ebenso wie die breite Witzpalette, zu der auch die Frage zählte, was Leute im Altenheim singen, wenn ihnen die Sauerstoffmaske abgenommen wird: Natürlich „atemlos“! Und schon ertönte der Helene-Fischer-Hit, lud wieder ein zum Klatschen, das nur noch vom Schlussbeifall übertroffen wurde – genau gesagt: von Standing Ovations, mit denen eine begeisterte Menge die Frage des Ensembles „sollen wir 2015 wieder kommen?“ klipp und klar bejahte. Hagen Jung