Wie lässt sich das Verdo beleben, wie der Saal jener Hitzackeraner Kulturstätte füllen? Ein kompetentes Team, das diese Aufgabe gut zu lösen versteht, erfreute am Dienstag ein vielköpfiges Publikum: Die KünstlerInnen von „Zauber der Travestie“ sorgten für einen Abend voller guter Laune.
Ein bisschen frech darf so eine Show schon sein, und so wurden die älteren Leute von der glitzernden Conférencieuse mit netten Worten als „Vertreter des Metallzeitalters“ begrüßt: „Silber im Haar, Gold im Mund, Blei im Arsch!“ Und die starke Präsenz der (echten) Frauen im Saal lasse einen lesbischen Kongress vermuten, hämte „Onkel-Tante Lilian“, die sich als „Dame mit Sti(e)l – eine so genannte Eierfrau“ vorgestellt hatte.
Deftige Derbheiten und ein Märchenprinz
Derlei Derbheiten gehören dazu beim Travestie-Abend, und so ist niemand pikiert, wenn‘s deftig wird, im Gegenteil: Heiterkeit en gros bestimmte die Atmosphäre, Lachsalve auf Lachsalve füllte das Haus, in dem die KünstlerInnen ihre Gäste verzauberten. Einigen von ihnen widerfuhr dies auf der Bühne: „Jennifer“ zum Beispiel lockte einen ganz in dezentes Schwarz gekleideten Besucher ins Rampenlicht – drapierte ruck, zuck leuchtende Stoffe um ihn, und plötzlich stand dort ein Märchenprinz mit goldenem Turban und Goldschärpe über der Tunika. Doch Mann blieb Mann.
Tunterich tänzelt in Türkis
Eine intensivere Verwandlung musste ein junger Mann namens Philipp über sich ergehen lassen. Um ihn kümmerte sich ein bärtiger Tunterich, der in türkisem Lurex-Hosenanzug, roten High Heels und mit Lederkerl-Käppi schon beim Auf-die-Bühne-Tänzeln für Heiterkeit sorgte. Diese schrille Manifestation des Androgynen nun bearbeitete den geduldig auf einem Stuhl verharrenden Philipp mit Schminke und allerlei Accessoires so intensiv, dass der Lüchow-Dannenberger als Tranny gewiss ein gutes Passing gehabt hätte. „Hotte“, so hieß der Tunterich, stellte schließlich fest, er habe seinen temporären Bühnenpartner „homosensationell homogenisiert“. Auch Hottes rosa Hündchen (laut Auskunft seines Besitzers ist der Vierbeiner schwul), wohnte der Szene bei.
"Lady Gaga mit 73" - ein Brüller
Philipp trug die Verwandlung mit so viel Geduld und Humor, dass ihn (natürlich längst abgeschminkt) auch „Fräulein Luise“ als willkommenes Opfer erkor und ihn zum „Pas de deux“ aufforderte. Mit Erfolg. Der „Schwanensee“ nach Transen-Art war ein Brüller! Als nicht minder erfolgreicher Angriff auf die Lachmuskeln erwies sich der Auftritt von „Lady Gaga – so wie sie mit 73 Jahren aussieht“. Ein Pop-Gespenst mit Pferdegebiss, extrem dicker Brille und kaum definierbaren schlabberigen Körperteilen tappte mit einem Gehgestell zum Mikrophon. Noch ein Brüller!
Hossa mit der singenden Matratze
Zur Entspannung gabs Gesang in glitzernden Kostümen – und gern sang und klatschte das Publikum mit. Und dort, wo im Sommer wieder edle Muse einer andächtig lauschenden Festivalgemeinde hörbare Hochkultur beschert, tönte und dröhnte es durch den Saal: Hossa! Hossa! - angestimmt von Elke Winter, der „singenden Matratze aus St. Pauli“. Und wenn man Sexy-Rexys Fiesta-Mexicana-Text nicht mehr kannte, was machte das schon: Lalalalalalalala tat’s auch. Hossa!
"...ob du 'n Mädel hast oder Karl-Heinz"
Walzerlieder waren zu hören – nicht verblödelt, sondern im Original – und sie gefielen ebenso gut wie die aufgepimpte Version von „Auf der Rrrreeperbahn nachts um halb eins…“, dieses Lied allerdings mit einer klitzekleinen Änderung: „…ob du 'n Mädel hast oder Karl-Heinz…“
Wie outet sich der Schneemann?
Und Witze natürlich, immer wieder Witze. Aktuelle, zur Jahreszeit passend. Kostprobe? Bitte sehr: „Woran erkennt man einen schwulen Schneemann? – Er hat die Möhre im Hintern stecken!“ Ehe jedoch das Publikum in den Schnee entlassen wurde, gabs von der Bühne zum Finale die Frage „sollen wir wiederkommen?“ Ein vielstimmiges „Jaaaa“ ertönte zusammen mit dem verdienten Applaus für einen brillanten Abend, zu dem sogar Gäste aus dem gar nicht so nahen Arendsee mit dem Auto angereist waren. Mit einem Programm, welches das Publikum anspricht, lässt sich eben auch zur frostigsten Zeit das Verdo gut füllen.
Fotos: Hagen Jung
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