Thema: politik

Ein neues Versammlungsgesetz für Niedersachsen

Ablehnung von Versammlungsleitern und Ordnern, erhebliche Dokumentationspflichten für Veranstalter von Versammlungen... Dies und andere Regelungen enthält der Gesetzesentwurf für ein neues Versammlungsrecht in Niedersachsen, der derzeit im Landtag vorliegt. Noch in diesem Frühjahr soll der Entwurf Gesetz werden.

Geplant sind beispielsweise erhebliche Dokumentationspflichten bei der Anmeldung – neben den bisher vorgeschriebenen Angaben zu Zeitpunkt, Ort, Thema und dem Namen des Veranstalters sollen künftig z. B. persönliche Angaben des Veranstalters, der beabsichtige Ablauf und zur „Durchführung der Versammlung mitgeführte Gegenstände“ angegeben werden. Auf Anforderung müssten auch die persönlichen Daten der Ordner an die Versammlungsbehörden übermittelt werden.

Sowohl Leiter als auch Ordner sollen von den Versammlungsbehörden als „ungeeignet“ abgelehnt werden können. Während der Versammlung soll der Versammlungsleiter verpflichtet werden, „geeignete Maßnahmen“ zu treffen, um Gewalttätigkeiten „aus der Versammlung heraus“ zu verhindern. Versammlungen, die den “Eindruck der Gewaltbereitschaft� vermitteln, sollen von der Polizei aufgelöst werden können.

Piratenpartei Niedersachsen kritisiert das Vorgehen der Landesregierung

“Das geplante Niedersächsische Gesetz ist ein unzumutbarer Eingriff in die informelle Selbstbestimmung des Bürger. Die gesicherte Speicherung der geforderten Daten ist bisher noch nicht geklärt.�, so Oliver Schönemann Datenschutzbeauftragter des Landesverbands Niedersachsen.

Gemeinsam mit anderen Gruppen und Bürgerinitiativen wie dem “Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung� und dem “Bündnis gegen das neue Niedersächsische Versammlungsgesetz� setzt sich die Piratenpartei dafür ein, dass das Gesetz in der vorliegenden Form nicht verabschiedet wird.

Bürgerrechtler: Versammlungsgesetz ist verfassungswidrig

"Verfassungswidrig, demokratiefeindlich, bürokratisch aufgeplustert und unverständlich", das sind die markigen Noten, die die hannoverschen Mitglieder des Arbeitskreises  Vorratsdatenspeicherung dem CDU-FDP-Gesetzentwurf für das Niedersächsische Versammlungsgesetz vergeben haben.

Verfassungswidrige Videoaufnahmen, Abgabepflicht für persönliche Daten von Versammlungsleiter und -ordner, ein umfangereicher Katalog von  Bußgeldern in Höhe von bis zu 3000 Euro, zum Teil für Bagatellen wie falsche oder fehlende Ordnerbinden und ein an den Wünschen der Behörden ausgerichtetes Gesetz. Das sind nach Meinung der Menschenrechts- und Datenschutzaktivisten nur einige der vielen bedenklichen Details, die in dem neuen Gesetz versteckt sind. „Mein persönlicher Negativ-Favorit ist die so genannte ‘Reifeprüfung’“, sagt Michael Ebeling vom AK-Vorrat Hannover. „Danach darf die Versammlungsbehörde als Leiter oder Ordner fungierende Bürger ablehnen, wenn sie sie in dieser Funktion für unfähig erklären. Wie das genau beurteilt werden soll, das steht aber nirgends.“

Während CDU und FDP das Gesetz immer wieder als „modern, schlank und anwendungsfreundlich“ zu vermitteln versuchen, erweckt die vom AK-Vorrat in einem nun  veröffentlichten Dokument zusammengetragene 10-Punkte-Kritik den gegenteiligen Eindruck. Während das bisherige Versammlungsgesetz noch auf 10 Seiten Platz gefunden hat, braucht die niedersächsische Regierung nun 46 zum Teil eng bedruckte Seiten. „Welcher normale Mensch soll das lesen und verstehen?“ fragt sich Ebeling.

Seit über einem Jahr begleitet der AK-Vorrat Hannover die Gesetzgebung des Versammlungsrechts. CDU- und FDP-Parteiveranstaltungen wurden mit dem Verteilen von Informationen bedacht, Briefe und Telefonate an die Parteispitzen gerichtet und im Rahmen der Veröffentlichung eines grundlegenden Thesenpapiers haben die Datenschützer alle 153 Abgeordnete des Landtags mit einem persönlichen Schreiben angesprochen.

Doch die Resonanz war bislang mau: Die im Laufe dieser Zeit vorgebrachten Gesprächsangebote wurden nicht nur nicht beantwortet oder wahrgenommen, wichtige Elemente eines modernen Versammlungsrechts, wie eine die Beamten schützende pseudonyme Kennzeichnung, die Anmeldefreiheit für Kleinstversammlungen oder auch eine Diskussion über den Umgang mit neuartigen Protestformen wie Flashmobs, gibt es nicht.

„Es ist schon bitter, erfahren zu müssen, dass nach über einem Jahr kritischer und sachlicher Begleitung die selbst ernannte Bürgerrechtspartei FDP für solch ein verfassungsfeindliches Gesetz verantwortlich zeichnet und gemeinsam mit der CDU nichts anderes als Schönrednerei betreibt“, meint Michael Ebeling nach der ersten Beratung des Gesetzes im Landtag am vergangenen Dienstag. „Wir denken darüber nach, Verfassungsbeschwerde einzulegen, falls der Gesetzentwurf wirklich in dieser Form verabschiedet werden sollte.“

Grüne: kein großer politischer Wurf

Für die Grünen im niedersächsischen Landtag ist der vorgelegte Gesetzentwurf kein "großer politischer Wurf". "Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wird nicht aus seiner staatlichen Bevormundung befreit," sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen in Hannover, Ralf Briese. "Die verantwortliche Behörde hat nach wie vor einen großen Einfluss auf das Demonstrationsgeschehen und kann kontrollieren, verbieten und lenken."

Briese wertete dennoch positiv, dass das Gesetz nicht den "klassischen Geist Schünemann'scher Repression atmet, sondern auch kleine liberale Akzente aufweist". So sei zum Beispiel die Anmeldefreiheit für Kleindemonstrationen eine sinnvolle Regelung. "Ängstlich bleibt schwarz-gelb dagegen bei der Bannmeile", sagte der Grünen-Politiker. Was der Öffentlichkeit an Demonstrationen zumutbar sei, sei auch den Parlamentariern zumutbar.

Der Entwurf des Versammlungsgesetzes müsse jetzt in großer Öffentlichkeit diskutiert werden, forderte Briese. "Ein zentrales Grundrecht wie die Versammlungsfreiheit darf nicht in Hast und Hektik sofort in den Ausschuss überwiesen werden. Demonstrationen sind öffentlich und Gesetzesberatungen sollten es auch sein."

Der vollständige Gesetzentwurf wurde vom Bündnis gegen das neue niedersächsische Versammlungsgesetz veröffentlicht und findet sich hier.

Foto: Andreas Conradt / publixviewing: Ein sogenannter "Flashmob" anlässlich einer Wahlkampfveranstaltung von Angela Merkel in Hamburg (Herbst 2009)

 

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2010-01-20 ; von Angelika Blank (autor),

politik   demokratie   demonstration   versammlung  

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