Alljährlich muss der Landkreis Lüchow-Dannenberg Schulden von 4,6 Mio. Euro machen, um seine Ausgaben tätigen zu können. Ein Zustand, der dem Land schon lange ein Dorn im Auge ist. Nun könnte die Region mit dem Land einen sogenannten „Zukunftsvertrag“ abschließen, der für eine verbesserte Finanzsituation sorgen würde – dafür müsste der Landkreis allerdings an einem Strang ziehen.
Noch ist nicht endgültig klar, was auf die Gemeinden wirklich zukommt, die sich auf das Angebot des Landes, 75 % der Kassenkredite zu übernehmen, annehmen. Doch eines weiß Lüchow-Dannenbers Landrat Jürgen Schulz ganz genau: „Wenn wir uns um dieses Angebot nicht kümmern, dann wird es eine Zukunft von Lüchow-Dannenberg als eigenständige Verwaltungseinheit nicht mehr lange geben.“
Schafft es der Landkreis, einen bis zum Jahre 2020 ausgearbeiteten Finanzplan vorzulegen, der nach 10 Jahren ohne Schulden auskommt, so stehen die Aussichten gut, vom Land nicht nur 75 % der Kassenkrediten erlassen zu bekommen, sondern darüber hinaus weitere Infrastrukturmittel zu erhalten. Außerdem signalisierte die Landesregierung, im Rahmen dieses „Zukunftsvertrages“ Landesaufgaben an den Landkreis zu übertragen – mit entsprechender finanzieller Ausstattung versteht sich.
Es gibt verschiedene Varianten, wie das Ziel der Schuldenfreiheit erreicht werden könnte. Eine davon ist die Fusion mit einem oder mehreren anderen Landkreisen, eine andere wäre der Versuch, die Einsparungen aus eigener Kraft zu schaffen.
Der 6-Punkte-Plan des Landrats
Bereits im Sommer vergangenen Jahres hatte sich der Kreistags des Landkreises dafür entschieden, es aus eigener Kraft zu schaffen. Doch schon seit einigen Monaten melden sich z.B. die Samtgemeinde Lüchow sowie die SG Elbtalaue zu Wort, die befürchten, dass die Haushaltskonsolidierung des Landkreises zu Lasten ihrer Gemeinden geht. So soll zum Beispiel die Kreisumlage erhöht werden – Geld, welches die Gemeinden an den Landkreis zahlen.
Jürgen Schulz: „Wir werden ein funktionierendes Konzept nur gemeinsam mit den Samtgemeinden aufstellen können. Da sehe ich aber angesichts der teils recht unterschiedlichen Vorstellungen in den Räten schlechte Chancen für eine Umsetzung.“
Nun ging Landrat Schulz mit einem Konzept auf die Gemeinden zu, in dem er sechs Varianten zur Haushaltskonsolidierung vorschlägt. In der ersten Variante geht er davon aus, dass keine weiteren Einsparungen mehr zu erzielen sind. Deswegen müssen nach Landrats Vorstellungen die Einnahmen erhöht werden. Vorgeschlagen werden hier die Aufstellung von weiteren Geschwindigkeitsmess-Anlagen, die Anhebung der Grundsteuer A + B um 150%-Punkte (mit einer Staffelung in den verschiedenen Samtgemeinden).
Zur Anhebung der Grundsteuer wurden allerdings im Rahmen eines Gesprächs mit den Kommunalen Spitzengespräches erhebliche Bedenken geäußert, ob eine derartige Anhebung genehmigungsfähig sei.
Variante 2 – gemeinsame Anstrengungen
Bei dieser Variante bemühen sich Landkreis und Gemeinden „in einem gemeinsamen und kooperativen Konzept um Konsolidierung“, wobei eine Verbesserung der Kostenseite um 3 Mio. Euro/jährlich erreicht werden soll.
Auch in der zweiten Variante ist eine Anhebung der Grundsteuern (kreisweit um 50%-Punkte) vorgesehen. Darüber hinaus soll eine Intensivierung der Zusammenarbeit von Verwaltungen zu weiteren Einsparungen führen – 20 Stellen sollen auf diese Weise eingespart werden. Außerdem drohen „massive Eingriff in den Kreishaushalt durch Einsparungen im Schul- und Jugendhilfebereich.“ Letztes würde vor allem die Schülerbeförderung aber auch Sachmittel im Jugendbereich betreffen.
Was soziale und wirtschaftliche Hilfen angeht, so versucht der Landkreis bereits seit einiger Zeit nach dem Prinzip „Ambulant vor Stationär“ durch den verstärkten Einsatz von Beratern und Helfern hohe Heimkosten zu vermeiden. Dieses Konzept der verstärkten ambulanten Hilfe und der Überprüfung von Notwendigkeiten soll weitergeführt und ausgebaut werden.
Auch die Zukunft des Frauenhauses oder der Beratungsstelle Violetta steht zur Diskussion: bisher beziehen diese Einrichtungen rund 70 000 Euro jährlich aus dem Kreisetat. Hier habe „die Politik zu entscheiden“, ob diese Zuschüsse weiter gezahlt werden sollen, heißt es in einer Stellungnahme des zuständigen Fachdienstes.
Variante 3 – der Landkreis versucht es ohne die Gemeinden
Hier wird davon ausgegangen, dass es eine gemeinsame Planung von Landkreis und Gemeinden nicht zustande kommt – der Landkreis würde sein eigenes Konzept vorlegen. Neben den bereits in Variante 3 beschriebenen Einsparungen und Einnahmenerhöhungen weitere Einsparungen vorgenommen werden. „Hier müsste dann auch über die Schließung von Schulstandorten oder Veränderungen in der Übernahme von Schülerbeförderungskosten nachgedacht werden“, so Schulz.
Variante 4 – Zusammenschluss mit einem anderen Landkreis
Falls alle anderen Varianten nicht umzusetzen sind, so Landrat Schulz als Ausweg nur noch die Fusion mit einem/mehreren anderen Landkreisen, die dann zum Beginn der nächsten Kommunalwahlperiode, als dem 01.11.2016, starten sollte.
Welche Folgen eine Fusion auf Einnahmen und Ausgaben haben wird und ob ein Zukunftsvertrag mit dem Land unter den dann neuen Bedingungen zustande kommt bleibt ungewiss.
Varianten 5 und 6 – Klagen oder Abwarten bis die Auflösung kommt
In den letzten beiden Varianten skizziert Landrat Schulz die eher negativen Varianten, falls eine aktive Kooperation nicht zustande kommt.
1. Der Landkreis verklagt das Land auf Übernahme erhöhter Kosten, da bereits ein verfassungsrechtliches Gutachten von 1978 klar aufgezeigt habe, dass der Landkreis Lüchow-Dannenberg vom Land über die Instrumente des allgemeinen Finanzausgleichs hinaus besonders zu unterstützen ist. „Dieses Vorgehen ist allerdings mit erheblichen Risiken behaftet“, befürchtet der Landrat. „Das Verfahren wird sehr viel Geld kosten und der Ausgang ist völlig ungewiss.“
2. Geht der Rechtsstreit schlecht aus oder entwickelt der Landkreis überhaupt keine Ideen, wie die Finanzmisere zu beheben ist, so ist nach Ansicht von Landrat Schulz die Auflösung des Landkreises durch das Land nur noch eine Frage der Zeit. „Immer wieder wurden in Gutachten funktionsfähige Einheiten von rund 120 000 Einwohnern errechnet – da reichen wir mit unseren knapp 50 000 Einwohnern lange nicht heran“, so Schulz.
Das nächste Jahr wird also entscheiden, ob sich Bürger sowie Landkreis- und (Samt-)Gemeindeverwaltungen auf ein Konzept einigen können. Eine Bürgerbefragung soll demnächst mehr Klarheit über den Bürgerwillen bringen.
Was die Koooperation mit den Samtgemeinden angeht, so stehen die Chancen eher schlecht, dass eine Einigung zustande kommt. Vor allem die Samtgemeinde Elbtalaue hat große Befürchtungen, dass der Landkreis seine Haushaltskonsolidierung auf dem Rücken der Gemeinden erreichen will. Sowohl in Lüchow als auch in Elbtalaue gibt es Bestrebungen, eigene Haushaltskonzepte zu entwerfen und beim Land einzureichen.
Foto: Angelika Blank / Landrat Jürgen Schulz (li.) beim Berufsinformationstag 2011, auf dem die Berufsbildenden Schulen Lüchow ihren neuen Fachbereich Informatik vorstellten - ein zukunftsträchtiger Bereich, der auch für Auswärtige attraktiv ist