Wie jetzt bekannt wurde, hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bereits am 9. Mai (einen Tag vor Bekanntwerden des ersten EHEC-Falles) vor einer möglichen Belastung von Sprossen mit EHEC-Bakterien gewarnt. Unklar bleibt, warum diese Information über vier Wochen der deutschen Bevölkerung vorenthalten wurde.
In der Sendung "Mahlzeit" von Deutschlandradio Kultur berichtete am Sonntag der Lebensmittel-Experte Udo Pollmer über die Stellungnahme des BfR. Pollmer sieht die Medien in der Mitverantwortung: "Die dringende Warnung der obersten Fachbehörde haben sie (die Medien) verschwiegen, dadurch konnte sich der Infekt zum größten bakteriellen Ausbruch nach dem Zweiten Weltkrieg entwickeln. Sprossen sind ja so wahnsinnig gesund", so Pollmer im Deutschlandradio. "Die Redaktionen lieben Experten, die ihnen nach dem Mund reden, die mühsam aufgebaute Vorurteile nicht gefährden. Politik und Medien brauchen sich gegenseitig so wie der Hund sein Herrchen. So etabliert sich eine gesundheitspolitische Gurkentruppe."
Dabei hatte das BfR deutlich vor der Gefahr durch Sprossen gewarnt. "Der bisher größte Ausbruch an einer EHEC-Infektion mit über 6000 Erkrankten in Japan ist auf EHEC kontaminierte Rettichsprossen zurückzuführen", heißt es in der Stellungnahme. Und: "In Deutschland werden pflanzliche Lebensmittel in der Regel nicht auf STEC/EHEC untersucht. Die hohe Kontaminationsrate bei Fleisch- und Milchprodukten zeigt jedoch, dass STEC/EHEC in der Nahrungsmittelproduktion in Deutschland ein Problem darstellen."
Doch erst am 5. Juni tauchten Sprossen erstmalig in der Öffentlichkeit als möglicher Verursacher der aktuellen EHEC-Pandemie auf. An diesem Tag hatte der niedersächsische Landwirtschaftsminister Gert Lindemann in einer Pressekonferenz über die neuesten Erkenntnisse berichtet - und handelte sich für diesen Vorstoß wütende Proteste seiner Kollegen aus anderen Bundesländern sowie der Bundesregierung ein. Zu diesem Zeitpunkt lief die EHEC-Welle bereits seit fast einem Monat durchs Land.
Die ganze Stellungnahme des BfR gibt es hier