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Gartower Waldgeschichte III - Wildhege und Schurkenfang

Wilderer verhaften, Raubwild zur Strecke bringen - aber auch den König auf der Jagd begleiten. Förster hatten zu früheren Zeiten auch Aufgaben, die wenig mit Forstwirtschaft zu tun hatten. 

Die Verteilung der Forsthäuser mitten in den Wäldern war nicht nur wegen der kurzen Arbeitswege vorteilhaft. Auch unerwünschte Ereignisse konnten schnell erkannt und das Problem gelöst werden. In ihren Revieren waren die Förster die langen Arme der Waldbesitzer. Die Einhaltung des alleinigen Jagdrechts der "Herrschaft" hatten sie genauso zu überwachen wie Einschlag und Verkauf von Holz. Gleichzeitig waren sie selber Jäger - mussten aber das erlegte Wild ihrem Dienstherrn überlassen. Ihnen blieb lediglich ein gewisses Legat, welches einen Teil ihres Lohnes ausmachte.

Nach den Tagebüchern von Oberförster Schmidt ging es auch darum, „Schurken“ aus dem Revier zu vertreiben. Am 25. Januar 1830 bekamen es Förster Schmidt und seine Leute mit einer Bande von 17 Holzdieben zu tun, die aus Lenzen herübergekommen waren. Bei Pevestorf wurden sie bei ihrem räuberischen Tun erwischt. „Es mußte diese Bande unter Anwendung der Schußwaffe vertrieben werden,“ schreibt Schmidt. „Ein Holzdieb, der Einwohner Friedrich Fährmann aus Lenzen wurde festgehalten und wurde dieser mit von uns genommenen 5 Handschlitten, 2 Beilen und 1 Axt dem gräflichen Gerichte in Gartow überliefert.“ Der so Festgenommene verriet später seine Kumpane, woraufhin sie vom Land- und Stadtgericht Lenzen zu Haft- und Geldstrafen verurteilt wurden.

Wilderer erscheinen uns wie ein Mythos aus Heimatfilmen der 50er Jahre. Doch Oberförster Schmidt und seine Kollegen stellten den Kampf gegen illegale Jäger nicht in Frage, schließlich waren sie Bedienstete der Grafschaft und befolgten deren Anweisungen - ganz wie es heutige Beamte tun.

Unter anderem kam es im August 1830 laut Schmidt zu einem „Zusammenstoß mit drei Wilddieben vermutlich aus Klanze und Marleben.“ Nach Durchsuchung mit einer gerichtlichen Verfügung wurden bei den Verdächtigen Jagdgewehre gefunden und beschlagnahmt. Derartige Vorfälle tauchen im Tagebuch von Oberförster Schmidt immer wieder auf.

Wildhege, ein Wolf im Revier und Königsjagd

Zu den Aufgaben eines Försters gehört seit jeher die Wildhege, einerseits um die Balance zwischen den Tieren zu halten, andererseits auch als Jagdgut. Im Jahre 1836 wurde zum Beispiel ein Kampfhirsch abgeschossen, weil der starke Hirsch dabei erwischt wurde, dass er von Rudel zu Rudel rannte und „überall Händel anfing“. Einen starken Hirsch hatte er schon getötet, berichtet Schmidt. Wie bedeutsam die Jagd auf diesen Störer für die Förster  war, zeigt sich daran, dass Schmidt die Jagd des starken Tiers mit ihrem "erfolgreichen" Ausgang auf mehreren Seiten in allen Einzelheiten schildert.

Nach welchen Kriterien eine Balance zwischen den Tierarten herzustellen ist, zeigt ein Beispiel aus dem Tagebuch: Kormorane, die in den Gartower Forsten lebten, wurden abgeschossen, weil sie nach Schmidt die Nester von Reihern ausräuberten. Warum die Förster Reiher schützen wollten - dazu äußert sich Schmidt nicht. Aus anderen Quellen ist aber bekannt, dass Reiher einerseits als exquisite Speise galten und ihre Federn im 19. Jahrhunderts heiß begehrt waren. Ob die Vögel mit Greifvögeln - wie woanders üblich - gejagt wurden, geht aus Schmidts Tagebuch nicht hervor. 

1850 wurde ein Wolf im Gartower Thiergarten gesichtet. Oberförster Schmidt notierte in seinem Tagebuch, dass er dreimal gesichtet wurde, "jedes Mal kaum 12 Stunden Aufenthalt." Rehbock, Reh, eine alte Ricke, Alttier" wurden als Rissopfer genannt. Der Wolf hatte laut Schmidt "das Stück Wild sehr manierlich göffnet und nur die Leber herausgerissen und verzehrt, alles übrige war gut und brauchbar." Woher die damaligen Förster wussten, dass dieser Wolf "sein Hauptquartier im Görder Thiergarten" hatte, bleibt unklar. Berichtet wird, dass "der Herr Forstmeister Götz von Olenhausen  zur Görde" im Winter 1851 dem Wolf bei einer Treibjagd im frischen Schnee durch eine "wohlgezielte Büchsenkugel ein Ende machte."

Wölfe, Flut und Königsjagd

Wölfe waren Mitte des 19. Jahrhundert in den Gartower Forsten nicht unbekannt. 1836/37 trieb sich ein aus Polen eingewanderter Wolf in den Wäldern umher und wilderte auf seine Art. Solange er sich „manierlich“ am Wild vergriff - was bedeutete, dass er das Fleisch des restlich Tieres so hinterließ, dass es noch verwertet werden konnte - duldeten die Förster seine Anwesenheit.  

Was Hege bedeuten kann, zeigte sich während der großen Flut 1855: auf einer Anhöhe am Rande des Höhbecks hatten sich rund ein Dutzend Rehe und Hasen gerettet – viele andere waren in den Fluten versunken. Die verbliebenen Tiere wurden von den Förstern mit Eicheln und Hafergarben und „gutem Heu“ gefüttert bis das Wasser sich wieder verlaufen und dieses Wild anderweitig genügende Äsung finden konnte.

Eine glanzvolle Abwechslung zum arbeitsreichen Alltag im Wald war ab 1837 der alljährliche Besuch des Königs von Hannover, Ernst August. Für die Förster war es eine ehrenvolle Aufgabe, den König auf der Jagd zu begleiten. Im Juni 1837 wurde der König mit „Hornmusik, Horrido und Hurra“ in Gorleben begrüßt, ist dem Tagebuch zu entnehmen.

Wieviel Großwild der König während der Gartower Jagden tatsächlich schoss und wieviel davon die Begleiter erledigten – darüber schweigt sich Schmidt elegant aus. 1839 waren es nach Schmidts Bericht lediglich 35 Hasen, die dem König zugeschrieben werden konnten.

Der Gartower „Thiergarten“

In der gleichen Zeit stellten die umliegenden Bauern immer wieder Schadenersatzforderungen wegen massiven Wildverbisses. Neben dem Jagdrecht gab es auch eine Verpflichtung der Waldbesitzer, im Wald für Ausgleich zu sorgen, damit die umliegenden Bauern keinen Schaden durch Wildverbiss erlitten.   

Als dann in Folge der französischen Revolution im Jahre 1848 für einige Zeit alle Grundstückseigentümer das Jagdrecht bekamen, fürchteten die „hirschgerechten Jäger“ (also die bisher priviligierten) um ihr Rotwild.

Die Idee kam auf, ein riesiges Gatter zu errichten, in dem das Wild leben sollte. Außerdem sollten drei Forsthäuser innerhalb des Gatters stehen. Bis Ende der 1890er Jahre wurde das Gatter nach und nach bis auf rund 3000 ha ausgeweitet, damit für die Tiere genügend Nahrung zur Verfügung stand. Zum Ende des zweiten Weltkrieges verfiel der „Thiergarten“ immer mehr und wurde schließlich aufgelöst.

Heute ist das Gartower Wildgatter nur noch ein kleines Relikt des ehemals riesigen Areals. Vor einigen Jahren wurde rings um des Gatters ein Wolfs-Lehrpfad errichtet, der über Lebensweise und Biologie des zurückgekehrten Wildtiers informiert. 

Gartower Waldgeschichte I - Von Heideflächen, Sanddünen und Mooren zum dichten Wald 
Gartower Waldgeschichte II - die Forsthäuser
 

Demnächst: Gartower Waldgeschichte IV - Vom Kahlschlag zum Mischwald


Foto | Aquarell aus den Gräfl. Bernstorffschen Archiven: Wie ergeben die Förster ihrem Dienstherrn waren, zeigt diese Glückwunsch-Urkunde zur Silbernen Hochzeit des "Landschaftsrats Günther von Bernstorff und der Frau Gräfin Eleonore". In "Dankbarkeit und Verehrung" hatten die Förster aus Falkenmoor diese Urkunde überreicht.




2021-10-18 ; von Angelika Blank (text),
in 29471 Gartow, Deutschland

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