Am Donnerstag besuchte Landtagspräsidentin Dr. Gabriele Andretta das Gorleben-Archiv in Lüchow. Nicht ohne Grund: sie ist überzeugt, dass der Gorleben-Widerstand ein Paradebeispiel für Demokratie von unten ist. Und diese Erfahrungen müssten unbedingt in die Zukunft getragen werden.
Für Dr. Gabriele Andretta,
Landtagspräsidentin, war es eine Herzensangelegenheit, auf ihrer Sommerreise das Gorleben-Archiv in Lüchow zu besuchen: „Dieser Widerstand hier in Gorleben hat das Land verändert. Hier ist
eine neue Protestform entstanden, die zeigt, wie Demokratie von
unten funktionieren kann."
Andrettas Interesse am Gorleben-Widerstand kommt nicht von ungefähr. In ihrer eigenen Geschichte war sie ebenfalls von einem großen Konfliktthema betroffen: In ihrer Heimat, dem Hunsrück, sollten atomar bestückte Pershing-II-Raketen stationiert werden – bis in die 90er Jahre hinein wurde dort mit gewaltfreien Widerstandsaktionen gegen die Stationierung demonstriert. Schon damals waren die kreativen Aktionen des Gorleben-Widerstands Inspiration für andere Protestgruppen in der Republik.
„Durch diese Widerstandsform ist eine ganz
neue Wirksamkeit von Demokratie entstanden," so Andretta. "Es ist wichtig, dass diese Erfahrungen als historisches Gedächtnis in die Zukunft bewahrt werden.“
Ein umfangreiches Archiv
Seit seiner Gründung im Jahre 2001 wurden dem Archiv Hunderttausende Materialien übergeben - rund 100 000 Fotos, 5000 Videos sowie unzählige schriftliche Materialien und Objekte aus Widerstandsaktionen enthalten Informationen und Erfahrungen zu zahlreichen Facetten aus fast fünfzig Jahren Widerstand. Allein die Unterlagen zu Marianne Fritzen werden in über 50 Archivkartons aufbewahrt.
Das Archiv steht allen Interessierten offen - wissenschaftlich Forschenden ebenso wie Privatleuten. Zuletzt war das Archiv z. B. Anlaufstelle für den Archäologen Attila Dezsi, der im Gorlebener Wald nach den Überresten der Freien Republik Wendland, dem Hüttendorf auf der Bohrlochstelle 1004 gräbt.
In den Materialien lassen sich viele Antworten finden - zu politischen Themen ebenso
wie zu soziologischen. Zum Beispiel ist es bisher immer noch ein
Phänomen, warum der Gorleben-Widerstand so lange lebendig geblieben
ist. Für Gabi Haas, langjährige Widerstands-Aktive und
Mitbegründerin des Gorleben Archivs könnte der Grund unter anderem
darin liegen, dass viele zugezogene Menschen sowohl mit der Region als auch mit
dem Widerstand teilweise enger verbunden sind als mit ihrer Ursprungsheimat. „Der Heimatbegriff wurde
hier neu gedacht - ist aber nie in das Reaktionäre abgerutscht," so Gabi Haas.
Das Gorleben-Archiv als Lernort
Dagmar Schulz, die als Fachdienstleiterin in der Kreisverwaltung, immer wieder Förderanträge für das Gorleben-Archiv unterstützt, nahm ebenfalls an dem Gespräch teilnahm. Die Landratskandidatin möchte, dass das Gorleben-Archiv als "Lernort der Demokratie" ausgebaut wird. "Hier hat eine Demokratisierung der Demokratie stattgefunden, daraus können wir viel lernen," so Schulz. "Ich stelle mir vor, dass der Landkreis als Modellregion für Lernorte der Zukunft entwickelt wird. Dazu gehört eine engere Verzahnung von Schule und externen Lernorten - wie zum Beispiel dem Gorleben-Archiv."
Derzeit finanziert sich der Gorleben Archiv Verein aus den Beiträgen von 230 Mitgliedern, Spenden und Förderungen für einzelne Projekte. „Aber es gibt keine grundlegende Förderung, die die Basis unserer Arbeit sichert,“ so Birgit Huneke. „Wir müssen uns von Projektantrag zu Projektantrag hangeln, denn das Land Niedersachsen hat die Basisförderung von Kultureinrichtungen schon seit Jahren eingestellt."
Die
Landtagspräsidentin versprach, bei der nächsten Gelegenheit im Gespräch mit dem
Kultusminister Fördermöglichkeiten auszuloten.
Foto | Angelika Blank: Für Landtagspräsidentin Dr. Gabriele Andretta ist das Gorleben-Archiv in Lüchow ein bedeutendes Gedächtnis einer bundesweit relevanten Widerstandbewegung.