Es ist über 10 Jahre her, dass das Jagdschloss Göhrde an eine Privatperson verkauft wurde. Seitdem rottet das Kulturdenkmal vor sich hin. Nun will das Bauamt aktiv werden.
Betrachtet man das Jagdschloss Göhrde von der Straße aus, so ist nicht unbedingt zu erkennen, dass der gesamte Gebäudekomplex sich in einem beklagenswerten Zustand befindet. Doch jetzt wurde bekannt, dass eines der Dächer im hinteren Bereich nach Augenzeugenberichten "bereits seit Monaten" lediglich mit einer Folie abgedeckt ist.
Schaut die Verwaltung tatenlos zu, wie das größte Kulturdenkmal des Landkreises verfällt? Kerstin Duncker, Denkmalpflegerin des Landkreises, betont, dass sie seit Jahren versucht, sich einen Überblick über den Zustand des Schlosses zu verschaffen. "Aber es ist ein schwieriges Thema," so Kerstin Duncker. "Wir kommen seit Jahren nicht an die Eigentümerin heran, um mit ihr zu besprechen, wie sie sich die Erhaltung des Jagdschlosses vorstellt." In enger Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege versucht sie seit Jahren, das Problem in den Griff zu bekommen.
Sanierungsbedarf mindestens 2 Millionen Euro
Gravierende Schäden waren schon vor
dem Verkauf bekannt: der Putz blätterte schon damals von der Fassade,
Bodensockel wiesen große Risse auf, die Heizung im Hauptgebäude war
defekt und, und, und ... Zum Verkauf im Jahre 2006 wurde der
Sanierungsbedarf bereits auf rund 2 Millionen Euro geschätzt. Von außen sind die Schäden allerdings nicht erkennbar, so dass die Kreisverwaltung keinen Anlass sah, aktiv zu werden.
Inzwischen sind über 10 Jahre vergangen, in denen der Zustand der Gebäude nicht besser wurde. Nach Jahren von missglückten Versuchen, mit der Eigentümerin in Kontakt zu kommen, will die Kreisverwaltung nun aktiv werden. Denn auch beim Bauamt des Landkreises ist bekannt geworden, dass Teile des Daches nach Stürmen lediglich durch eine Folie abgedeckt sind. Nun ist für Bauamtsleiter Manfred Haacke der Punkt gekommen, Maßnahmen einzuleiten. "Wir haben ein Bauamtliches Verfahren eingeleitet," so Haacke. Begonnen hat dies durch die Zusendung einer Anhörung an die Eigentümerin. Ziel der Baubehörde ist es zunächst, den Gebäudekomplex betreten zu können, um sich selbst einen Eindruck über den Zustand des Jagdschloss zu machen. "Die weiteren Maßnahmen werden wir entscheiden, wenn wir einen Überblick über die tatsächlich vorhandenen Schäden haben," so Haacke.
Da das Jagdschloss Göhrde ein Kulturdenkmal von öffentlichem Interesse ist, könnten derartige "Maßnahmen" theoretisch bis zur Enteignung gehen - doch dies sei in Niedersachsen nach seiner Kenntnis noch nie umgesetzt worden, so Haacke. Er hofft weiterhin, dass Vereinbarungen mit der Eigentümerin getroffen werden können, die den Erhalt des Jagdschlosses gewährleisten.
HINTERGRUND
Bis 2008 wurde das Jagdschloss Göhrde vom Bildungszentrum Göhrde bewirtschaftet. Mehrfach hatte das Land dem Bildungsverein den Gebäudekomplex zum Kauf - zuletzt sogar mehr oder kostenfrei - angeboten, was regelmäßig abgelehnt wurde. Auch ein Fusionsvorschlag mit der Heimvolkshochschule Hustedt wurde vom Verein abgelehnt.
Versuche, das Bildungsangebot der Heimvolkshochschule zu modernisieren, scheiterten am Widerstand der pädagogischen Mitarbeiter. Die Einstellung des Bildungsprogramms der IG Metall, welches jahrelang Stammeinnahmen sicherte, tat ihr Übriges, um den Bildungsverein in finanzielle Schwierigkeiten zu bringen. Auch das Land signalisierte, keine weiteren Fördergelder in das Bildungszentrum zu stecken.
Da weder der Landkreis noch die zuständige Samtgemeinde Elbtalaue Interesse am Erwerb des Kulturdenkmals zeigten, wurde das gesamte Gelände 2006 vom Land an Sieglinde Gränzer - für 30 000 Euro konnte sie den Gebäudekomplex ohne weitere Auflagen erwerben. Nach § 6 Niedersächsisches Denkmalschutzgesetz ist allerdings der Eigentümer verpflichtet, für den Erhalt zu sorgen.
Nach zweijährigen Zwistigkeiten setzte Gränzer ein Räumungsurteil durch und setzte die Heimvolkshochschule mit Hilfe eines Gerichtsvollziehers vor die Tür. Und nicht nur dass, auch das gegenüber liegende Forsthaus, was der Heimvolkshochschule verblieben war, wurde von ihr gekauft. Auch hier wurde die Heimvolkshochschule per Räumungbeschluss hinausgeworfen.
Seitdem herrscht - von außen betrachtet - Stillstand am Jagdschloss Göhrde und Befürchtungen wachsen, dass das Kulturdenkmal verfällt. Das Land Niedersachsen sieht sich nicht zuständig. Auf zwei mündliche Anfragen im Landtag antworteten zwei Minister unterschiedlicher Legislaturperioden, dass der Landkreis als oberste Denkmalschutzbehörde "nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Anordnungen zu treffen (hat), um gegebenenfalls die Einhaltung der Verpflichtungen der Eigentümerin einzufordern ."
Foto | Axel Hindemith, commons.wikimedia.org : Das Jagdschloss Göhrde gehört als ehemaliges Freizeitschloss Deutscher Kaiser zu den wichtigsten Kulturdenkmälern des Landkreises.