Ministerpräsident Stephan Weil und Umweltminister Stefan Wenzel hatten am Freitag Abend einige Mühe, ihren Kompromissvorschlag für ein Endlagersuchgesetz vor rund 200 WendländerInnen zu verteidigen. Zu tief sitzt bei den Gorlebengegner das Misstrauen gegen "die Politik".
Martin Donat, Vorsitzender der BI, brachte die Meinung der Mehrheit im Saal gleich zu Anfang der Veranstaltung auf den Punkt: "Wir haben Zweifel daran, ob der eingeschlagene Weg richtig ist. Immerhin haben wir schon mal eine rot-grüne Regierung erlebt, die es nicht geschafft hat, Gorleben aus dem Rennen zu nehmen."
Die Tatsache, dass Gorleben weiter im Rennen bleiben soll, eine ihrer Ansicht nach nicht genügend mit Verbindlichkeit ausgestattete Bund-Länder-Kommission, eine geringe Beteiligungsmöglichkeit von Ländern und Öffentlichkeit sind nur einige der Punkte, die Gorlebengegner wie Wolfgang Ehmke (BI) oder Jochen Stay (ausgestrahlt!) dazu bringen, den eingeschlagenen Weg abzulehnen.
Seine Argumente für den gefunden Kompromiss hatte Ministerpräsident Stephan Weil bereits in seiner Regierungserklärung am Mittwoch dargelegt, in Lüchow begründete er nochmals ausführlich, wie er und Stefan Wenzel zu ihrer Entscheidung kamen.
"Als wir an die Regierung kamen, fanden wir einen Gesetzesentwurf vor, der von allen 16 Bundesländern sowie der Bundesregierung abgestimmt war. Lediglich die LINKE lehnte den Entwurf ab," so Weil zur Ausgangslage auf Bundesebene. "Und: wir spürten beim Bund die klare Entschlossenheit, das Gesetz jetzt auf den Weg zu bringen, um die enge Lücke zwischen den Wahlen zu nutzen." Nur wenige Tage nach Amtsantritt hätten sich dann Stefan Wenzel und er entscheiden müssen, ob sie sich diesem ungenügenden Gesetz verweigern oder in Verhandlungen einsteigen.
"Wir hatten den klaren Eindruck, dass mit diesem Gesetz, die Wege für ein Endlager in Gorleben erleichtert werden sollten," so Weil weiter. "Immerhin gelang es uns, dem Gesetz einige Giftzähne zu ziehen."
Rausverhandelt haben Weil und Wenzel z.B.
- Enteignung auf Vorrat
- Einrichtung eines Salzlabors in Gorleben
- Abgabe von Zuständigkeit des Landes in Sachen Wasser- und Bergrecht
- Beleihung des Betriebs des Erkundungsbergwerks
Reinverhandelt wurde dagegen ein Rechtsschutz für Betroffene sowie erweiterte Beteiligungsmöglichkeiten.
Die Einstellung von Castortransporten nach Gorleben ist nach Weil ein "Lackmustest", wie ernst die anderen Bundesländer mit ihrem Einverständnis zu dem Gesetz meinen. "Wenn wir es an dieser Stelle nicht schaffen, eine gemeinsame Last gemeinsam zu tragen, dann werden wir diesem Gesetz nicht zustimmen." Weil wies darauf hin, dass hier "noch eine Menge zu sprechen" sein wird.
Später am Abend betonte Weil noch einmal deutlich, dass die Lösung für die Zwischenlagerung der Castortransporte eine zwingende Voraussetzung für eine niedersächsische Zustimmung zum Gesetz sein wird.
CHANCEN UND RISIKEN
Während die Gorlebengegner in dem vorliegenden Gesetzesentwurf hauptsächlich Risiken sehen, betonten Weil und Wenzel immer wieder, dass "die Chancen es wert sind, den Weg weiter zu verfolgen.
"Wir haben gar keine Wahl," betonte Stephan Weil. "Wenn wir diesem Weg jetzt nicht zustimmen, dann wird das Gesetz ohne Niedersachsen gemacht." Und was das bedeutet, machten Weil und Wenzel auch klar: Gorleben wird weiter als Endlagerstandort verfolgt, weil kein vehementer Gegner und Verfechter für eine andere Lösung am Verfahren teilnimmt.
Einig waren sich alle, die beiden Vertreter der Landesregierung ebenso wie die skeptischen Gorlebengegner, dass nicht sicher ist, ob Gorleben am Ende des Weges wirklich nicht zum Endlager erklärt wird.
Doch während die Politiker (Stefan Wenzel: "die Chancen auf einen Ausschluss Gorleben sind mit dem neuen Gesetz besser.") die Chancen, die sich aus dem Gesetz ergeben, durch aktive Einmischung möglichst weit in ihre Richtung lenken wollen, waren die Bürger im Saal mehrheitlich der Meinung, dass der Prozess zu Risikobehaftet ist und deshalb abgelehnt werden müsse. Ihre schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit lassen sie zu dem Schluss kommen, dass sie an einer "Alibi"-Veranstaltung namens Bund-Länder-Kommission nicht teilnehmen wollen.
Über zwei Stunden redeten hier Politik und Bürger aneinander vorbei. Plädoyer und Verteidigung auf der einen Seite - Ablehnung und Misstrauen auf der anderen Seite.
Dass der Weg schwierig wird, da waren sich beide Landesvertreter allerdings auch einig - der Widerstand der anderen Bundesländer wird groß sein, wenn es darum geht, Gorleben als möglichen Endlagerstandort fallen zu lassen: "Je weiter die Abgeordneten von Gorleben weit weg leben, desto weniger sind sie sich der Konsequenzen ihrer Entscheidungen bewusst," so Wenzels Einschätzung der Lage auf Länderebene.
Auch Rebecca Harms, EU-Abgeordnete, hatte bereits vergangene Woche auf dem BI-Ratschlag darauf hingewiesen, dass es bereits "wahnsinnige Konflikte" um die Castortransporte gebe - durchaus auch Grünen-intern. "Sage und schreibe ganze vier Landesregierungen sind nach dem angeblich
historischen Durchbruch in den Bund-Länderverhandlungen bereit, ihre
Gebiete für die Suche nach einem Endlager zu öffnen ," so Harms in einem Gastbeitrag für die FR . Harms hält den Gesetzesentwurf noch nicht für einen Durchbruch, plädiert aber vehement dafür, sich intensiv in den Prozess einzumischen, um die Chancen zu nutzen.
Harms wünscht sich allerdings, dass die Verbindlichkeit der Kommissions-Ergebnisse durch eine Verknüpfung mit § 21 des Gesetzes gestärkt würde. In diesem Paragrafen wird der Umgang mit dem bisherigen Erkundungsstandort Gorleben geregelt.
BÜRGER UND POLITIK - zwei verschiedene Welten?
So sehr die Politiker sich auch Mühe gaben, ihre Entscheidung zu rechtfertigen, bei den Gorlebengegnern in Lüchow stießen sie auf tiefgreifende Skepsis. Zwar wurde sowohl Weil und Wenzel Respekt und Anerkennung gezollt, dass sie sich aktiv um eine Diskussion mit den Widerständlern bemüht haben, aber: "doch in der Sache hagelt es Kritik", wie es Wolfgang Ehmke in einer Pressemitteilung der BI formulierte.
Das Endlagersuchgesetz und der
Parteienkonsens wurden zerpflückt. Die Vereinbarung, die in Berlin als
"Durchbruch" und "Neustart" der Endlagersuche gefeiert wurde, sei bei
näherer Betrachtung zwar ein Bruch, nur leider ein "Wortbruch", denn ein
ergebnisoffene Endlagersuche könne es nur geben, wenn nicht Gorleben
als Standort nicht offen gesetzt und heimlich als Referenzort gehandelt
würde, so Ehmke weiter.
Die Kritik entzündete sich auch an der Zusammensetzung der
Bund-Länder-Kommission, deren Mitglieder von den Parteien bestimmt
werden sollen und die sich die Hälfte der 24 Sitze untereinander
aufteilen. "So wird ein Standort, der nicht geeignet ist, fortgeschleppt
und in einem vergleichenden Verfahren wieder aus dem Hut gezaubert ",
wurde Weil und Wenzel vorgehalten. Das sei kein Neubeginn, ein solches
Gesetz dürfe von Niedersachsen nicht unterschrieben werden, gab der
BI-Vorsitzende Martin Donat Weil und Wenzel mit auf den Weg.
In dieser Haltung unterstützt wurden die BI-Vertreter von vielen im Saal. Immer wieder klang in den unzähligen Wortbeiträgen durch, dass die Wendländer befürchten, dass der Endlagerstandort Gorleben per Gesetz legitimiert wird, sollte das Kalkül von Wenzel und Weil nicht aufgehen.
Doch wie sagte Martin Donat am Ende des Abends: "Solange wir nur darauf starren, ob Gorleben ja oder nein, solange führen wir die falsche Debatte." In diesem Sinne gab Donat den Landesvertretern zwar die dringende Bitte mit auf den Weg, das Gesetz nicht zu unterschreiben, kündigte aber gleichzeitig an, die Chancen "im Dissens" nutzen zu wollen.
Foto / Angelika Blank : Ministerpräsident Stephan Weil (2. von links) und Umweltminister Stefan Wenzel stellten sich am Freitag der Diskussion mit den Wendländern. Mit auf dem Podium: BI-Vorsitzender Martin Donat (vorne links).
Eine Fotostrecke von der Veranstaltung gibt es bei publixviewing.de