Das war 2013: Die Wellen schlugen hoch

"Panta rei" - alles fließt. Diese altgriechische Weisheit galt in der Region im vergangenen Jahr in mehrfacher Hinsicht: seit Januar regiert im Lande eine rot-grüne Mehrheit, im Juni sorgte ein extremes Hochwasser für wochenlange Anspannung und auch in Sachen Endlagersuche kam einiges in Bewegung.

Landespolitik: die frisch gewählte rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen versuchte schon in den ersten 100 Tagen Zeichen zu setzen: so hob der grüne Umweltminister Stefan Wenzel zum Beispiel den Rahmenbetriebsplan für Gorleben auf - was prompt eine Klage des Bundes zur Folge hatte.

Hintergrund: Erlangt die Aufhebung des Rahmenbetriebsplans Rechtskraft, muss im Falle dessen, dass der Salzstock Gorleben doch weiter erkundet werden soll, das aufwändige Verfahren zur Genehmigung eines Rahmenbetriebsplans völlig neu gestartet werden - was Jahre dauern würde. Deshalb, so vermuten Gorlebenkritiker, will die Bundesregierung das Verfahren offen halten, um Gorleben im Spiel zu halten.

Im März stellte sich Umweltminister Stefan Wenzel der wendländischen Öffentlichkeit und verteidigten ihre Haltung in Sachen Endlagersuchgesetz. Die Zustimmung der beiden Landespolitiker zu dem in Berlin verhandelten Gesetz über ein Verfahren zum Neustart der Endlagersuche stieß bei der gorlebenkritischen Öffentlichkeit auf große Skepsis. Zu groß waren die Befürchtungen der Widerständler, dass der Salzstock Gorleben durch verfahrenstechnische Tricks doch zum Endlager werden könnte.

Im Juni wurde dann nach langem Hin und Her das Endlagersuchgesetz trotz heftiger Kritik von Umweltverbänden und Gorlebenkritikern vom Bundestag verabschiedet.

Kurz nach der Regierungsbildung hatte sich Innenminister Boris Pistorius bereits mit einer Abschiebung auseinanderzusetzen, die in dieser Form nach den Koalitionsvereinbarungen gar nicht mehr hätte stattfinden dürfen: Bei Nacht und Nebel waren Mitglieder der Lüchower Familie Osmani von der Polizei abgeholt und abgeschoben worden. Pistorius beteuerte, über die Umstände der Abschiebung nicht ausreichend informiert gewesen zu sein. Trotz sofort eingeleiteter Rückführungsmaßnahmen wurde es Oktober, bis Vasvija Osmani und ihr Sohn wieder nach Lüchow zurückkehren konnten.

Auch in Sachen Strukturhilfe gibt es seit der Regierungsneubildung in Hannover neue Hoffnung für den Landkreis, dass einerseits die Zwangsfusionierung abgewendet und der ersehnte "Zukunftsvertrag" mit dem Land abgeschlossen werden kann. Der Haushaltsplan des Landkreises nährt diese Hoffnung zusätzlich: erstmals konnte der Kreistag im Dezember einen Etat beschließen, der von einem leichten Plus im Haushaltsansatz ausgeht. Gute Voraussetzungen für die Bewilligung erneuter Bedarfszuweisungen durch das Land - wenn es auch immer noch keine eindeutigen Signale aus Hannover gibt.

Neustart der Endlagersuche -oder "alter Wein in neuen Schläuchen"?

Trotz aller Beteuerungen der Landespolitiker aber auch der Grünen Bundesführung bleiben die Gorlebengegner in der Region bei ihrer ablehnenden Haltung gegen das im Juni verabschiedete Endlagersuchgesetz. Vor allem stört sie, dass es nicht gelang, Gorleben schon jetzt aus dem weiteren Endlagersuchverfahren auszuschließen.

Die Umweltverbände beschließen, an der Kommissionsarbeit nicht teilzunehmen, da sie sie angesichts der bereits für Januar 2014 geplanten Gründung des mächtigen Bundesinistuts für kerntechnische Entsorgung für eine reine Alibi-Veranstaltung halten. 

Es sind aber auch Stimmen zu hören, die im verabschiedeten Endlagersuchgesetz eine leise Chance sehen, dass Gorleben tatsächlich als Endlagerstandort ausfällt. Im November erhält diese Hoffnung neue Nahrung, als bekannt wird, dass des Landesamt für Bergbau, ... und Geologie einer Mainzer Firma eine Aufsuchungserlaubnis für Erdgas und Erdöl für ein 160 km² großes Gebiet in der Nähe des Erkundungsbergwerks erteilt hat. Trotz aller Befürchtungen, dass womöglich die umstrittene Frackingtechnologie zur Förderung eingesetzt wird, setzt sich der Kreistag für die Öffnung der Suche nach Erdöl und Erdgas im Gorlebener Raum ein - in der Hoffnung, dass eine womögliche Erdgas/-öl-Förderung die Einlagerung von radioaktivem Müll im Salzstock verhindern wird.

Durch den Vertrag der Koalitionsparteien SPD, CDU und CSU auf Bundesebene klärte sich der Umgang mit dem "Endlagerstandort Gorleben" nicht weiter auf. Bis zuletzt stritten sich die Verhandlungspartner darum, ob im Koalitionsvertrag konkrete Aussagen über die Rücknahme der Klage des Bundes gegen die Aufhebung des Rahmenbetriebsplanes durch das Land Niedersachsen gemacht werden. Letztendlich wurden sämtliche Aussagen zu diesem Thema aus dem Koalitionsvertrag gestrichen.

Es bleibt spannend, wie die neue Bundes-Umweltministerin Barbara Hendricks, Energieminister Sigmar Gabriel und ihre - grün orientierten - Staatssekretäre mit der "Gorlebenfrage" umgehen werden.

Mehr zum Thema Endlager gibts hier!

"Das Wasser kommt"

Nur mehrere Deichbrüche im Oberlauf der Elbe verhinderten, dass ein neuerliches Extrem-Hochwasser im Juni auch in der Region katastrophale Auswirkungen hatte. Beinahe zwei Wochen kämpften tausende Helfer und Einsatzkräfte aus Nah und Fern bis zum Rande der Erschöpfung um Deiche und Schutzwände. Selbst die neu gebaute Hochwasserschutzwand in Hitzacker drohte angesichts der enormen Wassermassen dem Druck nicht mehr stand zu halten.

Letztendlich traf es vor allem das Elbschifferdorf Vietze und einige Häuser in Gorleben und Tiesmesland. In Vietze gingen rund 30 in der Seegeniederung gebaute Häuser im Hochwasser unter. Dutzende Eigentümer waren bis in den Frühwinter damit beschäftigt, ihre Häuser wieder bewohnbar zu machen. Auch der Friedhof und die historische Kapelle in Vietze waren nach Jahrzehnten überflutet worden. 

Eine Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft erreichte auch Lüchow-Dannenberg: insgesamt landeten mehrere Hunderttausend Euro Spendengelder auf den Hilfskonten der Gemeinden, der Kirche(n) und des Landkreises, so dass auch die am schlimmsten Betroffenen schnell in den Genuss von Hilfsgeldern kommen konnten. 

Für Vietze bedeutet die Juni-Flut, dass der kleine Schifferort nun einen Deich erhalten wird. auf rund 1,5 km Strecke wird dann ein ausreichend hoher Wall das südwestliche tiefer gelegene Dorf gegen anstürmende Wassermassen schützen - denn Hochwasserexperten gehen davon aus, dass auch die Flut 2013 nicht die letzte ihrer Art gewesen ist und dass kommende Hochwasser mit noch höheren Wasserständen eintreffen werden. Die Statistik belegt diese Befürchtungen: seit 2002 kommen die Fluten immer häufiger (2002, 2006, 2011, 2013) und mit jeweils höheren Wasserständen.

Mehr zum Hochwasser 2013 gibts hier!

Was sonst noch geschah

Januar - April: Schnee und Eis halten die Region in Winterstarre. Erst im April taut der Schnee langsam ab und das Frühjahr kann endlich Einzug halten.

Januar: zwei schwere Brände zerstören historische Fachwerkbauten in Clenze und in Lübeln. Letzterer Brand könnte gar die Bewerbung Lübelns um die Teilnahme am Weltkulturerbe-Verfahren gefährden.

April: der Aufbau der im vergangenen Jahr beschlossenen 15 zusätzlichen Geschwindigkeitsmessanlagen beginnt. Die zusätzlichen Blitzer sollen den Landkreis-Haushalt aufbessern und für eine ausgeglichene Bilanz sorgen. Am Ende des Jahres waren es rund 55 000 Bilder, die die automatischen Kameras geschossen hatten.

Die Wölfe sind zurück: bei Gartow haben sich zwei neue Wölfe angesiedelt wie Untersuchungen belegen.

In einer Nacht brennen in Clenze mehrere Autos - unter anderem geht ein Schulbus in Flammen auf.

Mai: in einer Nacht-und-Nebel-Aktion, die Widerständler ebenso überraschte wie Betreiber, Samtgemeinde und Polizei brachte die Umweltschutzorganisation Greenpeace das ehemalige Aktionsschiff "Beluga I" in Einzelteile zerlegt auf elf Tiefladern nach Gorleben. In tagelanger Arbeit wurde das Schiff vor Ort wieder zusammengebaut. Unter begeisterter Teilnahme von hunderten Gorlebengegnern konnte dann bei strahlendem Sonnenschein "Schiffstaufe" in Sichtweite zum geplanten Endlagergelände gefeiert werden - sehr zum Ärger der Samtgemeinde Gartow, die seitdem vehement versucht, dass das nach ihrer Ansicht "illegale Bauwerk" von seinem Altershafenplatz wieder verschwindet. Als Mahnmal für eine verfehlte Endlagerpolitik soll die Beluga allerdings nach dem Willen der Grundstückseigentümer (Familie von Bernstorff), der Gorlebengegner und nicht zuletzt von Greenpeace an seinem Ruhehafen im Wald von Gorleben verbleiben. Das Genehmigungsverfahren läuft am Ende des Jahres immer noch.

Juni: Das "Herz" der Tierhilfe Wendland, Heidi Konopatsch, tritt in den Hungerstreik, weil der Versuch, das Gelände des Katzenschutz-Vereins in Breustian zu halten, zu scheitern droht. Trotz der Zusicherung des Landkreises, 100 000 Euro für den Tierschutz zur Verfügung zu stellen, gelingt keine einvernehmliche Lösung. Trotz 50 000 Euro auf dem Vereinskonto will der Ankauf des Anwesens nicht gelingen - ein anderer Ort erscheint der Tierhilfe inakzeptabel.

Im Herbst beschließt der Kreistag, eine Kooperation mit dem Tierheim in Lüneburg einzugehen, um zumindest die Versorgung von Fundhunden und den Eigentümern entzogenen gefährlichen Hunden zu gewährleisten. 

Später entscheidet die Tierhilfe, die Versorgung von Fundkatzen an anderer Stelle fortzusetzen.

Juli: Extreme Trockenheit sorgt für Waldbrandgefahr in der Region. Zwischen Rondel und Prezelle hat sich der Kiefernspanner derart ausgebreitet, dass auf acht Kilometern Länge Tausende Kiefern nur noch aus traurigen entnadelten Stämmen bestehen. Ob eine groß angelegte Bekämpfungsaktion Erfolg hatte, wird sich nach Aussagen der Förster erst im nächsten Jahr zeigen.

August: Eine Vergewaltigung in Wustrow führt zu heftigen Auseinandersetzungen im Ort: ein Bewohner einer Behinderteneinrichtung hatte die Gewalttat begangen. In der Folge ängstigen sich viele Wustrower derart, dass sie heftige Vorwürfe gegen die Betreiber der Wohneinrichtung erheben. Eine neu gegründete Bürgerinitiative will nun gemeinsam mit der Leitung überlegen, wie das Zusammenleben von Behinderten und Nicht-Behinderten besser funktionieren kann. 

September: Bundestagswahl: Die CDU gewinnt auch in Lüchow-Dannenberg die meisten Stimmen. Julia Verlinden (Grüne), Hiltrud Lotze (SPD) und Eckhard Pols (CDU) ziehen für den Wahlkreis in den frisch gewählten Bundestag ein.

Die Grüne Werkstatt Wendland erhält den Stifterpreis der Deutschen Wissenschaft und veranstaltet neuerlich ein Design Workcamp in Kukate, bei dem Studenten von vier Universitäten neue Design- und Vermarktungsideen für hiesige Unternehmen entwickeln.

Oktober/November:
In Hitzacker stellt Umwelt-Staatssekretärin Almut Kottwitz das Konzept des Landes für einen umfassenden Hochwasserschutz vor. Bis zum Frühjahr soll ein "dreidimensionales Modell" der Elbelandschaft erstellt werden, welches den Flusslauf, die Geländegegebenheiten auf beiden Seiten der Elbe ebenso untersucht wie die hydrologischen Verläufe. Mit ihrer Bemerkung, dass "in letzter Konsequenz dort wo es absolut notwendig ist,die Weiden nicht nur gefällt, sondern auch gerodet werden müssen", um Hochwasserschutz zu gewährleisten, zieht sich Kottwitz den Unmut von Naturschützern zu.

Ein tragischer Unfall bei Steine sorgt für Betroffenheit im ganzen Landkreis. Zwei jugendliche Frauen sterben nach dem Aufprall auf einen Straßenbaum bei Steine.

Dezember
Sturm "Xaver" zieht am Nikolaustag über das Wendland hinweg. Doch der Landkreis kommt glimpflich davon  - es entsteht nur leichter Sachschaden. Bei Kröte weht es einen Linienbus von der Straße, in Vietze fliegt ein Scheunendach davon.

Anna und Andreas von Bernstorff erhalten den Bremer Friedenspreis für ihr langjähriges Engagement gegen die Atomanlagen in Gorleben.

Mit der Verabschiedung eines Haushaltsplanes , der ein Plus von knapp zwei Millionen Euro vorsieht, kann der Kreistag Lüchow-Dannenbergs erstmals nach Jahrzehnten eine positive Aussicht auf die Finanzen des nächsten Jahres geben.





Fotos

2013-12-31 ; von Angelika Blank (autor),
in Lüchow-Dannenberg, Deutschland

jahresrückblick2013  

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